[60] Chanson

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Der Himmel über dem Flughafen war wolkenlos. Leo beobachtete durchs Rückbankfenster, wie ein gewaltiger Airbus Kurs auf die Landebahn nahm. Er hatte noch nie in einem so großen Flugzeug gesessen. Aber das würde sich heute ändern.

»Wir sind zu früh, oder?« Paula massierte neben ihm ihre Hände, fokussierte nervös die Zeitanzeige auf dem Display des Autoradios. Ihr Freund am Steuer schwenkte entspannt den Kopf.

»Man ist nie zu früh BER.«

»Was, wenn sie noch nicht da ist?«

»Dann wir warten bis sie ist.«

Leo schmunzelte, als Paula die Stirn in Falten legte. Pavels Gelassenheit schien ihre Aufregung zu steigern.

»Mach dir keine Sorgen. Elise ist immer überpünktlich. Ihr versteht euch garantiert super.«

»Meinst du?« Paula nestelte an dem blauen Plüschhasen herum, den sie für Elise gehäkelt hatte. Er hatte nur einen Arm. »Was, wenn sie mich aufdringlich findet? Vielleicht will sie vor dem Abflug ihre Ruhe.«

»Keine Angst. Sie freut sich, dich zu treffen. Wirklich.«

»Leo sagt, sie sucht Personal«, pflichtete Pavel bei. »Du bist Personal.«

»Ja, aber ... was, wenn sie mich nicht mag?«

»Jeder mag dich. Selbst Kasimir ...«

Pavel verstummte. Paulas Blick zuckte kurz zu Leo, sank dann auf ihre Knie herab. Leo lachte leise, um das bedrückte Schweigen zu überbrücken, und legte ihnen beiden die Hand auf die Schulter.

»Keine Sorge. Wenn die Pianovision hinter uns liegt, kann Elise sich vor Schülern nicht retten. Sie braucht deine Hilfe, Paula. Du bist eine super Pädagogin.«

»Oh, ähm ... wenn du meinst ...«

Ein Rotschimmer zeichnete sich auf Paulas Wangen ab, sie schmunzelte leicht. Dennoch klang ihre Stimme gesetzter. Leo spürte, dass sie ihm sein Lächeln nicht abnahm. Sie war eine der wenigen Personen, der es gelungen war, ihn zu demaskieren. Doch er ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Sein Fokus lag auf der Show in Paris.

Alles andere spielte keine Rolle.

🎵🎵🎵

Die Abflughalle des Terminals war überschaubar. Leo hatte erwartet, vor lauter Bildschirmen und verrauschten Durchsagen den Überblick zu verlieren, doch dank Paula fanden sie schnell den Schalter zur Gepäckaufgabe.

»Elise!«, rief er und winkte, als er seine Duettpartnerin auf einer Bank vor den Schaltern entdeckte. Elise blickte von ihrem Handy auf, dann breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. Sie legte das Smartphone auf die Bank und erhob sich. Paula schien ihr Anblick die Sprache zu verschlagen, sie versteckte sich unwillkürlich hinter Leos Rücken. Elise bedachte ihre Scheu mit einem sanften Lachen und reichte ihr die linke Hand.

»Schön, dich kennenzulernen, Paula. Leo hat mir viel von dir erzählt.«

»Hat er ...?«

Paula musterte Leo so perplex, dass er sich ein Grinsen verkneifen musste. Sie vergaß sogar, Elises Hand loszulassen. Erst, als diese kicherte, ließ Paula verschreckt von ihr ab.

»Ich, ähm ... i-ich hab etwas für dich«, stammelte sie und überreichte Elise ihr gehäkeltes Stofftier. Die schien ihren Augen kaum zu trauen, nahm Paula freudig in den Arm. Leo betrachtete die Szene schmunzelnd, dann wanderte sein Blick auf das Smartphone, das Elise auf die Bank gelegt hatte. Es war deutlich moderner als das, welches sie normalerweise nutzte.

All Eyes On Us [3]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt