025 // 15. April - IV

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Sie hatten, obwohl sie dagegen waren ihn auch noch in seinem egoistischen Verhalten zu unterstützen, mir zuliebe Stillschweigen über meine recht intensive Verbindung mit Constantin bewahrt...

Constantin Scheer, der attraktivste Mann, mit dem ich bis dato zusammen war. Nicht so muskulös wie Henry, keineswegs, aber kernig, athletisch, wie ein Läufer. Das blonde, lockige Haar hatte er oben immer etwas länger getragen, die Seiten waren penibel ausrasiert gewesen. Einige kleine Locken hatten sich aus seiner immer präzise gestylten Frisur gelöst und waren ihm in die Stirn gefallen - jedes Mal, wenn er sich über meine Schulter gebeugt hatte, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen und mit mir die regionale Produktstrategie zu besprechen. Zu der Zeit war ich noch als Unternehmensberaterin bei Corporate Contentment tätig gewesen. Ich hatte unser Konzept direkt bei den Kunden umgesetzt, ihren Weg mit Rat und Tat begleitet. Nebenbei hatte mich der Geschäftsführer - Johann Lind, der mir den Standortaufbau in Oxford anvertraut und mit dem ich auch in Irland telefoniert hatte - schon zu seiner zweiten Hand gemacht, überließ mir die Formulierung von Strategiepapieren und die Ausarbeitung von Präsentationen, die ich häufig in Zusammenarbeit mit Constantin, der – zu diesem Zeitpunkt noch der Gebietsleiter Nordost - direkt für mich zuständig war, erstellt hatte. Ich musste jedes Mal das Bedürfnis unterdrücken, ihm die Locken wieder zurückzustreichen. Wenn er sich mit mir unterhielt, richtete er konsequent seine bernsteinfarbenen Augen auf mich, schenkte meinen Vorschlägen ehrliches Interesse. Nach einem arbeitssamen Tag im Februar vor zwei Jahren, an dem wir endlich die Dokumente für einen mehr als stattlichen Deal fertigstellten, hatte ich ihm schließlich vorgeschlagen, den Abend im Klönkasten, einem typisch norddeutschen Restaurant, ausklingen zu lassen. Constantin hatte sofort zugestimmt und mir in den Mantel geholfen. Als dabei seine Finger meine Schultern berührten, war es endgültig um mich geschehen.

Wir verbrachten einen sehr genussreichen Abend – zuerst in dem in blau-weiß gehaltenen Etablissement, danach in meiner Wohnung, als ich ihn – mutig von den Cocktails geworden – schließlich in seinem Auto geküsst hatte. Er war mir daraufhin sofort zu meiner Haustür, die Treppen hinauf und in meine Wohnung gefolgt. Hier hatten Skadi und Anubis den fremden Mann schon streng von ihren Bettchen im Wohnzimmer aus beäugt, als wir uns gerade die Schuhe im Flur auszogen. Ich hatte ihnen mit der Hand ein kleines Signal gegeben, in dessen Folge sie auf ihren Körbchen blieben und sich wenige Minuten später schon wieder piepsend und schnarchend in ihren Träumen befanden. Constantin hatte, als ich gerade unsere Mäntel an die Garderobe gehängt hatte, seine Arme von hinten um mich geschlungen und meinen Nacken geküsst. Wir küssten uns im Flur und ich führte ihn in das Wohnzimmer. Er nahm auf meiner Couch Platz, sah sich in meiner Wohnung um. Ich holte uns Getränke, die wir gar nicht mehr anrührten, weil er mich, sobald ich mich neben ihn gesetzt hatte, in die Arme nahm und mich küsste.

„Ich wollte dich schon länger fragen, ob du mit mir ausgehen willst, aber du hast immer so überkorrekt und professionell gewirkt", sagte er, als wir unseren Kuss für einen Moment unterbrachen.

„Stimmt auch. Ich hatte nicht vor, mich an meinen Gebietsleiter heranzumachen, aber heute konnte ich doch nicht mehr widerstehen", antwortete ich und öffnete die Knöpfe seines Hemdes, das die Farbe von Goldruten hatte - orange-gelb, wie der erste Schein der Abendsonne, noch ehe sie sich rot verfärbt. Constantin hatte verführerisch gelächelt und ich streifte ihm einen Moment später das Hemd von den Schultern. Danach war alles sehr schnell gegangen, er hatte mich in das Schlafzimmer getragen, mich ausgezogen und das erste von vielen Malen - in dem Jahr, in dem wir unsere Liebschaft auslebten - mit mir geschlafen.

Anschließend waren wir auf der Arbeit weiter professionell miteinander umgegangen. Nie hatte er mich bei der Zuteilung der Kunden bevorzugt, die Ausführung meiner Aufgaben eher noch strenger verfolgt und bewertet. Die Maske fiel aber immer, sobald wir alleine waren. Wir fuhren gemeinsam in kleinere Urlaube, unternahmen Wochenendtrips und gingen hervorragend essen – nie aber dort, wo man uns hätte gemeinsam sehen können, stets etwas außerhalb. Schließlich hatte er mich sogar seiner Familie vorgestellt, die mich schnell ins Herz geschlossen hatte. Besonders Babette, seine Mutter, war überglücklich, dass ihr unsteter Sohn endlich eine Frau mit nach Hause brachte. Die Frauen, die Constantin seiner Familie vorgestellt hatte, konnte man an einer Hand abzählen und die meisten stammten noch aus seiner Jugendzeit. In mir war deshalb die Hoffnung aufgekeimt, dass er es mit mir ernst meinte. Ich hatte Constantin das auch mehrfach gefragt und er bestätigte es mir jedes Mal, ein charmantes, einnehmendes Lächeln auf dem Gesicht. Er hatte mich stets mein Engel genannt, was für mich hieß, dass wir eine ernsthafte Beziehung führten. Ich begleitete ihn zu den ausschweifenden Festen seiner großen Familie und seines Freundeskreises. Ich war auch die Begleitung bei der Hochzeit seiner Schwester Noelle, für die er mir sogar ein exquisites, roségoldenes Schmuckset – bestehend aus einer feingliedrigen Halskette und Ohrringen – schenkte, das perfekt zu meinem pfirsichfarbenen Kleid gepasst hatte. Kurze Zeit später fuhren wir gemeinsam mit seinen Eltern zu seinem Bruder Henrik nach Österreich, der kürzlich Vater geworden war. Auch dort stellte er mich jedem vor.

Meine Eltern hatten sowohl Constantin als auch seine Eltern sehr gemocht. Alle gemeinsam hatten wir mehr als einen – mitunter alkoholgeschwängerten – Abend in gemütlicher Runde verbracht. Mein Vater hatte einige Zeit gebraucht, um mit Constantin warm zu werden, fand über den ersten Eindruck hinaus, dass er ein Pinsel sei. Er ließ sich dann aber umstimmen, als Constantin – für ihn ungewöhnlich rustikal gekleidet - in Papas Werkstatt mit einem guten Whiskey im Arm aufgetaucht war und sich die Arbeit mit Fassungsschließern, Scharnierkalibern und Feilen zeigen lassen wollte. Constantin brachte sogar einen einigermaßen ansehnlichen Ring zustande, den er fortan stolz an einem ledernen Band um seinen Hals trug – auch noch, als ich ihn bei meinem letzten Trip nach Deutschland in unseren Büroräumen gesehen hatte. Ich hatte die Zeit mit ihm unendlich genossen, ihm meine Gefühle gestanden, als wir in Österreich abends in eine Decke gekuschelt auf einem der Balkone saßen, die zu Henriks Alpenhäuschen gehörten, und den Blick auf die Berglandschaft genossen. Er ließ mich wissen, dass er die Gefühle für mich erwidere.

Danach waren weitere Monate vergangen, in denen ich darum gebeten hatte, auch unserem Chef und den Kollegen gegenüber ehrlich zu sein, damit wir mit dem Schauspiel und den Auswärtsessen aufhören könnten. Zuerst hatte Constantin mich damit vertröstet, dass er mir nicht schaden wollen, da es ja heißen könne, ich habe mir durch Sex Vorteile beim Vorgesetzten erschlafen. Dies hatte ich mit mehreren Argumenten entkräften können. Einerseits war es nachweislich nicht so gewesen, dass mir irgendwelche Vorteile zuteilwurden, eher hatte ich noch härter gearbeitet. Andererseits wären schäbige Kommentare ein Problem, mit dem ich in meiner Position – gerade seitdem ich mehr Aufgaben vom Geschäftsführer erhalten hatte - umzugehen wusste. Ich hatte dieses Ärgernis bereits einkalkuliert und mich trotzdem für die ehrliche Kommunikation entschieden. Später hatte Constantin mir dann gesagt, er wolle seine Karriere nicht durch eine Beziehung bei der Arbeit gefährden, schließlich könnten etwaige Streitigkeiten zwischen uns sich negativ auf sein unangefochtenes Standing innerhalb des Kollegiums ausüben. Bei den meisten Mitarbeitern wurde er mehr oder minder offenkundig als David bezeichnet. In Anspielung darauf, dass er beruflich eine Attitüde präsentierte, die dem aus Marmor gehauenen Schönling von Michelangelo gleichkam. Überaus attraktiv, aber unnahbar und gestochen wie kalter Stein. Seine Maske ließ er nur privat fallen und dann offenbarten sich Makel, die ihn liebenswert und umso anziehender machen. Ich zeigte Verständnis für das Argument und gab mich weiter mit unserer heimlichen Romanze zufrieden. Immerhin konnte ich ihn privat haben und zwar nur privat.

Als aber schließlich eine andere Personalverantwortliche die Karriereleiter nach oben kletterte, kurze Zeit später mit einem Kollegen aus der Buchhaltung anbändelte und dies sofort – darüber hinaus ohne die von Constantin befürchteten negativen Folgen – bekannt machte, verlor auch diese Rechtfertigung endgültig ihren Wert. Sie schmolz förmlich dahin und hinterließ eine hässliche, kalte Pfütze. Johann Lind, modern und progressiv wie er ist, brachte auch später keinerlei Bedenken gegen innerbetriebliche Beziehungen hervor, er machte lediglich – und das unmissverständlich - klar, dass es ab dem Zeitpunkt problematisch wird, an dem interne Abläufe davon negativ beeinflusst werden. Für den Fall, dass sich Probleme ergeben würden, machte er das Angebot, gemeinsam nach für alle Seiten zufriedenstellenden Lösungen zu suchen. Constantin blieb trotzdem bei seiner Meinung und ich, nachdem ich einen weiteren tränenreichen Abend im Kreise meiner zwischen Wut und Sorge hin- und hergerissenen Freundinnen verbracht hatte, zog einen Strich unter alles. Constantin hätte es weiterhin so laufen lassen, fühlte sich von mir vor den Kopf gestoßen. Ich aber hatte endlich begriffen, dass es ihm vordergründig weder um meine noch seine Karriere gegangen war. Er wollte sich einfach nicht fest an mich binden. Ich war vorzeigbar bei der Familie, weil ich selbst erfolgreich und – ohne Selbstüberschätzung walten zu lassen – apart war. Seine Mutter hatte ihn mit ihrer Fragerei in Ruhe gelassen, wann er sich binden wolle, unsere Familien hatten sich überaus gut miteinander verstanden. Ich war sexuell schon immer aufgeschlossen gewesen, hatte seine teilweise ausgefallenen Spielereien gerne mitgemacht. Constantin blieb genau der erfolgs- und aufmerksamkeitsverwöhnte Karrieremann, der er sein wollte. Nur zwei Wochen nach unserer Trennung wurde er zum Regionalleiter befördert...

Das war für ihn eine aufallen Ebenen lohnenswerte Liebelei gewesen, ohne sich nach außen hin von seinerPersona verabschieden zu müssen. Es wäre durchaus unsexy gewesen, wenn er, diegestrenge, ja, fast mysteriöse Schöpfung Michelangelos plötzlich vom Marktgewesen wäre. 

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt