022 // 15. April - I

53 4 0
                                    

Wir haben zuvor den halben Tag am Strand verbracht, sind mehrmals im türkisblauen, warmen Meer schwimmen gegangen und ließen uns wieder verschiedene Leckereien zur Cabana bringen. Anschließend haben wir gründlich geduscht und sind, in unsere dicken Bademäntel gehüllt, nun auf dem Weg zum Haupthaus. Ich habe am Morgen, als kleines Dankeschön für den unvergesslichen gestrigen Tag, Thai-Massagen gebucht. Mir ist es jedoch nach wie vor unangenehm, dass Henry darauf bestanden hat, die sicher kostspielige Katamaran-Tour alleine zu bezahlen. Er macht sich darum allerdings überhaupt keine weiteren Gedanken und hat sich von seiner Warte aus einfach an unsere Verabredung gehalten, dass wir die anfallenden Summen teilen oder uns mit dem Bezahlen abwechseln.

Wir treten gerade vor die Rezeption. „Ich habe Massagen auf Karlson gebucht." Der Mitarbeiter blickt in ein dickes Buchungsbuch in einem ledernen Einband, das Seiten mit goldenem Farbschnitt hat. In verschnörkelter Schrift sind die Buchungen notiert.

„Sehr wohl. Wenn Sie mir bitte folgen möchten." Er kommt hinter dem Tisch hervor und einen Augenblick später erscheint schon eine Kollegin, die den Platz des Rezeptionisten einnimmt. Dieser geht nun voran, führt uns durch die Eingangshalle, vorbei am Frühstücksraum und einem der drei Restaurants, aus dem ein verführerischer Duft zu uns herüberweht. Wir gehen durch eine Tür, über der Spa steht und hinter der eine Wendeltreppe nach unten führt. Direkt hinter der Tür stehen hohe, schlanke Säulen aus hellem Marmor, der mit golden-schimmernden, feinen Linien durchzogen ist. Die Säulen stützen eine Decke, die mich an die Kreuzrippengewölbe einer gotischen Kirche erinnert. Verschiedene Malereien zieren die, durch die Rippen diagonal gekreuzten und mit einem mittigen Schlussstein konstruierten Decken. Ich sehe ausschweifende Szenen, vom Stil an Werke großer griechischer oder römischer Maler erinnernd, die die thailändische Mythologie in einem hedonistischen Ausmaß zeigen. Die Malereien werden von Gold und Edelsteinen verziert, die den prunkvollen Eindruck noch betonen. Mein Blick fällt auf eine bemalte Fläche und ich erkenne den royalen Garuda, den Götterboten, der halb Mensch, halb Adler ist. Er ist in eine Art goldene Rüstung gekleidet, trägt auf dem Kopf eine goldene, federgeschmückte Kopfbedeckung und hat die Flügel ausgebreitet. Hinter ihm befindet sich ein wogender Fluss, aus dem in hauchdünne Stoffe gekleidete dunkelhaarige Schönheiten Wasser in steinerne Krüge fließen lassen. Auf der nächsten Fläche sehe ich eine Badeszene. Die Frauen gießen das Flusswasser in eine große Wanne, die an einen reich verzierten Brunnen erinnert. In diesem Brunnen sitzt ein Makara, ein drachenartiges Flusswesen, der über und über mit goldenen Schuppen und Edelsteinen besetzt ist und den schlangenartigen Körper unter sich aufgerollt hat, nur die Schwanzflosse liegt auf dem Rand des Brunnens. Ringsherum erblühen farbenfrohe Blumen mit riesigen Blütenblättern und unzählige zum Anbeißen aussehende, reife Früchte.

„Kommst du?", fragt Henry, der schon drei Stufen hinter dem Rezeptionisten her nach unten gegangen ist.

Ich reiße mich schwerlich von der schönen Gestaltung los, da ich auch gerne die restlichen Flächen, die in ihrer Gesamtheit eine Geschichte zu erzählen scheinen, betrachtet hätte. Ich nicke und gehe die wenigen Schritte zur Treppe. Henry hält mir die Hand hin und ich ergreife sie, während er vorangeht, langsam und bedacht, damit ich nicht stürze. Ich kann dem Impuls nicht widerstehen, die Marmorwand zu berühren und lasse beim Hinabgehen meinen Zeigefinger darüberfahren. Der Marmor fühlt sich kühl und glatt an, nur dort, wo sich die goldenen Linien wie dünne Fäden durch den Stein ziehen, hat er eine raue Haptik. Ich blicke auf meine Fingerspitze, in der Erwartung, Glitzer daran zu entdecken, aber leider ist da nichts. Ich bin beinahe etwas enttäuscht, weil ich irgendwie eine Spur Feenstaub auf meinem Finger erwartet habe. Der Mitarbeiter bleibt unten am Treppenabsatz stehen und macht gerade mit Arm und Hand eine einladende Geste, als uns eine Spa-Mitarbeiterin mit einem hohen Dutt entgegentritt und lächelt.

„Ich wünsche gute Erholung", sagt der Rezeptionist, deutet eine leichte Verbeugung an und steigt die Treppen wieder hinauf.

„Willkommen! Ich bin Dao", begrüßt uns die Angestellte höflich und lässt uns in den Wellnessbereich eintreten, der ähnlich imposant aussieht wie der Eingangsbereich oberhalb der Treppen. Ich vernehme eine leise Entspannungsmusik, die aus versteckten Lautsprechern an unsere Ohren dringt. In den vier Ecken stehen weiße, hübsch gravierte Springbrunnen, die durch verschiedenartige Figuren geschmückt werden, aus deren Mündern das Wasser tritt. Ich entdecke in der hinteren rechten Ecke wieder ein Makara, in der linken Ecke lässt Kunchon Waree, ein Wasserwesen mit dem Torso eines Elefanten und dem Schwanz eines Fisches, eine gleichmäßige Fontäne aus seinem Rüssel schießen. Ehe sich meine Augen auf die anderen kleinen Springbrunnen heften können, führt uns die Mitarbeiterin schon durch den Eingangsbereich, der mit einem warmen und leicht gedimmten Licht bestrahlt wird. Die Decke, die ein durchgehendes kleines Gewölbe ist, ist auch hier liebevoll und detailreich bemalt. Wir treten durch eine Tür, die einen rundlichen Bogen hat in einen zweiten, mit Holz verkleideten Raum, von dem linker Hand Türen in die Waschräume führen. Auf der rechten Seite befinden sich einige Schränke und Ablagen aus mit Schnitzereien verziertem Bambus. In der Luft liegt ein zartes Duftgemisch aus Rosenholz und Mandarine, das meiner Nase schmeichelt. Geradezu geht es durch eine verglaste Tür in den Saunabereich, wie mir ein geschwungener Schriftzug verrät. Ich werfe einen schnellen Blick durch die Tür und entdecke in der Mitte des aufwendig gefliesten Raumes ein Tauchbecken, in dem sich aller Wahrscheinlichkeit nach sehr kaltes Wasser befindet. Rundherum befinden sich Fußbäder, Duschen, Sitzbänke und ein länglicher Pool, in dem vermutlich ähnlich kaltes Wasser auf die Saunagänger wartet. Im hinteren Bereich gehen mehrere Türen ab, die zu den Innensaunen führen. In der Mitte befindet sich eine Tür mit massivem Bambusgriff, die über einige Stufen in den nicht einsehbaren Außenbereich führt, der in einer Art Rundweg angelegt ist, über den man die Saunahäuschen im traditionellen Baustil erreichen kann. Die Häuser haben die typischen Spitzdächer und sind aus dunklem Hartholz und Bambus erbaut.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt