Kapitel 4

76 2 0
                                    

Mit einem lauten Knall fiel die Tür meines Zimmers in ihr Schloss und ich mit ihr auf mein Bett. Um meinem Frust Luft zu machen, schnappte ich mir eins meiner Kissen, presste es vor mein Gesicht und brüllte hinein.
Ein Babysitter - in nicht einmal 24 Stunden würde mein Onkel mir einen Gott verdammten Babysitter an die Seite stellen. Irgend so ein uralter Knacker, der sicher absolut keinen Spaß verstand und mich 24/7 im Auge behalten würde.
Mein Leben war offiziell vorbei.
Von nun an würde man mir auch den letzten Rest Freiheit und Spaß nehmen, den mein Leben hier noch hatte. Das hier war wahrscheinlich mein letzter Tag in Freiheit und den wollte ich nutzen.
Schnell schnappte ich mir mein Handy und tippte eine Nachricht an Alice.

Giorgia: Ich muss heute Abend ausgehen, bitte sag mir, dass irgendwo eine Party steigt.

Alice: Du hast Glück, ein Freund von mir schmeißt heute eine private Party in seiner Villa. Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst.

Giorgia: Und wie ich will.

Alice: Perfekt, ich sammle dich um 23 Uhr ein, an der Ecke zur Maison Street wie immer?

Giorgia: Du bist meine Rettung.

Alice: Oder dein Untergang Süße 😈

Giorgia: Mir ist beides recht

Alice: Genau deshalb mag ich dich.

Lächelnd legte ich das Handy beiseite. Eine private Party bei einem von Alice reichen Freunden, das würde ja immer besser werden. Das war genau das was ich wollte. Einmal noch ausbrechen bevor mein Wachhund kam.

Als wir gegen 23.30 in der Villa von Alice' Freund eintrafen, war die Party bereits in vollem Gange. Das Haus, obwohl es wirklich groß war, platzte aus allen Nähten, überall liefen wunderschöne junge Frauen und wahnsinnig gut trainierte Männer in heißen Outfits herum und ich liebte es sofort.
Das hier, mein neues Leben hier in Chicago, war so anders als mein Leben zuhause in Austin. Zuhause hatte ich mich steht's an alle Regeln gehalten, die meine streng religiösen und sehr konservativen Eltern mir auferlegt hatten. Ich hatte nicht mal hinterfragt, was sie anordneten. Es schien mir richtig, jeder dort lebten nach diesen Werten.
Seit wir jedoch nach Chicago gezogen waren hinterfragte ich alles.
Warum sollte ich mich an die Regeln halten, die mich nur einzuengen schienen?
Warum sollte ich nach etwas leben, das irgendjemand von tausenden von Jahren mal beschlossen hatte und dessen Vorstellungen so gar nicht mehr in die Moderne Welt zu passen schien in der wir lebten?
Konnte etwas wirklich gut für mich sein, dass mich ganz offensichtlich von all dem Spaß fernhielt, den anderen Mädchen in meinem Alter hatten?

„Erde an Gigi" Alice schnipste laut vor meinem Gesicht und lachte, als ich erschrocken zusammenzuckte. „Na wo warst du denn die letzten Minuten mit deinen Gedanken Süße?" scherzte sie weiter und reichte mir einen der typischen roten Pappbecher, die es immer auf solchen Partys gab. „Zuhause" antworte ich noch immer in Gedanken. Ohne sie zu fragen, was in dem Becher war, setzte ich ihn an meine Lippen und trank ihn fast in einem Zug aus. Mein Blick schweifte über die Menge der feiernden Menschen auf der Suche nach einem mir bekannten Gesicht. Einen ganz bestimmten bekannten Gesicht...
„Er ist nicht hier" rief mir Alice über die laute Musik zu und wieder zuckte ich zusammen.
„Wer?" stellte ich mich dumm, doch ihre erhobene Braue sagte mir, dass sie mich längst durchschaut hatte. „Na wer wohl? Maddox natürlich. Ich weiß das du nach ihm Ausschau hältst, weil du das immer tust. Du bist nicht so mysteriös wie du denkst Süße." lachte sie was ihre Worte zwar entschärfte mich aber trotzdem irgendwie verletzte. Enttäuscht zog ich einen Schmollmund. Unbewusst hatte ich wohl doch sehr gehofft, ihn heute noch zu sehen.
Maddox und ich waren kein Paar, wir waren eigentlich gar nichts und doch war er irgendwie zum Mittelpunkt meines Lebens hier geworden. Ich traf ihn das erste Mal kurz nach unseren Umzug hier her, passender Weise auf einem Event in dem Casino, wegen dessen Übernahme meine Familie jetzt in ernster Gefahr zu schweben schien. Maddox Vater war niemand geringeres als der Besitzer der Chicago Bulls. Das alleine machte ihn unerreichbar und gleichzeitig absolut begehrenswert für jede Frau in seiner Umgebung, mich eingeschlossen. Sein unverschämt gutes Aussehen und sein einnehmender Charme taten ihr Übriges.

„Ich hatte irgendwie gehofft, dass er da sein würde." gestand ich unüberlegt, was wohl an der bereits einsetzenden Wirkung des Alkohols lag.
„Um was mit ihm zu tun? Wolltest du wieder heimlich mit ihm in irgendeinen Besenschrank verschwinden?" Alice lachte schrill und ich spürte wie ich rot wurde. Für sie war alles nur ein Witz, doch für mich war es das nicht.
„So ist das nicht. Zwischen Maddox und mir... das ist mehr als nur ein Flirt ok? Er mag mich wirklich." verteidigte ich ihn oder wohl besser mich selbst und meine Entscheidung, mich auf etwas einzulassen, dass ganz sicher zum scheitern verurteilt war. „Sicher tut er das Süße" sie tätschelte meinen Arm und reichte mir den nächsten Becher.
„Jeder Mann tut das, solange du ihm dafür etwas von deiner Aufmerksamkeit schenkst. Sieh dich doch nur an... man kann doch nicht nicht wahrnehmen, du bist eine Naturgewalt und das meine ich absolut liebevoll."

Ich erwiderte nichts weiter und nippte wieder an meinem Drink. Alice war eben Alice, sie sagte oft Dinge, die einen verletzten, aber sie meinte es nie böse. Sie war einfach ungefiltert und brutal ehrlich.
Die laute Musik dröhnte von den Lautsprechern bis zu uns an den Rand der Tanzfläche. Wir unterhielten uns weiter mit Freunden von Alice, tranken einen Cocktail nach dem anderen und ich beobachtete die vielen Fremden um mich herum, bis meine Augen auf einen mysteriösen Typen fielen, der hier irgendwie nicht hinzupassen schien.
Kurz geschworene dunkelbraune Haare, eisblaue Augen und ein so muskulöser Körperbau, dass er entweder beim Militär war oder Kampfsport betreiben musste. Mein Blick blieb wohl zu lange auf ihm hängen, denn er bemerkte mein Starren und ein schiefes Grinsen verzog sein sonst so ernster Gesicht kurz, ehe er einfach wieder weg sah, als würde ich ihn überhaupt nicht interessieren. Sofort regte sich Unmut in mir.
Wie konnte dieser mysteriöse, attraktive Fremde mich in diesem sexy Kleid einfach ignorieren?
Ich war einfach zu heiß und das Lächeln das ich ihm geschenkt hatte, war so unschuldig und süß gewesen, dass es normalerweise jeden Mann in die Knie zwang.
Ihn jedoch nicht.

Sofort war Maddox und sein Nichterscheinen hier vergessen und ich grübelte nur noch über diesen mysteriösen Mann nach, der mein Flirt einfach ignorieren zu schien und stattdessen lieber weiter allein an der Wand gelehnt seine Zigarette rauchte, während ich mein Blick nicht von ihm nehmen konnte.
Gierig zog ich jedes Detail von ihm in mir auf. Er war älter, sicher bereits Anfang 30, doch das störte mich nicht, ganz im Gegenteil. Mein ganzes Leben lang hattest ich immer etwas für ältere Männer übrig gehabt, auch wenn ich dem nie nachgegangen war, schwärmte ich immer mal wieder für Männer, die deutlich älter als ich waren. Vielleicht, weil sie erfahrener waren oder es war die Art und Weise, wie sie mit mir gesprochen hatten. Sie schienen zu wissen, was sie wollen und das allein fand ich wahnsinnig anziehend.
Aus einer Laune heraus stellte ich meinen Besucher ab, als ich mich entschieden hatte, an der improvisierten Tanzfläche vorbei zu gehen und diesen mysteriösen Mann selber anzusprechen, wenn er es schon nicht tat. Ich hatte noch nie den ersten Schritt gemacht, doch heute fühlte ich mich unantastbar. Das Kleid und sicher auch der Alkohol verliehen mir genug Selbstvertrauen um einen Versuch zu wagen. Sobald ich der Tanzfläche und meinen Freundinnen den Rücken zugekehrt hatte, bemerkte er mich. Seine eisblauen Augen funkelten auf, als sie in meinen grünen blickten, doch das war es auch schon an Reaktion seinerseits. Ansonsten blieb er ungerührt an der Wand gelehnt stehen, während eine Zigarette aus seinem Mund hing.
„Kann ich auch eine haben?" hauchte ich und deutete mit einem Nicken auf die Zigarette in seinem Mund. Ich konnte ein dumpfes Lachen hören, das seine Lippen verließ und mir direkt durch und durch ging „Bist du überhaupt alt genug, um zu rauchen Red?"

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt