017 // 14. April - II

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Wir werden freundlich von einem gepflegten Mitarbeiter in Empfang genommen. Er führt uns zu einem liebevoll eingedeckten Tisch vor der großen, wegen der Architektur des Hauses, das an ein thailändisches Bambushaus erinnert, nach oben hin spitz zulaufenden Fensterfront. Henry bemerkt meinen Blick und schmunzelt.
„Na, wirst du denn fündig werden?", fragt er, als wir den Raum durchqueren und an dem Buffet vorbeigehen.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll", gebe ich zu und tippe mir kurz auf den Bauch, als Zeichen, dass ich wahrscheinlich platzen werde. Henry grinst. Der Servicemitarbeiter, der, wie mir ein kleines am Hemd befestigtes Schild verrät, Dhiren heißt, rückt mir den Stuhl zurecht. Ich werfe einen Blick in den bunt bepflanzten Garten, in dessen Mitte ein Brunnen, auf dem ein großflügeliger Schmetterling und ein Delfin ineinander verschlungen das Wasser in die Höhe speien, steht. Rundherum führt ein hübsch angelegter Weg mit kleinen verzierten Bänken, der abends beleuchtet wird und den Garten in ein zauberhaftes Licht taucht. Ich bedanke mich.

„Ms. Karlson", erwidert er höflich und nickt. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?" Henry nimmt ebenfalls Platz.

„Ich nehme gerne einen LONG Coffee, schwarz", sage ich.

„Sehr wohl." Der Kellner wendet sich Henry zu, der sich meinem Wunsch anschließt. Ein weiteres Nicken, bevor sich Dhiren zurückzieht. Ich blicke Henry - diesen auf jeder Ebene unwiderstehlichen Mann - an und spüre eine unfassbar große Dankbarkeit dafür, dass ich den Urlaub an dem wohl märchenhaftesten Ort der Welt zusammen mit ihm verbringen darf. Er zeigt sein einnehmendes Lächeln. Meine Lippen kräuseln sich, als ich an eine Bildüberschrift denke, die im Zusammenhang mit einem Foto von ihm auf dem roten Teppich in den sozialen Medien gepostet wurde.

Henry Cavill altert wie ein guter Wein, verdammt!

Ich hätte nicht mehr zustimmen oder es besser formulieren können. Ich erinnere mich an die Fotos von ihm, die ich gesehen hatte, als ich das erste Mal in seinem Wohnzimmer stand. Henry war immer gutaussehend gewesen. Früher war er durch seinen jungenhaften Charme einfach sexy, mittlerweile ist er durch die längeren, leicht ergrauten Haare, den komplett ausdefinierten Körper und die kleinen Lachfalten einfach unwiderstehlich geworden.

„Worüber denkst du nach?", möchte er wissen.

„Über dich", gebe ich ehrlich zu.

„Ich hoffe, du hast nur schöne Gedanken."

„Aber selbstverständlich", kann ich gerade noch antworten, bevor Dhiren mit den Kaffeetassen zurückkehrt und diese vor uns abstellt. Wir bedanken uns. Ich hebe die Tasse, atme das intensive, leicht nach Rosen und Schokolade duftende Aroma ein und schließe kurz die Augen. Ich nehme einen Schluck, der in meinem Inneren einen kleinen Schauer und das Gefühl von Wohligkeit auslöst.

„Hervorragender Kaffee!", kommt Henry mir zuvor. Ich nicke eifrig.

„Können wir uns jetzt etwas vom Buffet holen?", frage ich ihn.

Ich höre ein amüsiertes Schnauben. „Gerne, bevor du noch den Kannibalismus für dich entdeckst..." Er erhebt sich und zieht meinen Stuhl zurück.

„Du bist ein echter Gentleman.", sage ich.

„Du weißt, die britischen Gene..."

„Natürlich, das klassische Klischee."

Ich stehe für einen Moment ratlos vor der überladenen Auswahl am Buffet, ehe ich mir einen großen Teller sowohl mit einigen Leckereien des thailändischen Frühstücks, aber auch mit Croissants und Obst befülle. Henry steht bei dem Frühstückskoch und lässt sich ein frisches Omelett zubereiten. Ich bringe meinen Teller an den Platz und gehe noch einmal los, um mir ein Glas mit frisch gepresstem Guavensaft zu holen. Für Henry gieße ich ein Glas Maracujasaft ein und trage beide Gläser an unseren Tisch. Zu unserer Linken hat mittlerweile ein Paar Platz genommen, für den der Begriff Old Money wahrscheinlich erfunden wurde. Die blondierte Frau mittleren Alters trägt ihre Haare elegant geföhnt. Sie hat ein dezentes Make-up aufgelegt, das ihren natürlichen Teint unterstreicht. Der schmale Oberkörper steckt in einer teuren Bluse, die Beine umspielt eine hochtaillierte Hose, die von einem schmalen Gürtel gehalten wird. Sie lässt diamantene Ohrringe und einen Goldring sehen, als sie sich das Haar hinter die Ohren streicht. Ihr Mann hat braunes, etwas längeres Haar, das er nach hinten gelegt hat. Er trägt ein weißes Hemd mit großem V-Ausschnitt, das einen Blick auf seine gebräunte Brust zulässt und eine beigefarbene Hose, ebenfalls mit einem schmalen Gürtel. Am Handgelenk ist eine Uhr von Lange und Söhne zu sehen, die vermutlich mehr als sechzigtausend Pfund gekostet hat. Auffällig unauffälliges Understatement, typisch Old Money. Ich fühle mich zwischen den erstklassigen Gästen etwas fehl am Platz. Ich blicke an mir herunter.

„Du siehst toll aus...", sagt Henry, meine Gedanken lesend.

„Naja, danke...", gebe ich zurück und nehme mir vor, mich ab morgen schicker anzuziehen, wenn wir zum Frühstück gehen. Ich bin diesen Lifestyle einfach nicht gewohnt – das ist etwas ganz Anderes, als Business-Kleidung für die Arbeit auszuwählen. Die Dame schaut zu uns herüber. Ein Ausdruck des Erkennens zeichnet sich auf ihrem exquisiten kleinen Gesicht ab, als sie zu Henry blickt. Sie nickt höflich, lächelt ein schönes Lächeln. Ihr Mann sieht ebenfalls zu uns, vor allem aber zu Henry hinüber. Auch er erkennt ihn, nickt. Die beiden wenden sich wieder ab und beginnen mit ihrem Frühstück. Sie sprechen in gedämpftem Ton miteinander, nicht unangenehm, aber wahrscheinlich wechseln sie ein paar Sätze in Bezug auf Henry. Nicht mal Old Money konnte sich wohl dem Einfluss der Popkultur entziehen, offenbar standen nicht immer nur Abende in Jazzclubs und Opern auf dem Programm.

Wir lassen uns das ausladende Frühstück schmecken. Mir reicht mein gut bestückter Teller aus, um satt zu werden. Henry holt sich noch ein paar Muscheln, etwas Fisch und zwei Langusten von der Etagere. Vor mir liegt nur noch eine - aufgrund der Schale an eine Mango erinnernde – Frucht mit hellem, weichen Fruchtfleisch. Die Kerne wurden bereits entfernt, wie ich an den kleinen Einkerbungen erkenne. PawPaw, und in Klammern Indianerfrucht, hatte auf einem kleinen Schildchen beim Buffet gestanden. Die Frucht verströmt einen ungewöhnlichen Duft, der in mir eine Assoziation nach einer bestimmten Körperflüssigkeit hervorruft. Ich verziehe das Gesicht, versuche ein Schütteln zu unterdrücken, weil ich nicht mit dem Geruch gerechnet habe.

„Was ist?", fragt Henry noch mit halbvollem Mund.

Ich lehne mich nach vorne und versuche möglichst leise zu antworten. „Die Frucht riecht total nach Sperma." Henry verschluckt sich, zieht eine Augenbraue hoch. Ich bemerke, wie die Frau am Nebentisch die Ohren spitzt, mich wissend anschaut.
Mist, immer noch zu laut!
Ich lasse den Löffel in das weiche Fruchtfleisch fahren, versuche gegen die Assoziation anzukämpfen, die sich mir weiter aufdrängt. Henry beobachtet mich kauend. „Erstaunlich lecker", berichte ich schließlich.

„Sicher?"

„Ja, der Geruch ist...speziell, aber das Fruchtfleisch schmeckt leicht nach Banane, Papaya, Mango und irgendwie nach Aloe Vera."

„Klingt tatsächlich...interessant", meint Henry. Ich halte Henry den Löffel hin. Er zögert einen Moment, hat den Duft wohl auch wahrgenommen. „Beim Geruch muss ich dir zustimmen, aber sonst ziemlich gut." Ich nicke zustimmend, während ich die Fruchtschale auskratze.
Als wir das Frühstück beendet haben und aufstehen, lächle ich der Frau zu, sie erwidert das Lächeln. Der Mann nickt Henry zu, Henry nickt ebenfalls. Wir gehen an der Rezeption vorbei, an der ich eine neue Sonnenmilch erhalte. 

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt