Wir nehmen den Shuttle, der uns zwanzig nach acht vor dem Chalet einsammelt und dessen einzige Gäste wir sind. Sogar der Fahrer trägt eine Maske, die ihn für uns unkenntlich macht. Er spricht nur wenige Sätze mit uns, weshalb wir uns miteinander beschäftigen, indem wir immer wieder unsere Aufregung und Neugier bekunden. Die Scheiben sind verdunkelt, sodass die Welt um uns herum in ein leichtes Rauchgrau getönt ist und alles sehr viel mysteriöser aussieht. Sogar der strahlend grüne Bran Parc erscheint jetzt leicht bedrohlich, obwohl es draußen noch sommerlich warm und hell ist. Wir fahren vielleicht fünfzehn, zwanzig Minuten und der Fahrer hält schließlich an der Straße. Das Schloss ragt in einiger Entfernung empor. „Mit dem Auto darf ich da nicht hochfahren, meine Damen. Dort drüben", sagt der Fahrer und zeigt auf die gegenüberliegende Straßenseite, „stehen Rikschas bereit, die Sie zum Tor bringen." Als er unsere Blicke bemerkt, fügt er noch hinzu - „Sie sind glücklich. Normalerweise muss man den Weg zu Fuß zurücklegen." Sein rechtes Auge zwinkert uns noch zu, ehe er sich wieder hinter das Steuer setzt und die nächsten Gäste einsammelt. Einen Augenblick später entsteigen einem anderen Shuttle eine Dame in einem nachtblauen Ballkleid, das im viktorianischen Stil gearbeitet ist, und ein Herr in einem waldgrünen Rokoko-Anzug. Ihre Gesichter sind von venezianischen Vollmasken bedeckt. Das Pärchen steuert zielgerichtet die Rikschas an und lässt sich zum Schloss bringen. Die kurze Fahrt in den Rikschas ist etwas rumplig, weshalb ich froh bin, als wir endlich aussteigen können. Das Schloss wird bereits von allen Seiten von warmen Strahlern beleuchtet und sieht dadurch aus, als wäre es von der Sonne geküsst. Es ist in den grauen, zerklüfteten Felsen eingearbeitet und ich kann mir endlich bildlich vorstellen, wie Bram Stokers dunkler Graf wie ein vierbeiniges Insekt an den Außenwänden empor- und hinabgekrochen ist. Mich durchfährt ein unwillkürlicher Schauer, als wir auf das Eingangstor zugehen. Rundherum ragen hohe Bäume empor, deren Äste nach dem Schlossdach greifen. Die Schlosswände sind weiß, an manchen Stellen bröckelt allerdings die ebenmäßige Verputzung ab und es kommen gelblich-orange Backsteine zum Vorschein. Ringsherum befinden sich kleine Ausgucke und halbrunde Fenster. Es gibt rot-weiße Giebel- und Spitzdächer und einen Glockenturm, dessen Front abgeflacht und mit mehrstöckigen Zinnengängen versehen ist. Hier und dort gibt es Holzverkleidungen, die an Fachwerkhäuser erinnern. Bestimmt zehn oder zwölf Schornsteine verteilen sich über die Dächer – als ob Dracula bei seinem kalten Blut Kamine gebraucht hätte!
Der ganze Weg zum Eingang ist mit Feuerschalen gesäumt, in denen es knistert und lodert. Meine Freundinnen und ich schreiten den Weg würdevoll entlang und werden von zwei Herren in schwarzen Fracks in Empfang genommen, die an einem Stehtischchen mit einer angeschrägten Ablage stehen und dadurch wie die Kellner eines Nobelrestaurants wirken. Einer von ihnen trägt eine Ledermaske, die wie ein Rabe gearbeitet ist. Die durchsichtigen Flügel ragen an die zehn Zentimeter über seiner Stirn empor. Er hat intensive dunkelbraune Augen und einen etwas altmodisch wirkenden Backenbart. Der andere trägt eine Pestdoktor-Maske und lässt wegen des langen Schnabels eine gleichsam nasale wie tiefe Stimme ertönen. „Die Bestätigung, bitte." Ich reiche ihm mein Smartphone, das er erst eingescannt und danach eine Zahlenreihe an seinen Kollegen weitergibt, der diese mit einer bauschigen Feder bewaffnet auf einem Pergament notiert. Anschließend reicht mir der Pestarzt ein schmales ID-Bändchen. „Mit dem Chip an dem Bändchen können Sie das Schließfach, das Sie sich bitte gleich im Vorraum aussuchen, öffnen. Dort hinterlassen Sie Ihre Smartphones, Tücher und alles, was Sie nicht dringend brauchen. Digitale Fotoaufnahmen sind nicht gestattet. Mr. Ashfield hat einen eigenen Fotografen bestellt. Zugriff auf die Fotos gibt es nur mit Ihrer pseudonymisierten Zahlenreihe. Behalten Sie diese also bitte für sich." Marleen kramt derweil in ihrem kleinen Täschchen und hält einen Lippenstift in der Hand. „Ihre Kosmetika dürfen Sie behalten. Es geht uns vor allem um Digitalgeräte, mit denen man Fotos und Videos machen kann...und um Drogen, spitze Gegenstände...", näselt er und ich bin sicher, dass er angesichts Marleens erleichtertem Gesicht schmunzelt. „Bevor Sie in die Festräume gelangen, wird ein Kollege zur Sicherheit noch einen Blick in Ihre Taschen werfen. Viel Spaß, die Damen." Beide Portiers nicken uns zu, der mit dem Backenbart bringt sogar ein Lächeln zustande und wir folgen dem Weg, der uns durch die Feuerschalen vorgegeben wird. Im Innenhof kommen wir an einem steinernen Brunnen vorbei, über den sich Clara beugt und mir wird beinahe schlecht.
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HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.
FanfikceIda Karlson ist beruflich in Oxford. Der Auftrag soll innerhalb weniger Wochen abgewickelt sein. Doch es kommt anders - ihr Aufenthalt wird verlängert und alles verändert sich, als sie eine kleine Notiz zugesteckt bekommt. Sie verliert sich in eine...