[5] Matinée, pt. 2

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Kasimir empfand keine Begeisterung beim Anblick seines Agenturgebäudes. Viel zu oft war er unbedarft durch die Eingangstür getreten und hatte sie Stunden später mit einem Berg unterbezahlter Aufträge wieder verlassen. Ihm war bewusst, dass Leonhard positivere Gedanken mit seiner Arbeitsstätte verband. Leider steigerte seine gute Laune Kasimirs Euphorie nicht.

»Das ist 'ne miese Überraschung, Leo ...«, nörgelte er, als Leonhard beschwingt die Tür zur Künstleragentur aufschloss. Sein Freund schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln.

»Sagst du jetzt. Wart's ab, bis wir sie dir vorstellen.«

»Wir

»Japp. Jana freut sich schon, dir nachträglich zu gratulieren.«

Kasimir seufzte und sah hinauf zu Jana Biels Bürofenster im zweiten Stock. Er hätte ihren Anruf am Vortag besser nicht ignoriert. Da Leonhards Vorgesetzte die Räumlichkeiten über ihrer eigenen Agentur bewohnte, kam er nicht um ihre Anwesenheit herum.

🎵🎵🎵

Kasimir war dankbar, der nassen Februarkälte in die beheizten Räumlichkeiten zu entfliehen. Ein Jahr nach seiner Aufnahme in die Künstlerkartei von Jana Biels Agentur hatte er sich sogar an die Designereinrichtung im Eingangsbereich gewöhnt. Ein weißer Empfangstresen im Zentrum des Raums, eine Sitzecke mit schwarzen Ohrensesseln an der rechten Wand und zahllose quadratische Kunstdrucke, die sich wie ein Puzzle über die reinweiße Tapete verteilten und im Weitblick eine fragmentierte Klaviatur darstellten. Jana hatte ein Faible für die Klarheit von Form und Farben. Eine der wenigen Eigenschaften, die sie und Kasimir teilten.

»Wartest du kurz?« Leonhard nickte zur Tür, die zu den Mitarbeiterräumen führte. »Muss fix was aus dem Büro holen.«

»Meinetwegen ...«

Kasimir erhielt ein schelmisches Zwinkern zur Antwort, ehe Leonhard im Personalbereich verschwand. Er ließ sich abgespannt in einem der Sessel nieder. Die Aussicht, wieder einmal mit einer karrierefördernden Idee seines Freundes überrumpelt zu werden, laugte ihn aus. Natürlich freute er sich, dass Leonhard abseits der Tasten eine erfüllende Beschäftigung gefunden hatte, und er müsste ihm viel dankbarer für sein Engagement sein. Aber manchmal fehlte ihm die Kraft dazu.

»Und? Hast du ja gesagt?«

Kasimir wandte den Kopf über die Lehne und sah sich mit dem Dekolleté einer kurvigen Mittvierzigerin konfrontiert. Das lange schwarze Kleid, in dem Jana Biel geräuschlos vor ihm aufmarschiert war, ließ sie für einen Moment ungewohnt damenhaft wirken. Allerdings sorgte ihr unverwechselbarer Befehlston dafür, dass Kasimir diesen Eindruck schnell verwarf.

»Ja? Wozu?«, wiederholte er, während sich seine Agenturchefin im Sessel neben ihm niederließ. Sie pustete sich den schwarz gefärbten Pony aus der Stirn und nickte auf den Ring an seiner linken Hand.

»Herzlichen Glückwunsch. Die Hochzeit ist das Beste am Eheleben, danach geht's nur noch bergab.«

»Was? Er hat mir keinen Antrag gemacht.«

»Nicht?« Sie zog die Brauen hoch. »So aufgeregt, wie er gestern war, hätte ich drauf schwören können. Aber gut, er ist ein schlauer Bursche. Wenn sich einer von euch freiwillig vom Staat in Ketten legen lässt, dann du.«

»Bestimmt nicht.« Kasimir verbarg seine Hand in seiner Hosentasche. Jana bedachte seine Geste mit einem Schmunzeln, während sie mit den Fingerspitzen über den schwarzen Samtbezug des Sessels strich.

»Wie dem auch sei, ich hoffe, du hattest trotz deines Auftritts einen schönen Geburtstag. Ich wollte Leonhard früher rausschmeißen, aber er hat endlos lange mit einem Klienten telefoniert.«

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt