[79] All Eyes On Us

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⭐️ Sonderkapitel ⭐️

Viel Spaß mit dem PV-Finale!

❤️




















Das Scheinwerferlicht brannte heiß auf Leos Wangen. Alles um ihn herum war finster, allein der Konzertflügel strahlte wie die Venus am Nachthimmel. Er fühlte sich wie ein Raumschiffpilot, der nach wochenlanger Reise durch die Finsternis sein Ziel erreichte. Und er war nicht allein im Cockpit.

Während sie unter Applaus die Stufen zur Bühne hinauftraten, senkte Leo den Blick auf seine rechte Hand. Kasimir zerquetschte sie beinahe. Leo spürte seine Aufregung in jedem Schritt, jedem nervösen Blick, den Kasimir ins Publikum warf. Er durchlebte zweifellos mehr Stress als Euphorie, doch seine Emotionen drückten ihn nicht zu Boden. Vielleicht, weil Leo ihn genauso fest hielt.

Vor dem Flügel war ein zweiter Hocker platziert worden. Die Klaviatur war außergewöhnlich breit, besaß mehr Saiten als jedes Klavier, auf dem Leo je gespielt hatte. Er war unfassbar glücklich, diesen Moment mit Kasimir zu teilen.

Als sie sich setzten, wurde der Applaus von erwartungsvoller Anspannung verdrängt. Kasimir ließ Leos Hand erst los, als das Publikum endgültig verstummte, strich sich mit den Handflächen über die Oberschenkel. Seine Wangen waren blass, er schwitzte unter dem Haaransatz. Leo legte ihm seine gelähmte Hand aufs Knie, lächelte, als Kasimir sie mit seiner rechten umschloss. Sie standen das zusammen durch.

»Bereit?«, flüsterte Leo. Kasimir nickte.

Und dann begann ihr schwarzweißes Duett.

Leos Finger berührten den Auftakt zarter als Sternenstaub, der vom Nachthimmel rieselte. Er schenkte den Noten die Gefühle, die sein Herz in Kasimirs Nähe wahrnahm. Diese weiche, warme, funkelnde Glückseligkeit, die die Dunkelheit überwand. Sein Freund untermalte die Töne mit sauberen Dreiklängen, konzentrierte sich auf passgenaue Einsätze. Leo merkte, dass Kasimir alles richtig machen wollte. Er arbeitete die Aufgabe, die Elise ihm übertragen hatte, minutiös ab.

Je tiefer die Melodie ins All vordrang, desto leichter fielen Leo die Passagen unter seinen Händen. Der Konzertsaal verlor sich in Fantasie, er und Kasimir waren die einzigen in seinem Kosmos. Wie Sternschnuppen flogen sie durch die Unendlichkeit, wanden sich umeinander. Leo genoss diese Reise, folgte einem kunterschwarz flackernden Pfad durch die Galaxien. Er fühlte sich so frei, so einzigartig in dieser malerischen Finsternis. Doch mit diesen Eindrücken war er offenbar alleine.

Kasimirs Finger krampften sich um Leos gelähmte Hand. Er konnte nicht loslassen, nicht frei durch Raum und Zeit schweben. Dieser Moment und dieses Lied waren nichts als Stress für ihn.

Aber nicht mehr lange.

Als Leo zu seinem Solopart überging, fokussierte Kasimir seine Finger; wartete auf seinen nächsten Einsatz. Leo schmunzelte, spielte sich an den Augenblick heran, an dem der Bass seine Harmonie wieder ergänzte - und änderte die Melodie. Sofort zuckte Kasimirs Blick auf sein Gesicht, die Irritation kerbte sich tief in seine Lidwinkel. Leo spielte einfach weiter, als wäre das Lied unter seinen Händen weiterhin ›All Eyes On Us‹. Streng genommen war es das auch.

Allerdings nicht seine Version.

Es dauerte Sekunden, bis Kasimir seine Melodie mit Akkorden untermalte. Er war durcheinander, verfehlte wiederholt die Einsätze seines eigenen Liedes. Es war liebenswert, wie er mit seiner Konzentration kämpfte, während er Leo vermutlich am liebsten vom Hocker schubsen würde. Aber er hatte keine Wahl, musste seinen Launen folgen.

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt