028 // 15. April - VII

40 4 1
                                    

Nachts, ich weiß nicht, wie viel Uhr es ist, wache ich auf und drehe mich beim Versuch wieder einzuschlafen ein paar Mal hin und her. Es klappt nicht, ich drehe mich auf den Rücken und starre nach oben auf die gebogenen Äste des Weidenbogens, der das Bett überspannt. Meine Gedanken kreisen um den Artikel, das Gespräch mit meinen Freundinnen, Henrys Worte, mögliche Konsequenzen und das Ende mit Constantin. Ich finde nicht mehr zur Ruhe. Henry schläft neben mir, hat mir den Rücken zugewandt und atmet gleichmäßig und tief. Als ich merke, dass ans Einschlafen nicht zu denken ist, stehe ich langsam auf und tapse leise mit nackten Füßen ins Wohnzimmer. Die Bambustür lehne ich geräuschlos hinter mir an. Ich stelle ein kleines, sehr gedimmtes Lämpchen an und sehe mich im Raum um, finde schnell, wonach ich suche. Die Holzkiste mit Henrys Zigarren steht auf dem Tisch bei der Sitzgarnitur. Ich öffne den Deckel, nehme eine eher helle Zigarre heraus, schnüffele an dem milden Deckblatt wie Henry es immer tut und nehme einen leicht holzigen Kaltgeruch wahr. Ich nehme den edlen Zigarrenschneider und schneide das Ende ab. Mir ist schon klar, dass ich wahrscheinlich nicht die ganze Zigarre schaffen werde, aber freue mich trotzdem darauf, ein paar Minuten alleine in der Stille zu sitzen und zu paffen. Ich nehme den schweren Aschenbecher, der ebenfalls auf dem Tisch steht und das Sturmfeuerzeug, das eine spitze blaue Flamme erzeugt. Bevor ich hinausgehe, nehme ich mir eine Flasche stilles Wasser aus der Minibar. Die Glasschiebetür ist noch geöffnet, ich schiebe den Vorhang etwas beiseite und trete auf die Terrasse.

Ich lasse mich einen Moment später in die weichen Polster des Stuhls sinken und atme schwer aus. Ich fühle mich mit der Situation total überfordert, trinke erst einen großen Schluck Wasser, schiebe dann die Zigarre zwischen meine Lippen und entzünde sie. Das angenehme Bouquet entfaltet sich schnell in Mund und Nase. Ich atme aus, schmecke nach. Schön mild, denke ich und blase die nächste Rauchwolke in den sternenverhangenen Nachthimmel. Um mich herum ist alles still und dunkel. Die kleinen Lämpchen, die nachts die Wege innerhalb des Resorts ausleuchten, befinden sich auf der anderen, vom Weg her zugänglichen Seite des Häuschens. Meine Lichtquellen sind die unzähligen Sterne und der volle, große Mond. Ich lege den Kopf in den Nacken, blicke in den Himmel, der andere Sternenbilder zeigt, als die, die meine Familie und Freundinnen in Deutschland sehen können. Ich schicke ihnen von Herzen einen Gruß, als ich einen besonders hellstrahlenden Stern entdecke. Ich paffe weiter, versuche meine Gedanken zu sortieren, was zwecklos ist und gebe schließlich auf. Stattdessen versuche ich meine Gedanken umzulenken - denke an die Hunde und vermisse sie schmerzlich. In schwierigen Zeiten waren mir meine Fellnasen bislang immer eine große Nerven- und Seelenstütze gewesen. Die stundenlangen Spaziergänge nach dem Aus mit Constantin hatten mir über das Gefühlschaos und den Schmerz hinweggeholfen, meinen Kopf wieder klarwerden lassen. Ich unterdrücke ein lautes Schluchzen, mir kullern trotzdem Tränen über die Wangen, die ich erst laufen lasse und als sie langsam versiegen, mein Gesicht mit der Hand abwische, die bisher die Zigarre nicht gehalten hatte. Ich ziehe wieder während ich einfach vor mich hinstarre...und wieder und wieder. Scheint so, als würde ich die Zigarre doch schaffen, stelle ich fest. Langsam tritt eine beruhigende, ja, beinahe eine mich schwermachende Wirkung ein.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit schon vergangen ist, ich habe gerade überhaupt kein Zeitgefühl. Von der Zigarre ist noch circa ein Drittel übrig. Ich könnte also schon seit fünfundvierzig Minuten oder einer Stunde hier sitzen. Mir fröstelt es kurz, obwohl es auch nachts warm ist. Ich ziehe wieder an der Zigarre, als ich ein vorsichtiges "Hey..." hinter mir höre und blicke leicht über die Schulter.

"Hallo du", gebe ich halblaut zurück. "Geh' ruhig zurück in Bett!", setze ich nach, vielleicht etwas zu schneidend. Meine Augen füllen sich wieder mit Tränen.

"Als ich mich umgedreht habe, warst du nicht da...", übergeht er meine Ansage. "Was ist los?", will er wissen, obwohl er die Antwort vermutlich kennt.

"Ich habe ein bisschen Angst. Nein, ich habe Angst, nicht nur ein bisschen. Ich weiß nicht, was das Bekanntwerden unseres...unserer...", ich stocke, "...ich fürchte mich vor den Ausmaßen...für mich, für dich, für uns. Es ist schön mit uns, ich will nicht, dass etwas passiert, was das kaputt macht..."

Ich schniefe leise, die Tränen fließen. Henry tritt vollständig auf die Terrasse, zieht sich den anderen Stuhl heran und setzt sich vor mich. Ich blase ihm in den Moment eine Rauchwolke entgegen. Er pustet kräftig dagegen, sodass sie sich auflöst und er mich anschauen kann.

"Hey...hey, kleine Brùnaidh...", versucht er beruhigend auf mich einzuwirken und streichelt mein Knie, das kälter zu sein scheint, als ich es bei den Temperaturen erwartet hatte. Seine Hand fühlt sich unfassbar warm an. "Ich kann nachvollziehen, wie du dich fühlst und dass du Angst hast. Ich mache mir auch Gedanken, aber vor allem wegen dir, wegen deiner Sicherheit, deines Wohlbefindens und deiner Arbeit. Nimm dir Zeit zum Überlegen, wirklich...Wenn du willst, sprich mit meinem Anwalt und meiner PR-Agentin und lass dich von ihnen rechtlich beraten." Er streichelt mein Knie. Ich nicke, während immer noch Tränen fließen. Ich drehe den Kopf dieses Mal weg und atme den Rauch aus. Ich halte ihm die Zigarre hin, Henry nimmt ein paar tiefe Züge und schweigt mit mir. Wir paffen gemeinsam die Zigarre bis es heiß an den Fingern wird und Henry sie schließlich im Aschenbecher ausdrückt. "So, und jetzt komm mal her", sagt er und breitet einladend die Arme aus. Ich erhebe mich mit zittrigen Beinen und mache den einen Schritt, der zwischen uns liegt. Ich lasse mich seitlich auf seinen Schoß sinken, schlinge die Arme um seinen Hals und grabe meine Nase in seine Haare. Henry drückt mich an sich und lässt es einfach zu, dass ich die Stellen, an denen sich meine Augen befinden, mit unzähligen Tränen benetze. Ich fange an alles über Constantin zu erzählen, über die Ängste, die sich daraus entwickelt haben und wie verletzt ich davon war, dass er sich gegen mich entschieden hatte. Mein Rücken bebt auf und ab, er hält mich einfach, sagt nichts, bewertet nichts. Ich merke aber, wie sich seine Muskeln bei bestimmten Teilen der Geschichte anspannen und er angestrengt atmet.

Als ich vom Weinen müde und erschöpft bin und keine Tränen mehr kommen, hält Henry mich ganz fest, steht auf und trägt mich zurück ins Schlafzimmer, wo er mich ins Bett legt und die seidige Bettdecke über mir ausbreitet. Er geht ums Bett herum, steigt ebenfalls hinein und kuschelt sich unter der Bettdecke fest an mich. Sein linker Arm liegt angewinkelt über meiner Brust, ich ergreife seine Hand mit meiner rechten Hand und unsere Finger greifen ineinander. In der Geborgenheit seiner Umarmung schlafe ich schließlich ein.

HENRY | .•° Eine Henry Cavill Fanfic °•.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt