010 // 13. April - I

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Ich blicke von meinem Buch auf und beobachte für einen Moment das beinahe spiegelglatte, türkisfarbene Meer, das langsam wogende kleine Wellen an den Sandstrand treibt. Ich spüre den warmen, steinlosen Sand, der durch meine Zehen und über meinen Fußrücken rieselt. Die Sonne brennt von oben auf uns herab. Wir liegen auf einer großen Stranddecke, ich, bis eben in mein Buch vertieft, Henry vor sich hindösend, seinen Strohhut auf dem Gesicht. Hinter uns steht eine geräumige, hölzerne Cabana mit einem Dächlein, das man öffnen und schließen und die Seiten mit Vorhängen aus Leinen verschließen kann. Im Inneren befindet sich eine bequeme große Matratze mit einigen Kissen, die auf einem Fundament steht, das an massive Holzpaletten erinnert. Links und rechts von der Matratze befinden sich kleine Beistelltischen, auf denen unsere Getränke, Handys und Sonnenmilch liegen. Wir hatten die Cabana vor circa einer Stunde verlassen, um uns zu sonnen. Mir wird es langsam zu warm. Ich blicke zu ihm hinüber, er atmet gleichmäßig und entspannt. Ich sehe, dass sich auf seiner vorderen Schulter und dem Bauch langsam kleine rote Stellen abzeichnen und stehe auf, um die Sonnenmilch vom Beistelltischchen zu holen. Er scheint es gar nicht zu bemerken. Als ich zurückkomme, streichle ich ihm sacht über den definierten Oberarm und sage - "Hey...".

Henry beginnt sich erst nach einem Moment zu regen, nimmt den Hut von seinem Gesicht und streicht sich mit beiden Händen darüber, bevor er mich anschaut. "Hm..?", macht er leicht schläfrig.

"Du wirst langsam rot. Ich wollte dich eincremen..."

Er blickt an sich hinab, drückt auf die roten Flecken, die sich kurz hell färben und dann langsam zu der rötlichen Farbe zurückkehren. Er schnieft, zieht leicht säuerlich den Mundwinkel hoch. "Ich muss wohl eingenickt sein...", sagt er. "Wollen wir uns kurz abkühlen und uns danach eincremen? Mir ist auch ziemlich warm. Ich gehe auf jeden Fall wieder in die Cabana, bevor ich nachher ein Krebs bin."

Ich schnaube amüsiert. "Na klar, gerne."

Henry steht auf und streckt sich einmal ausführlich. Er nimmt dann ganz selbstverständlich meine Hand und führt mich Richtung Wasser.

"Uff...der Sand ist verdammt heiß", schniefe ich und beschleunige meine Schritte.

"Deine Füße sind zu zart...ich finde, es geht."

"Ja, du würdest mit deinen Füßen auch nach Hobbingen passen", gebe ich neckisch zurück.

Henry gibt mir einen Klaps auf den Hintern. Ich tauche die Füße in das angenehm warme Wasser. Noch genau die perfekte Temperatur zum Abkühlen, aber nicht so kalt, als dass man schon nach wenigen Minuten frieren würde. Ich lasse Henrys Hand los und gehe weiter hinein. Er steht noch in den kleinen Wellen und lässt sich das Meerwasser um die Füße fließen. Als ich ungefähr bis zu meinem Po im Wasser stehe, tauche ich meinen Kopf unter und genieße die Erfrischung. Ich tauche wieder auf. Henry ist mittlerweile ungefähr auf meiner Höhe, springt mit einem Hechtsprung ins Wasser und spritzt mich nass. Ich kneife die Augen zusammen und kichere. Er nimmt unter Wasser einige kräftige Schwimmzüge, eher er hinter mir wieder an die Oberfläche kommt und seine zur Zeit etwas längeren Haare ausschüttelt. Einige Tropfen landen auf meinem Rücken und meiner Schulter, die ich ihm noch halb zugewandt habe. Er wischt sich mit beiden Händen über das Gesicht und streicht die Haare zurück, ehe er auf mich zukommt und mich in den Arm nimmt. "Schön, dass das geklappt hat. Ich weiß, dass du gerade bis zum Hals mit dem neuen Standort in Arbeit steckst."

Ich lächle von Herzen. "Ich freue mich. Die Auszeit hast du dir wirklich verdient."

Aktuell befindet sind die kostspielige Independent Produktion in einer Drehpause. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass auch unabhängige Produktionsfirmen, wie Henry mir berichtete, so bildgewaltige, aufwendige Werke auf die Beine stellen konnten. Es wirken dabei sowohl schauspielerische Neuentdeckungen als auch einige weltweit bekannte Gesichter mit. Der Eigentümer der Firma, Arthur Ashfield, hatte groß geerbt, mit Kurzfilmen und auch eindrucksvollen Naturdokumentationen bereits hohe Summen eingespielt, die ihm zu einem Teil die Aufnahme von Die Fürsten von Uungh erlaubten. Henry hatte mir erklärt, dass sich Independent Produktionen größtenteils nicht über Eigenkapital und Kredite finanzieren, sondern über den Vorverkauf ausländischer Verwertungsrechte. Dabei müssen mindestens einundfünfzig Prozent der Finanzierung unabhängig von großen Produktionsstudios geleistet werden, was ich ziemlich viel finde, wenn man bedenkt, dass beim Vorverkauf der Erfolg der Produktion überhaupt nicht absehbar ist. Ein Risiko für beide Seiten, vor allem aber für die Käufer.

