066 // 27. Mai - V

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Die Wege werden mal enger, sodass wir fast seitlich hindurchgehen müssen, dann werden sie so breit, dass wir nebeneinanderstehend die Arme ausstrecken könnten. Ich tauche gerade wieder in ein schmales Heckengässchen ein und schaue über die Schulter, als ich feststelle, dass Elias nicht mehr hinter mir ist. Ich gehe ein paar Schritte zurück, kann ihn aber vor der letzten Abzweigung nicht entdecken. „Eli?", rufe ich laut und warte einen Moment, aber es kommt keine Antwort. „Elias?", frage ich noch einmal und lausche in die Stille. Nur entfernt kann ich ein überaus erheitertes Frauenlachen hören. Der Himmel taucht sich Minute um Minute in ein dunkleres Abendlicht und ich beschließe, meinen Weg fortzusetzen. Ich werde Eli schon wiederfinden. Als ich noch ein paar Mal links und rechts abgebogen, an einigen Frauen-, Pferde- und Löwenskulpturen vorbeigekommen bin, die vereinzelt den Weg zieren, gelange ich wieder auf einen viereckigen Platz und frage mich gerade, ob ich im Kreis gelaufen bin, als ich sehe, dass der Wasserspeier des Brunnens ein pechschwarzer Rabe aus Marmor ist, dessen Gefieder von güldenen Linien durchzogen wird. Ich schaue mich um und trete schnell an den Brunnen heran, den ich prüfend umrunde. Als ich mich gerade enttäuscht abwenden will, sehe ich am Beckengrund etwas glitzern und greife kurzentschlossen in das kühle Wasser hinein. Ich fische einen Moment darin herum, ehe ich ein feingliederiges Kettchen zu greifen bekomme. Ich ziehe es heraus und stelle zufrieden fest, dass ein kleiner silberner Schlüssel an ihm baumelt. Bevor ich mir die Kette um den Hals lege, schüttle ich ausgiebig meinen nassen Arm und einige Tropfen fliegen durch die Luft. Die Kette fühlt sich kalt und feucht an, als ich sie mir üben den Kopf streife und sie auf meinem Dekolleté ruhen lasse. Jetzt muss ich nur Elias wiederfinden und mit ihm das Labyrinth verlassen, denke ich gerade und will mich wieder in Bewegung setzen, als mich jemand anspricht.

„Ida", sagt eine vertraute Stimme und die Hoffnung, dass es sich dabei um meinen Freund handelt, erstirbt sofort. Ich presse die Zähne zusammen, meine Kiefermuskulatur spannt sich an und ich erwäge tatsächlich, einfach in die schmale Abbiegung zu meiner Rechten zu verschwinden. Da ich nicht grundlos davon ausgehe, dass im Weggehen sowieso gleich mein Arm ergriffen wird, drehe ich mich schließlich um. Constantins vertrauter Blick ruht auf mir und nimmt mich in Augenschein, seine Augen verweilen für einen Wimpernschlag auf dem Schlüssel um meinen Hals.

„Constantin", sage ich knapp. „Schon fündig geworden?"

Er scharrt mit der Schuhspitze über den Boden und steckt die Hände lässig in seine Hosentaschen. Ein Verhaltensmuster, das ich schon sehr oft bei ihm beobachtet habe. „So halb...", meint er und tritt schließlich noch einen weiteren Schritt auf mich zu, dem ich mit einem weiteren Schritt nach hinten ausweiche, um mehr Raum zwischen uns zu bringen.

„Na dann, viel Glück...", meine ich und will jetzt wirklich nach rechts abbiegen, als er noch einen Schritt auf mich zukommt. „Wo hast du denn Vanessa gelassen?", frage ich und manövriere mich weiter vorwärts, um gleich in dem engen Gässchen zu verschwinden.

„Sie hatte spontan doch keine Lust. Das...", - er macht eine halbrunde Bewegung mit seinem Unterarm und der Hand – „...ist nicht so ihr Fall."

„Na, so ein Pech... Wir sehen uns dann nachher bei der Preisenthüllung", sage ich und wende mich schlussendlich zum Gehen, aber Constantin ergreift meinen Unterarm und dreht mich schwungvoll wieder zu sich herum.

„Du wirst mich nicht hier stehen lassen...nicht schon wieder." Seine Gesichtszüge sind hart und seine bernsteinfarbenen Augen fixieren mich. Eine kleine Locke hat sich aus seiner Frisur gelöst und hängt ihm nun in seine Stirn. Früher hätte ich dem Bedürfnis sie ihm aus der Stirn zu streichen, kaum widerstehen können. Jetzt würde ich sie am liebsten ausreißen.

„Du lässt mich jetzt los, Constantin", sage ich selbstbewusst zu ihm und will meinen Arm zurückziehen, aber seine Hand rutscht dadurch nur weiter an meinem Handgelenk hinab und drückt dort so fest zu, dass die Flügel der kleinen Fee sich schmerzhaft in die empfindliche Haut meines Unterarms bohren. „Au!", mache ich und Constantin beäugt abschätzig das Armband.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt