065 // 27. Mai - IV

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Etwa fünfzehn Minuten später führt mich Elias durch die Tür in den Außenbereich, der mittlerweile gut gefüllt ist. Um die Stehtische herum haben sich die Kollegen beider Standorte versammelt, unterhalten sich angeregt, nippen an ihren niemals leeren Gläsern und naschen von den deftigen und süßen Häppchen. Elias und ich stellen uns zu Mr. Murphy und seiner Frau an den Tisch und kommen in eine kurze Plauderei. Eine Kollegin aus der Heimat gesellt sich zu uns und ich stelle sie vor. Riley Murphy gibt einige Anekdoten aus dem Berateralltag zum Besten, über die wir alle herzlich lachen. Plötzlich erklingt ein hohes Klirren und wir werden unterbrochen. Die Gäste drehen und wenden ihre Köpfe und suchen die Quelle des hellen Geräusches. Schließlich ruhen alle Blicke auf Mr. Lind, der mit einem kleinen Löffelchen gegen seinen Champagnerkelch geklopft hat. „Nun, da ich Ihre Aufmerksamkeit habe: Herzlich willkommen, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen und Gäste! Es ist Zeit, dass wir zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehen."

Ich bin total erstaunt darüber, wie schnell die Zeit bis hier hin schon vergangen ist. In meiner Handtasche piept es, aber ich kann gerade nicht nachsehen, obwohl ich darauf brenne die Nachricht zu lesen, die sicherlich von Henry kommt. Ich kämpfe gegen den Impuls an und lausche mit halbem Ohr unserem Geschäftsführer, der uns dazu auffordert, uns für die Ansprachen im Festsaal einzufinden. Nacheinander, leicht träge jedoch angesichts der unterbrochenen Unterhaltungen, Witze und Vorstellungsrunden, wabern die Kollegen langsam zurück in die Eingangshalle und in Richtung Festsaal. Zunächst herrscht dort ein grobes Durcheinander bis alle schließlich ihre Sitzplätze gefunden haben. Mr. Lind geht beschwingten, selbstbewussten Schrittes zum kleinen Rednerpodest und nimmt das Mikrofon entgegen, das ihm Kyle Davies gerade reicht. Mein Chef hält eine Begrüßungsrede, die voll des Dankes und Lobes ist und schließt mit den Worten - „...freue ich mich auf einen schönen Abend, der in dieser Runde ohne Ms. Karlson, die den Standortaufbau in Oxford maßgeblich vorangetrieben hat, nicht möglich gewesen wäre." Er legt eine Kunstpause ein, während ich mich langsam erhebe. Elias drückt noch kurz und aufmunternd meine Hand, ehe ich gemäßigt zum Podium gehe. Ich spüre alle Blicke in meinem Nacken, besonders tief bohrt sich aber der von Constantin herein, der sicherlich nicht nur darüber verwundert ist, dass ihm ein Platz neben Mrs. und nicht Mr. Lind zugewiesen wurde. Ich habe das Gefühl, dass ich das Atmen jeder anwesenden Person hören kann, während ich den scheinbar endlosen Weg zurücklege, ohne mich dabei hetzen zu lassen. Nervosität zu zeigen wäre jetzt ganz falsch, also lege ich ab der Hälfte des Weges ein gewinnendes Lächeln auf. Mein Chef sagt noch irgendetwas, das ich nicht wahrnehme und für einige Sekunden applaudieren alle Gäste. Als ich schließlich bei ihm ankomme, reicht mir Mr. Lind das Mikrofon und schenkt mir ein warmes Lächeln. Ich nehme eine gerade Haltung ein, suche meinen Spickzettel heraus, den ich zur Sicherheit auf die kleine Ablage vor meinem Bauch ablege und beginne zu sprechen, während meine Nerven flattern.

„Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich freue mich, dass ich Sie an diesem denkwürdigen Abend im Emporia zu unserem ersten – und hoffentlich nicht dem letzten – gemeinsamen Firmenbankett begrüßen darf." Ich pausiere kurz, um tief Luft zu holen, damit meine Stimme nicht plötzlich doch noch zu zittern beginnt. Unzählige Augenpaare sind auf mich gerichtet. Einige Kollegen lächeln mich an, andere schauen neutral und ganz bestimmte werfen mir einen despektierlichen Blick zu. Zu ihnen gehören Mr. Reyer und natürlich Constantin, der scheinbar jedes meiner Worte genaustens analysiert. Sein schönes Skulpturengesicht ist steinern und streng. Vanessa flüstert ihm etwas ins Ohr und er deutet ein leichtes Nicken mit hochgezogenem Mundwinkel an. Trotz der Entfernung kann ich das ganz genau erkennen – ganz genau. „Fischbrötchen vs. Fish and Chips", nehme ich meinen Gesprächsfaden wieder auf. „Das ist zwar nicht als das Motto unseres Abends zu verstehen, obwohl Sie sich dahingehend später auf einen – ich sage dazu – kulinarischen Austausch am Buffet freuen dürfen. Trotzdem ist es darüber hinaus auch als Bild zu verstehen: Fisch ist Fisch und doch ganz anders. Genauso ist es mit unseren Standorten in der alten Heimat und nun in der neuen, Oxford. Übernommen haben wir zwar unser Erfolgsrezept, zu berücksichtigen sind aber die ganz unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten, die..."

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt