085 // 1. Juli - IV

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„Henry...", sage ich so leise, dass man es wegen der Musik nicht hören dürfte, während ich meinen Kopf anhebe. Ich betrachte den Mann vor mir. Die Anzugjacke sieht aus, als hätte man Flammen, Lava und Meteoritenstaub miteinander verwoben. Der Brustbereich und der Kragen sind deutlich dunkler als die Ärmel und wirken wie erkaltendes Magma, durch das sich schon schwarzes Gestein zieht. Die Schultern sind mit unzähligen roten Steinen in unterschiedlichen Größen besetzt, die im Licht wie feiner Staub funkeln. Durch den besonderen Stoff schimmern die Ärmel in verschiedenen Rottönen. Das Jackett besitzt keine Knopfleiste, darunter kommt eine gerüschte, mehrlagige Schluppe zum Vorschein. Auf dem Kopf thront eine Krone, von der strahlenförmig Flammen abgehen und die an der Stirn in eine lederne Maske übergeht, die zu den Ohren hin flammenartig zuläuft. Er sieht aus wie der Gott der untergehenden Sonne. In den blauen Augen, die auf mich fixiert sind, blitzt es auf.

„Du bist gekommen", sagt Henry und ich lege meine Hand unterhalb der Maske an seine Wange, während ich die Tränen wegblinzle, die krampfhaft versuchen in meine Augen zu kriechen. Seine Hand umschließt meine, er dreht den Kopf leicht und küsst meine Handinnenfläche.

„Ich wollte dich überraschen...ich...", mir versagt die Stimme, als er die zweite Hand auf meinen unteren Rücken legt und mich zu sich heranzieht. Es bedarf auch keiner weiteren Worte. Ich schlinge meine Arme um ihn und die Zeit steht für einen Moment still. Schließlich räuspert sich Elias hinter uns und wir lösen uns voneinander. „Entschuldigt, bitte", stammle ich. „Das sind Clara und Marleen." Ich trete einen Schritt beiseite und Henry begrüßt meine Freundinnen, die angestrengt versuchen die Fassung zu bewahren, mit Wangenküssen.

„Und ich dachte schon, es gibt ihn nicht", meint Clara an mich gewandt, als sie ihre Hand von seinem Oberarm nimmt.

„Ich habe eben selbst schon daran gezweifelt", gebe ich mit einem betretenen Lachen von mir und mache wieder einen Schritt auf Henry zu, der sofort seinen Arm um meine Taille schlingt. Mit dem Daumen streichelt er meine Wirbelsäule entlang und mir stellen sich die Nackenhaare auf.

„Wir lassen euch mal alleine", meint Eli, zwinkert und hakt Clara und Marleen unter, die lachend und tuschelnd mit ihm in der Menge verschwinden.

Ich lege Henry eine Hand auf die Schulter, die andere ergreift seine Hand und er zieht mich ganz nah an sich heran. Wir tanzen einige Lieder lang, sind nicht wirklich im Rhythmus der Musik. Für die Zeit, die vergeht, habe ich überhaupt kein Gefühl. Immer und immer wieder lasse ich mich von ihm in Drehungen führen und hin- und herwiegen. „Komm mit mir", haucht er mir heiser ins Ohr und ich lasse meine Hand von seiner Schulter sinken, während ich ihn fragend anblicke. Meine andere Hand hält er immer noch fest und zieht mich daran hinter sich her. Während er uns einen Weg durch die Menge sucht, vorbei an sich umschlingenden, küssenden, tanzenden, wogenden, sinnliche Geräusche von sich gebenden Körpern, finde ich meine Freunde wieder, die es sich am Rand auf einer ausladenden Sitzgarnitur bequem gemacht haben. Elias lässt sich lässig, mit leicht geöffneten Beinen, in die großen Kissen des Sofas sinken. Clara hat ihre Beine über einen seiner Oberschenkel geschwungen und beugt sich gerade vor, während Elias ihr über den Rücken streichelt. Sie flüstert ihm etwas ins Ohr und sucht dann nach einer Stelle, die nicht von der Wolfsmaske bedeckt ist. Sie entscheidet sich schließlich für sein Kinn, seinen Hals und hinterlässt eine Spur heißer Küsse auf seiner Haut. In einem Moment blickt er mich noch vielsagend an - im nächsten lässt er den Kopf in den Nacken und auf ein Kissen fallen, während Clara ihn küsst und mit ihrer linken Hand seine Brustmuskeln massiert. Marleen wird derweil von zwei Männern, einem blonden und einem dunkelhaarigen, bewundert und begehrt. Der eine deutet einen Handkuss an, der andere reicht ihr ein langstieliges Glas. Sie lässt den Blick stolz zwischen beiden hin- und herwandern und blinzelt mir zu, als unsere Augen sich treffen. Die Kristalle ihrer Tiara funkeln im Spiel des Lichts und sie sieht aus wie eine Königin. Wie die Königin der Nacht. Henry blickt sich zu allen Seiten um und steigt dann mit mir die lange Treppe hinauf.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt