084 // 01. Juli - III

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Ich weiß nicht, wie lange wir miteinander tanzen, aber schließlich ist meine Kehle vollkommen ausgetrocknet und ich mache mich von Raoul los. „Vielen Dank für die Tänze. Das hat Spaß gemacht!", sage ich und greife mir mit einer Hand in den feuchten Nacken. Ich lege den offenen Teil meiner Haare, der mir durch die Drehungen über die Schulter auf den Rücken gefallen ist, wieder nach vorne und spüre sofort, dass sich die Haut deutlich kühler anfühlt. „Du entschuldigst mich? Ich brauche etwas zu trinken."

„Natürlich", gibt er zurück und seine Lippen kräuseln sich. „Wenn du noch eine Runde tanzen willst, ich bin hier."

An der Bar treffe ich Marleen, die gerade ein Glas Wasser in einem Zug leert. „Das war anstrengend", meint sie, als sie das Glas abgesetzt und mich anstrahlt. „Clara müsste auch gleich kommen, ich habe ihr wie verrückt gewunken und ihr ein Zeichen gegeben, als sie mich endlich gesehen hat."

Ich bestelle ebenfalls ein Wasser und stürze es herunter. „Findest du auch, dass es im Ballsaal unfassbar warm ist? Puuh..." Ich wedle mir mit einer Hand Luft ins Gesicht und in den Nacken. Marleen stützt ihre Unterarme auf dem Bartresen ab und die langen Netzärmel fallen ihr über die Schultern und Oberarme. Sie richtet ihre Tiara wieder gerade aus.

„Das liegt bestimmt am..."

„Na, meine Süßen", meint Clara plötzlich und gibt uns einen Klaps auf die Hintern, als sie zwischen uns an die Bar tritt. „Also, mein Tanzpartner hatte es echt drauf...und, Mann, war der schnuckelig!" Sie zieht die Mundwinkel bis zu den Ohrläppchen hoch und gibt ihre Bestellung auf. Nachdem wir uns alle abgekühlt haben, sage ich - "Ich muss jetzt dringend Elias finden. Er weiß bestimmt, wo Henry ist...oder vielleicht" - der Gedanke macht mir umgehend Angst, mein Herz zieht sich zusammen - „ist Henry gar nicht hier?"

Clara pustet sich eine Strähne aus der Stirn. „Worum sollte er nicht hier sein? Er ist der Star der Serie...kommt, wir suchen diesen hinreißenden Hundesitter." Das Streichquartett hat eine musikalische Pause eingelegt und es läuft wieder deutlich modernere Musik, deren Songtexte aber alle zum Motto des heutigen Abends passen. Entweder geht es um überbrodelnde Leidenschaft, unerfüllte Liebesschwüre, gebrochene Herzen oder Vampire und Geschöpfe der Nacht. Gerade läuft Black Celebration von Depeche Mode und mir stellen sich schlagartig die Härchen am Arm auf. Ein gut gekleideter Herr im Smoking tritt auf uns zu und hält eine professionelle Kamera vor der Brust fest. Als er sich höflich erkundigt hat, ob er uns fotografieren dürfe, bringen wir uns in verführerische Posen und lassen uns ablichten. Ich scanne anschließend den Raum, aber habe einfach keine Anhaltspunkte, was Elias trägt oder wie seine Maske aussieht. Hätte ich doch zumindest ihm verraten, dass wir hier sind - aber dann hätte er sich bei Henry eventuell verquatscht!? Meine Freundinnen und ich durchkämmen den Ballsaal, gehen an Pärchen und Gruppen vorbei, die sich über die ganze Tanzfläche und Sitzgelegenheiten an den Wänden verteilen. Ich schrecke zusammen, als sich plötzlich ein Mann mit einem vollständig entstellten Gesicht zu uns umdreht. Marleen quiekt leise und Clara legt sich eine Hand auf die Brust. Der Mund des Mannes verzieht sich zu einem Grinsen und die narbige Haut dehnt sich unschön. Nachdem der erste Schreck verdaut ist, ist klar, dass es sich dabei um ein maskenbildnerisches Meisterwerk handelt. Das ist zumindest eine durchaus kreative Interpretation von Maske... Wir lachen betreten und gehen dann schnell weiter, den Blick des Monstrums noch im Nacken. Als ich die Suche gerade aufgeben will, ertönt rechts neben mir ein Lachen, das so klar klingt, als würde man einen Löffel gegen ein hochwertiges Kristallglas schlagen. Direkt darauf folgen einige gesäuselte Sätze mit einem eindeutigen schottischen Akzent. Ich wende der Quelle gezielt meinen Blick zu und bin sofort sicher, dass es sich bei der sonnengebräunten Frau in dem fließenden, fuchsiafarbenen Seidenkleid um Sonrée Smith handeln muss. Ihre Haare fallen ihr samtig-glatt über den Rücken, die Hälfte ihres Gesichts schmückt eine mit Steinen besetzte Totenkopfmaske aus Metall. Der rosarote Mund ist zu einem großzügigen Lächeln verzogen. Als ich sie weiter in Augenschein nehme, bin ich sicher, dass sie keine Unterwäsche trägt, dafür sitzt das Kleid viel zu eng und ihr Busen zeichnet sich überdeutlich unter dem zarten Stoff ab. Ihre Füße stecken in sehr hohen Schuhen. Sonrée schüttelt gerade den Kopf, was ihre langen Haare in wellenartige Schwingungen versetzt. Sie ist umringt von Männern und einigen Frauen, mit denen sie sich angeregt unterhält. Im nächsten Moment verfällt sie in das nächste glockenklare Lachen. Ich nehme ihre männlichen Gesprächspartner in Augenschein und mein Blick bleibt an einem großen, gut gebauten Mann hängen, der eine Wolfsmaske trägt. Die weiße Maske bedeckt den Großteil seines Gesichts und hat eine richtige Schnauze. Sie sieht so realistisch aus, dass ich einen Moment überlege, ob es sich um einen echten, aufgesägten Schädel handelt, der zu einem Accessoire verarbeitet wurde. Die Schnürung des semi-transparenten, grauen Hemdes ist nicht zugezogen und gibt die Aussicht auf einen wohlgeformten Brustmuskel frei. Der Saum steckt leger in einer schwarzen Lederhose. Meine Freundinnen haben ihn ebenfalls entdeckt und heften ihre Augen an ihn. Ich warte geduldig ab und beobachte den Schönen dabei, wie er den Arm, den er zum Zurückstreichen seiner Haare gerade angewinkelt hat, wieder senkt. Dann entdecke ich es...das aus drei Wolfsköpfen bestehende Tattoo auf der linken Brust.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt