Kapitel 6

76 3 0
                                    

Niedergeschlagen lief ich wieder hinaus, wo der Fremde, der ab sofort mein sprichwörtlicher Schatten sein würde, schon auf mich wartete.
„Mein Wagen steht vor dem Haus." war alles was er sagte, auch wenn ich mir fast sicher war, das er die Tränen in meinen Augen bemerkt hatte, sagte er nichts dazu. Es interessierte ihn schlichtweg nicht. Warum sollte es auch?
Ich war für ihn nichts weiter als ein Job.

Schweigend folgte ich ihm hinaus, bis zu dem dunklen Jeep, der am Straßenrand auf uns wartete. Es war eins der typischen Autos, die mein Onkel für seine Geschäfte benutzte. Groß, dunkel und mit kugelsicheren Scheiben versehen.
„Ansteigen" wies er mich emotionslos an, die geöffnete Beifahrertür in der Hand. Ich gehorchte, es hatte keinen Sinn zu protestieren.
Der Wagen setzte sich in Bewegung, schnell und doch routiniert lenkte mein neuer Aufpasser das Fahrzeug durch die Nacht, während ich den Kopf an die Scheibe lehnte und die Augen schloss.
„Du bist ungewöhnlich still" Seine raue Stimme traf mich unvorbereitet. „Ich wüsste nicht, was wir zwei zu reden hätten." antwortete ich schmal lippig, obwohl es gelogen war. Ich hatte sicher tausend Fragen an den Unbekannten, doch ich war zu stolz um das zuzugeben. Das er mir hier her gefolgt war, obwohl sein Dienst erst morgen begann war übergriffig genug, das ich mit ihm geflirtet hatte, weil ich ihn attraktiv fand, während er mich wahrscheinlich die ganze Zeit nur belächelt hatte, gab dem Ganzen noch eine extra Prise Demütigung obendrauf. Ich fühlte mich verletzt, hintergangen und bloßgestellt, ausgerechnet von dem Mann, der mir ab sofort für Gott weiß wie lange überall hin folgen würde und vor dem es kein Entkommen für mich geben würde.
„Du könntest mich zum Beispiel fragen, wie ich heiße" begann er erneut den Versuch, das Gespräch in Schwung zu bringen, was ich wieder abblockte. „Du könntest es mir auch einfach sagen. Niemand hat dich davon abgehalten, dich wie ein normaler Mensch bei mir vorzustellen, anstatt mir wie ein Creep hier her zu folgen und mich zu stalken."
Ich hatte mich in meinem Sitz zu ihm gedreht, die Arme vor der Brust verschränkt funkelte ich ihn wütend an, doch er schien wenig beeindruckend. „Fuck du hast echt Feuer und damit meine ich nicht bloß diese Haare" Er griff rüber zu mir und wickelte sich eine meine roten Strähne um seine Finger und betrachtet sie genau. „Wieso hast du überhaupt rote Haare? Das ist ungewöhnlich, bist du nicht Italienerin?" Die Frage, seine Berührung und der abrupte Themenwechsel brachten mich aus dem Konzept.
„Halb Italienierin. Mein Vater ist... Ich meine, er war Schotte. Ich habe die roten Haare von ihm" erklärte ich, einen dicken Kloß im Hals. Der Verlust meines Vaters war noch so präsent, der Schmerz so frisch, dass ich mit mir kämpfen musste, nicht zu weinen, nur weil ich ihn erwähnt hatte.

„Tut mir leid mit deinem Dad" plötzlich war seine Stimme sanft. Er klang verändert, viel netter und nahbarer als zuvor. „Ich heiße übrigens Hunter" erklärte er „Und ich habe dich nicht gestalkt wie ein Creep, sondern meinen Job gemacht. Dein Onkel hat mir gesagt, dass du außer Kontrolle bist. Du würdest Trinken, feiern, und Gott weiß was noch. Ich wollte mir ein eignes Bild machen, weil ich dachte er übertreibt, doch wie es aussieht hatte er recht. Du bist außer Kontrolle Giorgia. Was du da tust... das ist gefährlich hörst du? Du bist eine Esposito, was alleine schon gefährlich genug ist, das du dazu noch jung und schön bist, macht es nicht besser und dann noch diese verdammten Haare...Fuck du könntest dir auch gleich eine Zielscheibe auf den Rücken kleben. Keine Ahnung wieso der Boss dich überhaupt so lange ohne Aufsicht rumlaufen ließ." schloss er und ich erwiderte sofort „Ich war nicht ohne Aufsicht. Ich hatte einen Fahrer, der auch als mein Bodyguard fungierte"
Hunter lachte „Du meinst Rupert? Fuck der Typ kann doch nicht mal sich selbst beschützen. Er ist ein Blender, der noch nie wirklich eine Waffe benutzen musste, geschweige denn wüsste, was er mit ihr tun müsste, wenn es je dazu käme, dass er sein oder noch schlimmer dein Leben verteidigen müsste"
Ich musterte ihn weiter interessiert als ich sarkastisch nachhakte „Ach und du wüsstest es?"
Sein Blick löste sich kurz von der Straße und traf mich „Das tue ich. Ich war bei der Navy, fast 10 Jahre lang, inklusive Auslandseinsätze im Irak, in Somalia, und Syrien. Ich war überall dort, wo die Scheiße sprichwörtlich am dampfen war, Red. Wenn ich dir also sage, dass ich weiß, wie man eine Waffe bedient und wie man sein Leben und das von anderen verteidigt, kannst du mir glauben, dass es die Wahrheit ist."

Ich hatte also recht, er hatte eine militärische Ausbildung und allen Anschein nach eine ziemlich beeindruckende noch dazu, was mir noch weniger verständlich machte, wieso jemand wie er für meinen Onkel arbeitet. Er war ganz offensichtlich kein Italiener, also war es keine alte Familien Schuld oder so. Was auch immer ihn in den Dienst meines Onkel getrieben hatte, es musste ein gewaltig guter Grund sein, wenn er dafür seine Karriere bei der Navy an den Nagel gehangen hatte.
„Wenn du dich so lange dem Schutz deines Vaterland verschrieben hast, wieso arbeitest du dann jetzt ausgerechnet für jemanden wie meinen Onkel?" fragte ich nach und bereute es sofort, als mich sein eiskalter Blick traf. „Ich wüsste nicht, was das zur Sache tut. Dein Onkel hat mich eingestellt, um dich zu beobachten und dich aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Wohin du auch gehst, ich gehe mit dir. Das ist alles was dich zu interessieren hast. Fuck, dafür das du nicht reden wolltest, stellst du jetzt verdammt viele Fragen"
Mit verschränkten Armen lehnte ich mich in meinem Sitz zurück „Und für jemanden der unbedingt reden wollte, hast du jetzt ein ganz schönes Problem damit." gab ich zurück. Wieder fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Mit mir zu reden schien ihn ebenfalls so anzustrengen wie es mich anstrengende mit ihm zu reden. Das gefiel mir irgendwie, wenigstens war ich jetzt nicht mehr die einzige die sich unwohl fühlte.
„Lass mich dich einfach nach Hause bringen ja? Mein Dienst beginnt offiziell erst morgen, es gibt also keinen Grund sich jetzt schon mit allen Einzelheiten auseinanderzusetzen" brummte er. „Wieso warst du dann auf der Party? Weiß mein Onkel das du hier bist?" plötzlich kehrte das ungute Gefühl zurück. Er kam doch von meinem Onkel oder? „Nein er weiß es nicht. Es war meine Idee her zu kommen. Ich wollte dich sehen, wollte die echte Giorgia sehen, bevor ich die Version treffe, die du deiner Familie vorspielst oder die du mir dann versuchen wirst Vorspielen, um mich um deinen Fingern zu wickeln wie den armen Rupert. Alles was ich wollte waren ein paar ungefilterte Eindrücke von dir, es war nicht geplant heute schon mit dir in Kontakt zu treten. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du dich mir gleich an den Hals werfen würdest" wieder zierte sein Gesicht dieses amüsierte Lächeln das auf meine Kosten ging. „Ich habe mich dir nicht an den Hals geworfen! Das hättest du wohl gerne was? Alles was ich wollte war eine Zigarette. Nicht mehr und nicht weniger" keifte ich ihn an, doch er schien unbeeindruckt, „Sicher doch Red." sagte er sarkastisch, was mich noch wütender machte. „Nenn mich nicht so, ja? Bring mich einfach nach Hause verdammt" zischte ich, drehte ihm den Rücken zu, sah hinaus in die Nacht und wünschte mir das er mich wirklich nach Hause bringen könnte.
Zurück nach Austin.
Zurück in mein echtes Zuhause.

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt