All Eyes On Us [3]

[36] Passacaglia, pt. 1

🌸 Oster-Special 🌸

🐰🐰🐰🥕

›Willkommen auf der Erde, kleine Lenina Valentina Jade!‹

Kasimir starrte auf das Foto im Familiengruppenchat. Eine schrumpelige Fleischraupe lag in den Armen ihrer entkräfteten, aber sichtbar stolzen Mutter. Ein Pastellfarbfilter betonte die Besonderheit des Bildes, es regnete Herzen im nicht enden wollenden Chatverlauf.

Das war sie also. Die nächste Hasenick, die ihre Eltern eines Tages auf Schadensersatz verklagte.

»Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«, murmelte Kasimir und legte das Smartphone neben sein Gedeck auf den Frühstückstisch, rieb sich seufzend über die Augen. Das Besteckklirren und anhaltender Gesprächslärm vor dem Buffettisch hielten ihn einigermaßen wach, doch die zweite schlaflose Nacht in Folge zerrte an seinen Nerven. Nicht einmal der Fairtrade-Schwarztee in seiner Tasse reichte aus, seine Systeme hochzufahren.

Er löste seine Hände vom Gesicht und sah sich im Frühstückssalon um. Die Plätze waren vollbesetzt, neben den Showorganisatoren zweifellos unzählige Reporter und Pressefotografen. Ihm fröstelte beim Gedanken, dass er ihnen am Abend Rede und Antwort stehen musste. Zum Glück war er nicht der Einzige, dem diese Show gesteigerte Aufmerksamkeit bescherte. Einige seiner Mitkandidaten hatten ihn passiert, seit er sich vor einer Stunde mit einer Scheibe Toastbrot und seinem inzwischen erkalteten Aufguss zu seinem Platz geschleppt hatte. Seine Konkurrenz war ihm weitgehend unbekannt; bislang hatte sein Augenmerk ausschließlich auf dem Duell mit Leonhard und Elise gelegen. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er das Konzerthaus mit dieser Herangehensweise am Ende als Sieger verließ.

»Na also, das ist die Ausstrahlung, die ich von dir erwarte.«

Kasimirs Blick wanderte träge zu seiner Linken, wo Dawid Eiliger grinsend mit einem überfüllten Tablett in Händen auf ihn herabsah.

»Hä?«

»Augenringe, starrer Blick, du weißt schon. Dieses Fickt-euch-alle-Setup.« Dawid ließ sich ungefragt an der gegenüberliegenden Seite des Tisches nieder, stellte geräuschvoll sein Tablett ab und stützte anschließend das Kinn auf seine Handrücken, um Kasimir unverhohlen anzustarren. »Siehst aus, als hättest du 'ne wilde Nacht hinter dir.«

»Nicht im Geringsten.« Kasimir musterte den Berg an Nahrungsmitteln, die Dawid auf seinen Teller gestapelt hatte. Rührei, drei Brötchen, eine breite Auswahl lokaler Fischspezialitäten und Unmengen an süßen Dessertschüsseln. Man könnte meinen, er sei derjenige, der sich für den Wettbewerb wappnete. »Schaffst du das alles?«

»Ich bitte dich. Ich bin ein Künstler mit Format«, gab Dawid zurück und ließ genüsslich eine Scheibe Räucherlachs in seinem Mund verschwinden. »Nicht jeder bekommt Kost und Logis von seiner Agentur gesponsert, Hasi, der Aufenthalt hier kostet mich ein Vermögen. Aber was tut man nicht alles für seine zwei Lieblingshasen? Außerdem ist das 'ne willkommene Abwechslung zum Weißwurstfrühstück.«

Kasimir verzog den Mund, während Dawid sich an seinen Delikatessen gütlich tat. Er hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, welche finanzielle Belastung Jana in Kauf nahm, um ihm und Leonhard dieses Event zu ermöglichen. Allein dafür schuldete er ihr eine grandiose Darbietung.

»Apropos Weißwurst«, schmatzte Dawid, während er eines seiner Brötchen in zwei Hälften teilte. »Wie geht's deinem Angebeteten? Schafft er's wieder runter vom Klo?«

»Keine Ahnung«, murmelte Kasimir und sah sich unwillkürlich im Raum um. Obwohl er bereits kurz nach Eröffnung des Buffets hergekommen war, hatte er Leonhard noch nicht gesehen. Hoffentlich ging es ihm gut genug, um die Probe am Konzertflügel zu überstehen.