Jedenfalls sind nun die sechs Folgen der ersten Staffel, in der Henry einer der Hauptrollen spielt, seit einigen Wochen abgedreht. Bis zur Prämiere wird es noch einige Monate dauern, denn die Aufnahmen befinden sich aktuell im Schnitt und in der aufwendigen Animation verschiedener Kreaturen. Henry ist mehr als glücklich mit der Produktion und hat einen riesigen Spaß an seiner Rolle als Syrendél, Kriegerprinz des Waldvolkes von Uungh, in der er natürlich darauf besteht, die meistens Stunts und Kämpfe selbst auszuführen. Er hatte hart für die aufwendigen Aufnahmen trainiert und schon die Gegebenheiten der Drehorte mit dem Produktionsteam geprüft, weshalb wir uns schon vor Drehstart einige Wochen nicht gesehen hatten. Henry war total engagiert, denn seine und auch die Ideen der anderen Mitwirkenden wurden bei der Produktion hochgeschätzt und konnten den Verlauf der Geschichte schon einmal beeinflussen, das Skript gar teils verändern. Henry blüht auf, fühlt sich verstanden und anerkannt. Er verdient es so!

Nach Drehschluss hatte er mich, weil wir uns über Monate hinweg kaum gesehen hatten, sofort gefragt, ob ich mit ihm in den Urlaub fliegen will. Die Vorbereitungen waren allerdings weniger unkompliziert, als ich erwartet hatte, denn wir konnten uns auf kein Urlaubsziel einigen. Henry wollte nach Thailand, ich lieber nach Mexiko. Als wir uns auch nach Tagen nicht entscheiden konnten, die Argumente für einen der Sehnsuchtsorte sich schon nicht mehr übertrumpfen konnten, hatten wir schließlich gelost - und...Henrys Vorschlag hatte gewonnen.

So waren wir auf Ni-Tan, dem Märchen, gelandet und die Übersetzung trifft die Schönheit, die Einzigartigkeit dieses traumhaften Inselchens ganz genau.

„Du meinst, wir haben uns die Auszeit verdient", sagt Henry und seine blauen Augen richten sich intensiv auf mich, bevor er mir einen Kuss aufdrückt. Ich lege meine Hände an seine nassen Wangen, seine Lippen schmecken salzig und er umfängt mich fest.

Hier auf Ni-Tan ist er viel unbefangener als im westlichen Teil der Welt. Davon abgesehen, dass wir in der kleinen Bucht sowieso keinen neugierigen Blicken ausgesetzt sind, erkennen ihn die Leute hier zwar, wenige Male wurde er auch schon angesprochen, aber niemand belästigte ihn mit der Aufdringlichkeit und dem Medieninteresse, mit dem er sonst konfrontiert ist. Es macht sich niemand zu viel aus dem berühmten Schauspieler, wahrscheinlich, weil der Urlaubsort besonders wegen seiner Intimität beliebt bei den Schönen und Reichen ist. Man gönnt ihnen ihre Auszeit, sorgt für Sicherheit rund um das Resort, das neugierigen Paparazzi jegliche Einblicke auf das Gelände unmöglich macht. Die kleine Bucht, in der wir seit einigen Tagen zwischendurch immer wieder ausspannen, hätten sie von außerhalb des Resorts nur mit einem Boot erreicht, was uns bisher aber erspart geblieben ist. Zudem patrouillierte die hauseigene Wasserwacht in regelmäßigen Abständen entlang der Küstenlinie und würde etwaige Boote sowieso auf der Stelle abfangen.

Diese Art der Auszeit bekommt man natürlich nicht geschenkt, dennoch hatte ich darauf bestanden, mich an den Urlaubskosten zu beteiligen. Ich hatte nicht gewollt, dass Henry mich einlädt und mich aushält. Er verdient sein Geld ebenso hart wie ich, vielleicht noch härter, wenn man die äußeren Umstände beachtet. Ich kann zwar nicht die Hälfte der Summe aufbringen, aber durch das großzügige Gehalt, das ich als Standortleiterin verdiene, beteilige ich mich zumindest mit einem fairen Anteil. Ich lehne es nach wie vor ab, dass er für alles aufkommt und lade ihn auch mal zum Essen ein.

„Du hast recht", gebe ich zu, als wir uns voneinander lösen. „Und, kann Ni-Tan mit Malta mithalten?"

Henrys Lippen kräuseln sich. „Hm, gerade so..."

Beinahe bin ich versucht, das zu glauben, denn er hatte bereits in und vor den unvorstellbarsten und schönsten Kulissen in Irland, Malta, Island, Kroatien und Rumänien gedreht. Henry hatte mir während der Dreharbeiten regelmäßig Fotos geschickt, die mich neidisch werden ließen, wenn ich in meinem Büro in Oxford oder abends mit Skadi und Anubis auf der Couch saß. Wobei ich mich über mein stilvoll eingerichtetes Büro mit dem tollen Ausblick und auch über meine gemütliche Wohnung überhaupt nicht beschweren konnte - aber diese Orte raubten einem schon auf Bildern so den Atem, dass man sie unbedingt selbst erkunden wollte.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt