[64] Mazurka, pt. 1 & 2

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»Aaaach, komm schon. Woher wusstest du, dass es auf E7 steht?«

Cecilies Stöhnen malte Kasimir ein Lächeln auf die Lippen, während ihr Flaggschiff auf seinem Handydisplay auf den Grund des Meeres sank. Die Online-Version des Spielklassikers war ausgesprochen zufriedenstellend.

»Es steht immer auf E7.«

»Wir haben dieses blöde Spiel seit zwanzig Jahren nicht gespielt.«

»Und du machst immer noch dieselben Züge.«

»Tut mir leid, dass ich mich an sowas nicht erinnere«, motzte Cecilie, nachdem ihre Kanonenkugel ins Wasser geplatscht war. »Beschäftigte Menschen müssen Familie und Arbeit unter einen Hut bringen.«

»Arbeit? Du bist seit drei Jahren dauerschwanger ... verdammt.«

Der Angriff seiner Schwester auf C83 versenkte eines von Kasimirs Versorgungsschiffen. Ihr diebisches Lachen kratzte an seinem Ego.

»Oooch, hat die Dauerschwangere deine Fregatte getroffen? Arme Wurst.«

Kasimir rollte mit den Augen. Es war das erste Mal seit dem Debakel in der Elbphilharmonie, dass er länger mit seiner Schwester telefonierte als zwei Minuten. Obwohl sie bereits zwei Game Overs einstecken musste, klebte Cecilie seit einer halben Stunde vor dem Display. Offenbar wollte sie ihren spärlichen Kontakt der letzten Wochen aufarbeiten.

»Musst du dich nicht um Lenina Valentina Jade kümmern?«, grummelte er, als sein letzter Flugzeugträger unterging.

»Schläft. Frido auch. Hildi ist mit Tommy auf der Baustelle.«

»Spielt sie noch Klavier?«

»Jeden Tag.« Cecilie bombardierte erfolgreich eine Welle. »Sie ist durch mit dem Anfängerbuch, könnte Nachschub brauchen.«

»Ich schicke euch was, wenn ich wieder in Berlin bin.«

»Du meinst Zuhause«, betonte Cecilie und wartete auf eine Erwiderung. Als Kasimir sich in Schweigen hüllte, seufzte sie. »Wie lange willst du noch bei Alain bleiben?«

»Keine Ahnung ... solange er und Jean im Basketballcamp sind?« Er ließ die Magnetklappe seiner Handyschutzhülle schnappen. »Ich helfe Adèle im Garten, gehe mit dem Hund und so ...«

»Okay, aber ...«

»Ich hab Mirabelle ein neues Kommando beigebracht. Es heißt ›Stirb‹.«

»Kasi ...«

»Sie lässt sich fallen und streckt die Pfoten von sich. Du hättest Adèles Gesicht sehen sollen, als sie gestern in der Einfahrt lag ...«

»Kasi, was zur Hölle.«

Ihr verständnisloser Tonfall zauberte ein Grinsen auf Kasimirs Lippen. Mirabelles pantomimische Fähigkeiten hatten selbst Martin ein Schmunzeln abgerungen. Mittlerweile nahm er am Abendessen teil, sprach sogar auf deutsch mit seiner Mutter, wenn Kasimir im Raum war. Und er spielte Klavier, während Kasimir sich in seinem Zimmer aufhielt. So wie jetzt.

»Hast du Musik an?«, fragte Cecilie, die Unterbrechung ihres Gesprächs hatte sie auf die dumpfen Klänge im Hintergrund aufmerksam gemacht.

»Martin spielt im Wohnzimmer.«

»Oh, wow. Klingt gut. Was ist das für ein Lied?«

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt