[50] Gloria

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Ein kleiner Stern flimmerte über den Nachthimmel. Neugierig erkundete er die Unendlichkeit, schwirrte durchs Vakuum auf der Suche nach Gleichgesinnten. Es existierten Schwärme leuchtender Himmelskörper, er sah sie oft vorüberziehen. Wie gern flöge er mit ihnen, begleitete ihren zeitlosen Tanz durchs Universum. Doch er funkelte nicht hell genug, um ihnen zu folgen.

So flirrte er allein durch seinen Kosmos aus Träumen. Jedes Mal, wenn der Sternenschauer übers Firmament flammte, presste er bunte Funken aus seinem Herzen. Eine Maskerade aus Schimmerstaub, die sein wahres Licht trübte. Er trudelte von einem schwarzen Loch zum nächsten, wirbelte orientierungslos durch Galaxien. Wer war er, wo gehörte er hin? Wieso genügte sein Strahlen nicht, um einen Platz am Himmel zu finden?

Er war so versunken in Grübeleien, dass ihm nicht auffiel, wie sich ein anderer Stern auf seiner Umlaufbahn verirrte. Als er unsanft mit ihm kollidierte, flackerte der kleine Stern auf, besann sich seiner Maske und versuchte, zu scheinen. Doch das war nicht nötig.

Der andere Stern war viel dunkler als er.

Eifrig umkreiste der kleine Stern seinen finsteren Partner. Er schien verloren, ihm fehlte die Kraft, auch nur einen Funken springen zu lassen. Dabei war er so groß, so anmutig und schön. Er gefiel dem kleinen Stern. So sehr, dass er ihm folgte, obwohl der dunkle Stern vor ihm floh. Er trug einen Glanz in sich, der den kleinen Stern faszinierte, die Flamme in seinem Inneren anfachte. In seiner Nähe lumineszierte er, immer intensiver, je häufiger sie zusammenstießen.

Und irgendwann begann auch der dunkle Stern, zu strahlen.

Sie bewegten sich umeinander, spielten mit dem Licht des anderen. Die Asteroidenschauer streiften silbern über den Nachthimmel, doch sie kümmerten sich nicht darum. Das bunt flackernde Licht des kleinen Sterns durchdrang die schwarze Materie des dunklen, wärmte seine kalte Oberfläche und brachte sie zum Glühen. In seiner Nähe leuchtete der kleine Stern heller als je zuvor. Sein Traum erfüllte sich, er wurde gesehen. Vom schönsten Gestirn, dem er jemals begegnet war. Er spürte, dass der dunkle Stern mehr war als ein Gleichgesinnter.

Er liebte sein ultraviolettes Licht.

Der kleine und der dunkle Stern flogen fortan gemeinsam durchs All. Mit jeder Meile gewannen sie an Strahlkraft, selbst die Asteroiden flirrten neidvoll an dem Paar vorbei. Der dunkle Stern zog Kraft aus ihrer Liebe, funkelte immer stärker, überstrahlte irgendwann das Licht des kleinen. Dieser freute sich für ihn, folgte seinem Leuchten.

Bis es begann, ihn zu blenden.

Der kleine Stern geriet ins Straucheln. Seine Flamme brannte lichterloh, doch seine Leuchtkraft wurde schwächer. Bald konnte er sich nicht mehr auf der Umlaufbahn halten, fiel hinter seinen Partnerstern zurück und schlingerte ins schwarze Nichts.

Dem dunklen Stern fiel das nicht auf. Er flog weiter, erblindet von seinem eigenen Licht.

Der kleine Stern verlor sich in der Finsternis, wie früher. Doch dieses Mal tat die Einsamkeit weh. Er vermisste den dunklen Stern, vermisste ihr gemeinsames Farbenspiel. Wenn er nur so hell strahlen könnte wie er.

In diesem Moment sah er einen Lichtschweif am Horizont. Er flammte azurblau durch die Einöde, glomm frei und wild durch die Stille. Der kleine Stern taumelte ihm nach. Der Lichtschweif bemerkte ihn, zog fröhlich Kreise um seinen winzigen, blassen Körper. So oft, bis die raue Oberfläche des kleinen Sterns aufplatzte. Darunter leuchtete er so bunt, dass er sich selbst kaum wieder erkannte. Aber das war er.

Ein Komet voll Glanz und Gloria.

Der kleine Stern konnte sein Glück kaum fassen. Endlich schien er so hell wie sein geliebter Stern, endlich konnte er an seiner Seite glänzen. Der kleine Stern eilte zu ihm, sprühte Funken voll Freude. Doch sein Stern war nicht froh, ihn zu sehen. Er schirmte sich ab von ihm, dimmte sein Feuer, wurde immer dunkler. Bis er irgendwann nicht mehr zu sehen war.

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt