075 // 14. Juni - I

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„Und, was denken Sie?", frage ich mein Gegenüber, während wir auf den Sesseln in meinem Büro Platz nehmen.

„Das war wirklich ein spannender Tag. Ich muss die ganzen Eindrücke erst einmal verarbeiten." Blake Davies rückt den Knoten seiner Krawatte glatt und sitzt so gerade, dass sein Rücken nicht die Lehne berührt. Er rief mich am Montag sofort an, nachdem er seine Abschlussarbeit eingereicht und die Empfangsbestätigung erhalten hatte. Weil ich von seinem Engagement so begeistert gewesen bin, habe ich ihn direkt zu einer Hospitation eingeladen. Den Großteil der Zeit hat er heute mit Riley Murphy verbracht, der ihm die wichtigsten rechtlichen und konzeptionellen Grundlagen unserer Arbeit erklärt hatte. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und Mr. Murphy hatte Blake ein Schriftstück zur Korrektur gegeben, dass er mit Gesetzestexten bewaffnet hoch konzentriert auf die richtigen Bezüge hin prüfte. Den restlichen Tag verbrachte er mit den anderen Kollegen, konnte dabei einen Blick in unsere Zahlen werfen und Anastasia Andresca bei der Gestaltung einer Strategie-Präsentation für einen potenziellen neuen Kunden helfen, der bei der SWOT-Analyse nicht gut abgeschnitten hatte. Vor allem der hart umkämpfte Markt im Social Media-Bereich stellte ein Threat – ein Risiko – dar, was Blake schnell erkannte und mit der klareren Definition einer Nische direkt einen Lösungsansatz benennen konnte.

„Das glaube ich Ihnen gerne", gebe ich zurück und schenke ihm dabei ein herzliches Lächeln. „Wissen Sie schon, wie lange die Korrektur Ihrer Arbeit dauern wird?"

Blake reibt sich verlegen über das Kinn und spielt dann wieder an seinem Krawattenknoten herum. „Ich gehe von sechs bis acht Wochen aus."

„Das ist ja eine vertretbare Zeit." Ich nehme mir ein Glas vom Tisch und fülle es mit Wasser, um einen Augenblick zu gewinnen, während sich ein Gedanke in meinem Kopf manifestiert. „Ich habe eine Idee, die Ihnen vielleicht entgegenkommt." Seine braunen Augen sind aufmerksam auf mich gerichtet und die Finger der Hand, die eben noch den Krawattenknoten umfasst haben, trommeln nur geräuschlos auf der Polsterlehne herum. „Was halten Sie davon, das Praktikum schon während der Korrekturphase zu absolvieren? Wenn Sie das Zeugnis vorliegen haben und sich weiterhin für unseren Bereich interessieren, würde auch ein Berufseinstieg bei uns in Frage kommen."

Blake Davies Mund steht für einen Moment offen, er räuspert sich. „Das ist ein tolles Angebot!"

Ich ziehe meine Mundwinkel nach oben. „Ich brauche für die Vorbereitung des Praktikumsvertrages ein wenig Vorlaufzeit, aber" - ich richte einen Finger auf, erhebe mich und gehe zu meinem Schreibtisch hinüber, um meinen Tischkalender zu holen - „wie sieht es mit einem Start am zweiundzwanzigsten Juni aus?" Mein Blick ist weiter auf den Kalender geheftet, ich schlage ein paar Seiten erst in die eine Richtung, dann wieder in die andere um, ehe ich mich wieder hinsetze.

„Für mich ist das perfekt."

„Gut, dann sehe ich Sie am zweiundzwanzigstens direkt zur Vertragsunterzeichnung und Ihrem ersten Praktikumstag. Übrigens" – ich erfreue mich einen Moment an seinen leuchtenden Augen – „wir vergüten das Praktikum mit tausendeinhundert Pfund pro Monat. Ich hoffe, das ist in Ihrem Interesse?" Ich meine, jetzt silberne Sterne auf dunkelbraunem Untergrund zu sehen.

„Ich...ich hätte gar nicht mit einer Vergütung gerechnet. Vielen Dank!" Mr. Davies streicht sich unwillkürlich über die Außenseite seines Ohres und lächelt breit.

Ich erhebe mich und strecke ihm die Hand entgegen. „Schön, dass ich Sie für unser Unternehmen begeistern konnte. Wenn Sie noch Fragen haben, wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen."

Blake Davies erhebt sich und sieht dabei etwas wackelig aus. Ich hebe vorsichtshalber die zweite Hand, obwohl ich davon ausgehe, dass ich so einen großen, kräftigen Mann sowieso nicht auffangen könnte. Er ergreift meine Hand, die seine fühlt sich leicht klamm an, aber ich gehe lächelnd darüber hinweg. „Ich freue mich", sagt er und zieht dann seine Hand zurück.

„Ich begleite Sie noch zum Fahrstuhl."

Blake hebt daraufhin seine kleine Businesstasche am Schultergurt vom Boden auf und stopft die Notizen dieses Tages hinein. Ich stehe schon im Türrahmen und beobachte ihn dabei, wie er am Reißverschluss seines Federmäppchens herumfummelt.

Als wir zum Empfangstresen kommen, ist Riley Murphy gerade in ein Gespräch mit Millie vertieft. Als er Blake bemerkt, wirft er ihm einen vielsagenden Blick zu und hebt sehr nah an seinem Hosenbein unauffällig einen Daumen. „Mr. Davies wird uns ab der nächsten Woche als Praktikant unterstützen. Setzen Sie bitte einen Vertrag auf? Es wäre gut, wenn der morgen früh in Kopie an Mrs. Seifert rausgeht."

„Schon erledigt", antwortet Mr. Murphy, reicht Blake grinsend die Hand und verschwindet voll des Tatendrangs in seinem Büro.

...

Zufrieden lasse ich mich in meinen Schreibtischstuhl fallen und nehme mein Smartphone aus der Handtasche.

Brùnaidh, können wir telefonieren? Ich möchte etwas mit dir besprechen."

„Oh, ist etwas passiert? Passt 6:30pm bei dir? Ich muss erstmal mit den Mäusen raus, wenn ich zu Hause bin."

Lucas hatte mir vorgestern die Hunde aus zwei Gründen wieder zurückgebracht: Erstens, weil es mittlerweile sowieso keinen Unterschied mehr macht, ob ich mit ihnen fotografiert werde. Zweitens ist Elias mit Kal und Baggins zu Henry nach Rumänien geflogen, weil sie schon viel zu lange von ihm getrennt waren. Bei ihnen wird es bei meinem Anruf schon 8:30pm sein, rechne ich schnell nach.

„Nein, alles gut. Kein Problem, ruf dann einfach an."

Ich fahre meinen Computer herunter, räume das Büro auf und packe meine Sachen zusammen. Blake hatte den ganzen Tag überstanden, ohne auch nur einmal zu gähnen. Mir fielen hingegen seit dem Mittag beinahe die Augen zu. Die Kraft der Jugend, denke ich und lache sogar kurz über meinen eigenen Witz. Als ich meine Bürotür abschließe, sind die meisten Kollegen schon nach Hause gegangen. Nur Alicia und Riley sitzen noch in ihren Büros und gehen emsig ihren Aufgaben nach. „Alicia, Sie gehen jetzt nach Hause", weise ich an, weil meine Assistentin in den letzten Wochen viel zu viele Überstunden gemacht hat. „Und nächste Woche bummeln Sie einige Stunden ab." Sie nickt und ich bleibe so lange in der Tür stehen, bis sie ihren Computer heruntergefahren und ihre Tasche gepackt hat. Während sie abschließt, gehe ich ins nächste Büro zu Mr. Murphy. „Vielen Dank, dass Sie sich noch um den Vertrag kümmern. Mr. Davies hat sich heute so gut angestellt, da kam mir die Idee ganz spontan."

„Das mache ich gerne. Ich bin froh, wenn wir guten Nachwuchs bekommen."

„Ich auch. Schreiben Sie sich bitte die Stunden auf, ja? Ende des Monats müssen wir schauen, ob Sie diese abbummeln oder ausbezahlt haben wollen." Er nickt und vertieft sich dann schon wieder in den Vertragsunterlagen. Mr. Murphy hebt kurz die Hand, als Alicia und ich im Aufzug verschwinden.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt