040 // 10. Mai - IV

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Wir gehen zum Parkeingang, der ungefähr zweihundert Meter von meiner Wohnung entfernt ist. Der Park befindet sich innerhalb einer hohen Backsteinmauer und man gelangt durch ein hohes reich verziertes Tor, von dessen höchstem Punkt aus ein pausbackiger Engel auf die Besucher hinabschaut, hinein. Wir schlagen die Richtung ein, in der der Freilaufbereich für Hunde liegt und lassen die Hunde von der Leine. Mir winkt ein junger Mann über mehrere Meter hinweg zu, den ich fast täglich mit seinem Beagle Sammy treffe. Ich winke zurück und beobachte die drei Hunde, die auf der Wiese herumtollen. Cherry hat Probleme mit ihren kurzen Beinchen mitzuhalten und gibt zwischendurch immer wieder ein frustriertes Piepen von sich. Skadi lässt sich davon überhaupt nicht beeindrucken, Anubis bleibt aber stehen und stupst Cherry ein paar Mal mit der Schnauze an, ehe er sich auf den Rücken wirft und seine Pfoten von sich streckt. Zur Sicherheit trägt er an der verletzten Vorderpfote immer noch einen Hundeschuh mit gummierter Sohle. Cherry knippelt ihm liebevoll am Ohr und ist die pure Freude. Elias und ich betrachten die Geschehnisse wachsam. Ich höre schon von Weitem das unablässige Bellen eines Dackels, das sich mittlerweile in mein Gehirn gebrannt hat und rolle mit den Augen. Elias setzt sich in dem Moment gerade in Bewegung, klatscht in die Hände und ruft laut „Eh!", als ein fremder Collie-Mix sich ungehobelt Anubis und Cherry nähert, die immer noch mit sich beschäftigt sind. Skadi richtet sich auf, ich höre sie schnauben und sie beäugt Elias, abwartend, ob er die Situation in den Griff bekommt. Ich weiß, dass sie sich sonst verantwortlich fühlt und einschreiten wird. Ein Überbleibsel ihrer misslungenen Prägezeit bei den alten Haltern. Elias baut sich schützend zwischen Cherry und Anubis auf und lässt ein tiefes, bestimmtes „Ab!" hören. Dem Halter, der gerade telefonierend angewatschelt kommt, wirft er einen eiskalten Blick zu. Der Halter leint seinen Hund schnell an und zieht weiter. Elias blickt mich an und ich spüre, wie sich unsere Gedanken automatisch übertragen. Ich lache. Clara und er würden sich mehr als gut verstehen. Das Kläffen wird immer lauter und zieht, ähnlich des Doppler-Effekts, den eine Sirene erzeugt, hinter meinem Rücken vorbei. Skadi schaut in die Richtung und blickt von oben herab auf den überfütterten Dackel. Elias ist nur noch wenige Schritte von mir entfernt.

„Skadi, lass es!", rufe ich ihr zu und sie wendet den Blick ab, trottet zu Cherry und Anubis, um bei den beiden nach dem Rechten zu sehen. Ich drehe mich nicht um, als der Halter des Dackels irgendwas in seinen Schnauzer brabbelt. Jedes Mal der gleiche Zirkus, denke ich und Elias liest wieder meine Gedanken. Er scheint dem Halter direkt in die Augen zu sehen und hebt zwei Mal das Kinn, bedeutet ihm damit, weiterzugehen. Bevor ich mich auslassen kann, legt mir Elias begütigend die Hand an den Oberarm und drückt ihn.

„Lass gut sein, Sonnenschein." Ich schlucke und atme lange aus. Sammy, der Beagle, rennt auf den Dreier-Trupp zu und Skadi lässt ihn vorbei. Er hatte einen Narren an meinen Hunden gefressen. Cherry findet Sammy nicht so sympathisch und zieht sich hinter Anubis zurück, der sich gerade vom Beagle an den Ohren schnüffeln lässt. Sammys Halter stellt sich zu der Hundegruppe und beobachtet das Geschehen. Nach einigen Minuten schnalzt er mit der Zunge und Sammy, der sich sehnsüchtig noch ein paar Mal umdreht, folgt ihm.

Ich bin dankbar für Elias' Freundschaft. Henry hatte mich bereits nach unserer Rückkehr aus Irland dazu ermutigt, mich mit ihm anzufreunden. Eli und ich hatten uns tatsächlich schon in Irland hervorragend verstanden und er hatte mir relativ schnell von dem schwierigen Verhältnis, das er vor allem zu seinem Vater hat, erzählt. Henry hatte gerade seinen Text geübt und Elias und ich saßen auf der Couch im Haupthaus und plauderten ausgelassen.

Als ich mich etwas dagegen gesträubt hatte, Elias zu fragen, ob wir zusammen spazieren gehen wollen, hatte Henry argumentiert, dass ich sonst nach der Arbeit zu viel Zeit alleine verbringe. Meinen Einwand, dass ich doch Skadi und Anubis habe, ließ er nicht gelten. Die Eigenbrötlerei habe ich von meinem Vater geerbt. Zu viel sozialer Kontakt entzieht uns unglaublich viel Energie, zumindest, wenn man seine Zeit mit den falschen Leuten und unnötigem Small Talk verbringen muss. Ich hatte es nach der Arbeit einfach noch nicht geschafft, mir Freunde zu suchen. Im Fitnessstudio, bei den Yogakursen und Lesezirkeln bin ich zwar schon mehrfach ins Gespräch mit anderen gekommen, aber daraus hatte sich nicht mehr als immer mal wieder stattfindende lockere Unterhaltungen ergeben. Mit Mitarbeitern wollte ich grundsätzlich nicht befreundet sein, um nicht die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben zu verwaschen, obwohl ich in Alicia sicherlich eine gute Freundin finden würde.

Da wir beide sowieso mit den Hunden raus müssen, gehen Elias und ich also seitdem so oft es geht zusammen spazieren. Das hatte schon einen unvorteilhaften Schnappschuss von uns beiden und einen lachhaften Kurzartikel von Charleen Harrison zum Ergebnis gehabt, den Marleen mit dem Emoji, der die Augen rollt, in unseren Gruppenchat geschickt hatte. Überschrift -

Führ' mich aus, Mr. Hartman – Neue Angestellte oder neue Liebelei? 

Ich hatte eine Mütze und eine Sonnenbrille getragen, aber den Mund gerade zu einem riesigen Lachen aufgerissen, sodass es so ausgesehen hatte, als wolle ich in Elias' erhobene Hand beißen. Außer meinen Freundinnen und Henry hatte mich zum Glück niemand erkannt. Zumindest wurde mir von meinen Mitarbeitern noch nichts gesteckt, was sonst bei jedem kleinsten Gerücht irgendwen aus dem Kollegium betreffend passiert. Alles tolle, professionelle Leute, aber auch nicht vor den kleinen, verzeihbaren menschlichen Lastern gefeit.

Wir pfeifen die Hunde zu uns und laufen zurück zu mir nach Hause.  

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt