„Du schlauer Teufel"
Das Lied von Milck hallt einen Moment in meinem Kopf nach, als ich meinen Freundinnen ein Lächeln schenke. Clara kommt gerade über Elias und Henry ins Schwärmen und startet einen angeregten Dialog mit Marleen, sie driften für einen Moment vom Thema ab und ich kehre gedanklich zu Constantin zurück, dem ich mit meinen Annahmen vielleicht unrecht tue. Da er sich aber nie ehrlich dazu geäußert hat, haben sie sich bis heute so in meinem Kopf gehalten.
Wir hatten unseren Familien unabhängig voneinander von unserer Trennung erzählt. Meine Eltern waren bestürzt gewesen. Mein Vater war nach einem Moment des Bedauerns jedoch so erzürnt gewesen, dass er mich beinahe an Poseidon erinnerte, der mit erhobenen Dreizack aus den rauschenden Meeresfluten auftaucht. Sein langer grauer Bart schien vom Wind zerzaust. Schließlich meinte er, er habe von Anfang an gewusst, dass Constantin ein Pinsel, ein überheblicher Taugenichts sei. Wir hatten einige Mühe, ihn wieder zu beruhigen. Vor allem aber wurde er von meinem Weinen unterbrochen und besänftigt. Seine Eltern musste es ähnlich hart getroffen haben, denn Babette versuchte mich mehrfach telefonisch zu erreichen. Ich wusste, dass seine Eltern auch weiterhin mit meinen Eltern in Kontakt waren und sich bis heute treffen, weil sie sich angefreundet haben. Constantins Vater, hatte mir meine Mutter berichtet, hatte ihm ordentlich den Kopf gewaschen – ebenso Noelle, die eine überaus selbstbewusste und gerechte junge Frau war und ihrem Bruder in jeder Hinsicht Paroli bot. Seine Mutter hatte mir seither mehrere Nachrichten geschrieben, die konkret Constantin betrafen. Die vorletzte kam einige Tage nachdem ich Constantin im Oktober im Büro gesehen hatte, als ich zu einer Lagebesprechung in Bezug auf die Fortschritte in Oxford nach Hause geflogen war.
„Constantin geht es schlecht ohne Dich. Er hat mir erzählt, dass ihr Euch im Büro gesehen habt. Er vermisst Dich. Ich sehe, dass es ihm wehtut. Kannst Du nicht nochmal mit ihm sprechen?"
Ich hatte die Nachricht mehrfach gelesen, sie mit meinen Freundinnen besprochen, hatte mich aber schwergetan, eine Antwort zu formulieren. Schließlich hatte ich geantwortet.
„Es tut mir leid, Babette, aber das muss er mir selbst sagen."
Eine solche Nachricht war von ihm nicht eingegangen. Trotzdem hatte ich fast zwei Wochen mit dem Gedanken gespielt, ihn zu mir nach Oxford einzuladen. Den Gedanken hatte ich jedoch verworfen, als ich an einem Sonntagmorgen einige Nachrichten von ihm auf meinem Handy hatte, die größtenteils zwischen zwei und drei Uhr morgens eingegangen waren. Die erste war eine Sprachnachricht, auf der man zuerst ein Rascheln, ein Knacken, dann Constantin und seine Freunde, im Hintergrund das leise Wummern von Musik und ein Stimmengewirr hören konnte.
02:03 am
„Idaaaaa Karls-oh-oh-oh-n!" hatte erst Constantin und dann, wie ich anhand der Stimme vermutete, sein Freund Aaron gerufen. Seine anderen Freunde redeten durcheinander. „Ruhe... Ruhe jetzt!", rief Constantin und klang dabei leicht angetrunken. „Was machst du? Wir sind im Storchenflug, komm feiern. Aaron hat gesagt, er möchte nochmal einen Blick auf deinen Hintern werfen." Man hörte, wie etwas auf Haut klatschte. Scheinbar Aarons Hand auf Constantins Arm.
„Das ist Plödsinn, Ida!", wirft Aaron schnell und lallend ein.
„Au, Alter! Ach, upps, nichts davon geht, denn du bist ja in Oxford", meinte Constantin und betonte Oxford übertrieben britisch. Danach war die Nachricht abgebrochen. Mein Respekt für ihn begann schon zu sinken. Wenige Minuten später war dann die erste Textnachricht eingegangen.
02:09 am
„Ich vermisse Dich."
Weiter ging es mit einer Bekundung, dass ihm alles leidtue, dass er es bereue, es nicht dem Chef gesagt zu haben. Mein Herz hatte sich schmerzhaft zusammengekrampft und wieder Gefühle hochgeholt, gegen die ich seit März angekämpft hatte. Einige Tippfehler bestätigten meinen Eindruck, dass er schon tief ins Glas geschaut hatte. Darauf folgte für fast eine halbe Stunde nichts.
02:35 am
„Warum antwortest du nicht?"
02:37 am
„Schläfst du?"
02:49 am
„Ida, verdammt, antworte. Ich liebe Dich!"
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ein Jahr hatte ich auf diese drei Worte gewartet. Als ich in Österreich zu ihm gesagt hatte, dass ich mich in ihn verliebt hatte, hatte er nur mit „Ich empfinde ebenso" geantwortet. Danach kam nichts Vergleichbares mehr von ihm.
Die letzte Nachricht war um 5:23 am eingegangen und hatte mich noch tiefer getroffen.
„Ich erkenne Dich nicht. Du bist nicht mehr Du. Du bist nicht mehr mein Engel."
Ich war über all die Zeit immer ich geblieben, hatte zu meinen Gefühlen für ihn gestanden, hätte jede Konsequenz auf mich genommen, die es beruflich gegeben hätte, aber anstatt sich sein eigenes Verhalten vor Augen zu führen, hatte er den einfachsten Weg gewählt und es auf mich geschoben...
Babette meldete sich um 11:17 am -
„Constantin sitzt bei uns auf der Couch und sieht aus wie ein Häufchen Elend. Er sagt, er hat Dir heute Nacht Nachrichten geschrieben, aber Du antwortest nicht? Was ist bloß bei Euch los, Ida? Sprecht!"
Der schöne Marmor-David hatte seine Mutter vorgeschoben, in der Hoffnung, dass sie die Situation für ihn retten würde. Verschwunden war der selbstbewusste, strenge Skulpturenmann.
„Ich weiß, ich wiederhole mich, aber wenn Constantin Klärungsbedarf hat, muss er sich bei mir melden. Im nüchternen Zustand", hatte ich erst über eine Stunde später geantwortet.
Seitdem hatte Babette in den letzten Monaten nur noch auf die Fotos in meinem Status geantwortet und sich danach erkundigt, wie es mir geht. Sie schickte regelmäßig Blumenfotos, die sie in ihrem gepflegten Garten aufgenommen hatte und motivierende Sprüche. Ganz klar hatte sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich Constantin endlich einen Ruck geben und mich zurückgewinnen würde. Meine Mutter hatte mir gesteckt, dass Babette die neue Liebelei Constantins - die sie zwar nicht persönlich aber aus den stolzen Erzählungen ihres Sohnes und von den Bildern kannte, die er großzügig überall hochgeladen hatte – mit den Worten beschrieben hatte Einfältigkeit und Hochmütigkeit halten sich die Waage. Ich hatte es gar nicht so genau wissen wollen, war aber nun darüber informiert, dass es sich um ein ebenso zartes wie eingebildetes Simpelchen handelte, dass Constantin anbetete. Das musste ihm definitiv schmeicheln, war doch sein Ego durch mich empfindlich beschädigt worden.
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HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.
FanfictionIda Karlson ist beruflich in Oxford. Der Auftrag soll innerhalb weniger Wochen abgewickelt sein. Doch es kommt anders - ihr Aufenthalt wird verlängert und alles verändert sich, als sie eine kleine Notiz zugesteckt bekommt. Sie verliert sich in eine...