Interludium
Ich antworte ihm nicht, sondern sage nur laut „Anté!" und weiß genau, dass Skadi und Anubis sich jetzt erheben, vor Henry, Baggins und Kal treten und sich Schulter an Schulter positionieren. Skadi wird Anubis dabei überragen, sie wird die Muskeln anspannen und Anubis wird den Schwanz in eine erhöhte, balancierte Stellung bringen. Ich weiß auch, dass sie jetzt auf das nächste Kommando warten, das ihnen für den absoluten Notfall beigebracht wurde und woraufhin sie sich blitzschnell in Bewegung setzen und sowohl Harold als auch seinen Hund stellen würden. Skadi hatte die Ausbildung mit Erik, meinem Exfreund, wegen ihres Naturells geliebt. Für Anubis war die Konditionierung zuerst ungewohnt gewesen. Seitdem er mit dem Gürtel verprügelt worden war, hatte er Konfrontationen mit Menschen gemieden. Erik, der zum damaligen Zeitpunkt Ausbilder bei der Diensthundestaffel war, hatte Stunde um Stunde mit mir auf dem Platz gestanden und die Kommandos eingeübt.
„Noch wichtiger als die richtige Ausführung ist, dass du jederzeit abbrechen kannst...sogar können musst!", erklärte er mir, während er, die Hände in die Seite gestemmt, in seiner Dienstuniform auf dem abgetretenen Ausbildungsplatz gestanden und mich angeleitet hatte. „Du darfst die Hunde niemals als Waffe einsetzen. Es ist schlimm genug, wenn du sie als Drohung benutzen musst", belehrte er mich und meinte damit, dass er das mit der Schutzhundestaffel im Dienst natürlich machte. Er hatte Anubis und Skadi nur unter der Bedingung ausgebildet, dass ich die Kommandoabfolge unter keinen Umständen versehentlich im Alltag abrufen kann. Erik hatte darauf bestanden, dass ich fremdsprachige Wörter benutze, um unbeabsichtigte Übergriffe zu vermeiden. Ich hatte ihm schließlich drei einprägsame Wörter genannt, die ich aus einem meiner liebsten Fantasyromane – Legariennacht – entnommen hatte. Zu Beginn war ich mir total blöd dabei vorgekommen, die Hunde mit einer Fantasysprache in die einzelnen Kommandos zu schicken, aber Erik hatte eisern darauf bestanden. Nacheinander hatte er den Hunden die Kommandos antrainiert und sie dann unendlich oft mit ihnen erprobt. Zunächst mit jedem einzeln, dann zusammen. In Schutzkleidung steckend, hatte er mich Anté – Flamme – rufen lassen, woraufhin sich die Hunde in ihre Ausgangsposition brachten. Er achtete schon da - akribisch und korrekt wie man in so einer verantwortungsvollen Position sein muss - auf die Ausrichtung ihrer Schnauzen und Körper. Keinen Zentimeter zu weit vorne oder hinten durften sie stehen. Auf sirél – entzünde! – hin, stürmten sie auf Erik zu. Skadi hatte kein Problem damit in den gepolsterten Armschutz, den man in der Ausbildung im Schutz- und Wachtdienst benutzt, zu beißen. Dafür hatten ihre alten Halter mit ihrem übergroßen Unwissen gesorgt, den Trieb trägt sie einfach fest in sich. Anubis wollte nicht in den Arm beißen, baute sich aber drohend vor Erik auf und versperrte ihm den Weg. Erik brachte den Hunden außerdem bei, dass sie auf Abbruchsversuche fremder Menschen nicht reagieren dürfen, sondern nur dann ablassen, wenn ich vantûl – erlisch! – sage. Als sie es sowohl getrennt voneinander als auch gemeinsam nach unendlich vielen Übungsstunden beherrschten, bläute er mir noch öfter als unendlich ein, dass ich unter keinen Umständen – nicht zu Demonstrationszwecken, nicht, um jemandem einfach nur Angst einzujagen – die Kommandofolge abrufen dürfe.
„Ida, das kann mich sonst was kosten, wenn rauskommt, dass ich dir das beigebracht habe und dann etwas mit Unbeteiligten passiert! Nur, wenn deine Sicherheit bedroht ist, hörst du?", sagte er auch noch, als ich meine Arme am letzten Trainingstag um ihn geschlungen hatte, um ihn zu küssen. Ich versicherte es ihm hoch und heilig. Als sich unsere Lippen trennten, setzte er sogar noch hinterher. „Am besten ist es, wenn du es nicht mal in einer gefährlichen Situation über Anté hinausgehen lässt." Ich hatte es damals so sehr an ihm geliebt, wie er sich um mich sorgte. Den Mann hätte man direkt vom Hundeplatz wegheiraten können! Ich war für ihn der kostbarste Schatz auf der ganzen Welt gewesen.
Leider irgendwann zu kostbar...
Eines Nachmittags, viele Monate nachdem er mit mir die Kommandos geübt hatte, war ich mit den Hunden im Wald spazieren. Die Abenddämmerung hatte schon eingesetzt und wir waren bereits auf dem Rückweg, als von vorne eine Gruppe Halbstarker auf mich zukam. Anubis und Skadi wuselten links und rechts von mir im Wald herum und ich setzte meinen Weg einfach fort. Da die Kerle, die schon damals jünger als ich gewesen waren, keine Anstalten gemacht hatten mir etwas Platz einzuräumen, wich ich ein wenig aus. Ehe ich an ihnen vorbeigehen konnte, schnitt mir auf Höhe eines breiten Baumes einer schon den Weg ab, die anderen beiden kreisten mich ein. „Uh, wen haben wir denn da?", hatte einer von ihnen gefragt und seine flammenden Augen auf mich geheftet. Ich versuchte mich an ihm vorbeizuschieben, aber die anderen beiden schnitten mir den Weg ab. Mein Herz schlug mir bis ins Gehirn und ich wägte meine Handlungsoptionen ab. Bevor ich einen klaren Entschluss fassen konnte, griffen die zwei Handlanger schon nach meinen Armen. Ich wehrte mich, zerkratze einem die Wange und wurde daraufhin von ihm ins Gesicht geschlagen. Ich hatte natürlich überhaupt keine Chance als sie mich schließlich gegen den Baum pressten. Sie waren vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt und schon so verkommen, dass mir bei dem Gedanken noch heute schlecht wird. Ich überlegte tatsächlich angestrengt, ob das wohl eine Situation war, die Erik als äußerster Notfall bezeichnete und entschied mich innerhalb eines Herzschlages dafür, weil meine Lage vollkommen ausweglos war. Ich hätte noch um mich treten können, aber das war es dann auch schon gewesen. Mein Kopf dröhnte aber immer noch von dem heftigen Schlag, der mir verpasst worden war. „Anté!", sagte ich laut und betete, dass die Hunde, die im Unterholz herumschnuffelten und bislang vor den fremden Blicken verborgen geblieben waren, sich noch an das Kommando erinnerten. Ich hörte ein lautes Rascheln.
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HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.
FanficIda Karlson ist beruflich in Oxford. Der Auftrag soll innerhalb weniger Wochen abgewickelt sein. Doch es kommt anders - ihr Aufenthalt wird verlängert und alles verändert sich, als sie eine kleine Notiz zugesteckt bekommt. Sie verliert sich in eine...