005 // 11. November - V

106 8 7
                                    

- Interludium -

Oktober

Danach hatten wir uns noch einige Male in unregelmäßigen Abständen getroffen und zwischendurch immer mal wieder gemeinsam gespielt. Mal war ich jedoch beruflich eingespannt, dann war er drei Wochen kaum zu erreichen, weil er bei Interviews und Rollenverhandlungen war. Ich hatte nach wie vor nicht seine Nummer und wir hielten nur über die Chatfunktion in der App Kontakt. Klar, warum sollte er mir seine Nummer geben? Ich bot es auch nicht an. Strengstens unterließ ich es, mir weitere Hoffnungen zu machen - er war sah wahrscheinlich nicht mehr als eine Bekannte mit den gleichen Interessen in mir, die ihn ganz normal behandelte und gerne mit ihm an abgelegene Orte fuhr. Er kam mir bei unseren Treffen körperlich zudem wirklich nie zu nahe. Zur Begrüßung und Verabschiedung schenkte er mir sein hinreißendes Lächeln und legte mir für einen winzigen Augenblick, der mir Schauer die Wirbelsäule hoch- und herunterschickte, eine Hand auf den oberen Rücken.

Meinen Freundinnen hatte ich nur gesagt, dass ich mich schon einige Male mit Collin getroffen und einen netten Freund mit zwei Hunden gefunden hatte, mit dem ich öfter spazieren ging. Ich hatte das instinktive Bedürfnis Henry vor der Preisgabe dieser Treffen zu schützen. Sogar vor meinen besten Freundinnen. Die Dates mit Collin waren immer schön gewesen, wir sprachen viel, wir lachten viel, er zeigte mir einige abgefahrene Lokale und Clubs in Oxford, er küsste himmlisch. Er raubte mir bei den langen, intensiven Zungenküssen beinahe die Sinne. Wir ließen es aber nach wie vor beide locker angehen - meine Zeit in Oxford war begrenzt, ich hatte keine Intention mich zu binden. Trotzdem erinnerte ich mich immer wieder, auch wenn ich berauschende Dates mit Collin hatte, an die Treffen mit Henry. Er ließ sich immer etwas Neues in der Natur einfallen, das er mir zeigen konnte und unternahm nur Dinge mit mir, bei denen er unerkannt bleiben konnte.

An einem feuchtkalten Oktoberabend waren wir ins Autokino gefahren. Natürlich hielt er die ganze Zeit respektvollen Abstand. Von dem tollen Film hatten wir jedoch nichts mitgekommen, da wir nach fünfzehn Minuten auf den Kommentar "Du bist so ein Hobbit!" in eine angeregte Unterhaltung über das Der Herr der Ringe-Universum versunken waren und erst beim Abspann lachend feststellten, dass wir den Film vollkommen verpasst hatten. An dem Abend hatte er mir seine Nummer gegeben, damit wir auch zwischendurch unkomplizierter in Kontakt bleiben konnten. Aus Panik, jemand könnte Henry auf meinem Handy lesen und sofort auf ihn schließen - der Vorname war ja auch so selten - speicherte ich in kurzerhand als Heinz in meinem Telefon ein.

An einem Tag nach einer längeren Funkpause, die mich bedauerlicherweise mehr schmerzte, als mir lieb war, lud er mich ein, das Warwick Castle zu besichtigen. Ich war verwundert, da dieser Ort viele Touristen anzog. Der zufällig günstige Umstand, dass es an diesem Tag wieder regnete, minimierte die Zahl der Neugierigen erheblich. Henry trug wieder seinen dunkelgrünen Regenmantel mit großer Kapuze, eine dicke Wollmütze und kniehohe Gummistiefel. In dem Outfit erinnerte er mich jedes Mal an einen wettergegerbten Seemann, der resolut das Steuer gegen jede Widrigkeit in den Händen hielt. Ich mochte das, da spielten so viele Assoziationen aus meiner Heimat, dem Eiland, hinein.
Henry zog der Besichtigung der Reichtümer im Inneren und des Verlieses einen Spaziergang im großzügigen Schlosspark vor. Ich fotografierte das Schloss aus allen möglichen Winkeln, er hielt sich dabei im Hintergrund und erzählte angeregt, was er zur Geschichte wusste, ich lauschte gespannt. Ich schickte ihm anschließend eines der Bilder, dass das Schloss unter der zwischen den mächtigen, schweren Regenwolken hervorbrechenden Sonne und einem Regenbogen zeigte, weil er die Szenerie schon bei der Aufnahme so schön fand. Dabei entdeckte er den Namen Heinz, was für viel Gelächter auf seiner Seite und für eine peinliche, aber ehrliche Erklärung auf meiner Seite sorgte.

Er brachte mich nach unseren Treffen - anders als Collin - nie nach Hause, sondern setzte mich entweder bei meinem Firmenwagen, bei einem Uber oder bei Lucas, seinem Fahrer, ab. Ich hatte es durch vergangene Enttäuschungen wirklich aufgegeben mir vorschnell Chancen auszumalen - es war dennoch zusehends ein wahrer Kampf meine Emotionen in seiner Nähe zu unterdrücken. Ich darf nicht wieder den Fehler machen, Gefühle zuzulassen, die wieder abgeschmettert werden ... Das sagte ich mir immer wieder vor. Also nutzte und lebte ich den Moment, fand meine Dates mit Collin, zu dem ich mich vor allem körperlich hingezogen fühlte, berauschend und abwechslungsreich und genoss die gesprächsintensiven Treffen mit Henry, die mich auf einer viel tieferen Ebene berührten, fast befriedigten. Bei den Treffen mit Henry vermieden wir es tunlichst über seine Berühmtheit, seinen Beruf zu sprechen. Ich wusste, dass ihm seine Fans wichtig waren, dass er den Kontakt mit ihnen genoss und ihnen so dankbar für die Unterstützung war. Trotzdem merkte man, wie sehr er die Zeit allein und mit seinen Hunden genoss, er spielte und las viel, betätigte sich zu Hause handwerklich, versuchte Elektrogeräte selbst anzuschließen, war kulinarisch aufgeschlossen. Darüber hinaus wollte er - rational mehr als verständlich, dennoch die kleine Eitelkeit in mir kränkend - nicht mit mir fotografiert werden. Pressespekulationen kämen uns beiden nicht zu Gute, er schützte seine Privatsphäre, für mich war es ebenso so wichtig, da ich mich mit meiner Karriere weiterhin auf dem Weg nach oben befand. Immer häufiger wurden kleinere Gerüchte an mich zur Einrichtung dauerhafter Arbeitsplätze für deutsche Mitarbeitende am neuen Standort in Oxford herangetragen. Ob mich dies überhaupt betreffen sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, aber auch so würden in Deutschland genug Verantwortlichkeiten auf mich warten, denen irgendwelche Aufmerksamkeiten von außen im Weg gestanden hätten. Henry war jederzeit sehr interessiert an mir, fragte mich über meine Heimat an der Ostsee, meine Hobbys, die Bücher, die ich mochte, Filme, Serien, meine Arbeit, die Hunde und sehr oft und gerne über einzelne Kapitel in Bänden von Der Hexer aus.

Von meinem letzten Trip nach Hause, den ich im September endlich wieder einplanen konnte, hatte ich für Baggins, die französische Bulldogge und Kal, den American Akita, selbstgebackene Hundekekse mitgebracht, die Clara in liebevoller Handarbeit in ihrer Küche herstellte. Er freute sich, die Hunde noch mehr und mir erwärmte der Anblick, wie sie auf den knusprigen Leckerlis herumkauten, so das Herz, dass mir die Tränen in Wehmut und Sehnsucht nach meinen eigenen Vierbeinern kamen. Ich hatte sie schnell weggewischt, war aber sicher, dass er sie trotzdem bemerkt hatte. Henry bedankte sich aufrichtig und drückte mir so liebevoll den Arm, dass ich beinahe wieder mit dem Weinen angefangen hätte.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt