Kapitel 93

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Ich wollte kämpfen. Das wollte ich wirklich. Ich wollte mich auf gar keinen Fall einfach meinem Schicksal hingeben, doch das Hunter mich einfach aufgeben hatte zog mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Meine Beine sackten weg und ich sank einfach zu Boden. Sofort war er da, seine starken Hände, die ich doch immer so geliebt hatte packten nach mir, sie wollten mir helfen, so wie sie es seit Wochen immer wieder taten, doch diesmal schlug ich sie weg.
„Nicht" zischte ich. „Wag es nicht Hunter"
Er zog seine Hände zurück, als hätte er sich verbrannt. Der Hass in meiner Stimme war so überdeutlich, dass ich mich selbst davor erschrak. „Lass mich dir helfen Darling" Owen streckte mir die Hand entgegen, wie ich es sonst nur aus alten Filmen kannte, in denen der Prinz dem armen gefallen Mädchen half. Keine Ahnung ob ich sie bloß ergriff, weil ich ganz genau wusste, wie sehr es Hunter verletzen würde, dass ich mir ausgerecht von Owen helfen ließ oder weil mich seine unerwartete freundliche Geste wirklich rührte.
„Danke" flüsterte ich, legte meine kleine Hand in seine und ließ mich von ihm auf die Füße ziehen. Sobald ich stand ließ er meine Hand los, legte aber einen stützenden Arm um meine Taille, als hätte er Angst, dass ich wieder umfallen würde, wenn er es nicht täte.

Mein Onkel beobachtete die ganze Szene mit Adlersaugen und erst als ich sicher neben Owen stand, ergriff er wieder das Wort. „Gut da das jetzt geklärt ist, können wir wieder zum geschäftlichen kommen, sind alle damit einverstanden?" Ein undeutliches aber einheitlich zustimmendes Brummen erfüllte den Raum. Jedem von uns war es unangenehm was hier gerade passiert war, besonders wohl Hunter und mir, denn wir hatten eindeutig zu viel preisgeben. Ganz egal wie sehr ich ihn gerade dafür hasste, dass er mich nicht retten wollte, obwohl er mir genau das doch immer versprochen hatte, überwog die Panik in mir, was mein Onkel mit ihm anstellen würde, wenn er auch nur eine Sekunde mehr Zeit bekommen würde, etwas genauer über das nachzudenken, was und vor allem warum Hunter das alles gesagt hatte. Vielleicht wollte er mein Leben nicht retten, aber ich wollte definitiv seins retten.
War das dumm? Vielleicht, aber ich konnte nicht anders. Ich liebte ihn, egal wie naiv, schmerzhaft oder einseitig diese Liebe auch im Moment zu scheinen schien. Ich liebte ihn und ich würde sein Leben nicht riskieren, nur weil ich gerade verletzt war. Also schluckte ich all meinen Schmerz runter, strafte die Schultern und fragte an niemand bestimmten im Raum „Wie geht es jetzt weiter?"
Die blicke der drei Männer flogen synchron zu mir, jeder auf eine andere Art verwirrt dreinblickend. Wie es aussah hatte niemand von ihnen mit meinem friedlichen Kooperation gerechnet, nach dem was sich hier die letzten Minuten abgespielt hatte war das auch nur zu verständlich. Ich selbst konnte am wenigsten glauben, was ich hier tat, aber ich kooperierte. Oder besser: Ich kapitulierte.

„Ich habe eine Wohnung für uns in der Nähe des Campus gemietet, die gerade noch renoviert wird. Wir können in 2 Wochen einziehen. In einer wenn ich Druck mache, was ich tun kann, wenn du es willst, Darling"
Ich nickte mechanisch, obwohl alles in mir schrie.
Eine Woche.
Maximal 2 Wochen.
Dann würde mich Owen mit in ein fremdes Land nehmen, weg von allem und jeden den ich liebte. „Die Gefahr durch Crowells Männer ist noch allgegenwärtig, das dürft ihr bei eurer Planung nicht außer Acht lassen." mischte mein Onkel sich ein, während Hunter sich bloß ausschwieg und jeglichen Blickkontakt mit mir vermied.
Verfluchter Feigling.
Wer war diese mysteriöse Phoebe, dass mein Onkel ihn dermaßen mit ihr kontrollieren konnte?
„Am besten, sie bleibt bis dahin im Safehouse." Das war mit Sicherheit das Beste, aber gerade wusste ich nicht, ob es auch das Richtige für mich war, denn nach dem, was Hunter eben getan hatte, wusste ich nicht, ob ich allein mit ihm sein wollte. Oder überhaupt mit ihm reden wollte, ganz egal wie sehr ich wissen wollte, wer diese Phoebe war und warum er mich für sie buchstäblich an den Teufel verkaufte.

Auch Owen schien nicht begeistert von dem Vorschlag, dass ich weiterhin allein mit meinen Bodyguard in einem Haus leben würde, von dem niemand außer dem engsten Kreis meines Onkels wusste wo es sich genau befand. Owen hatte uns während des ganzen Streits so intensiv beobachtet, ohne sich einmal einzumischen, dass es mich rückblickend nervös machte. In meinem Gedanken ließ ich alles Revue passieren was ich aber vor allem auch Hunter eben in dieser absoluten Ausnahmesituation zueinder gesagt hatten. Mein Mund wurde Staub trocken. Keine Ahnung wieso mein Onkel es nicht begriff, aber Owen hatte es definitiv begriffen, ich sah es ihm an, wie er jetzt zu Hunter sah, den Arm enger um mich zog und so erneut seinen unbestreitbaren Besitz an mir deutlich machte. Er wusste es. Er wusste das Hunter mehr war als mein Bodyguard. Noch während ich darüber nachdachte, warum er meinen Onkel nicht darauf hinwies, was sein Angestellter mit seiner gerade mal volljährigen Nichte trieb, begriff ich es schon.
Er hatte mich in der Hand.
Owen war ein gerissener Mistkerl.
Er wusste ganz genau, dass ich alles tun würde, um Hunters Leben zu schützen. Selbst wenn es bedeute, meine eigens Glück zu Opfern.

„Nimm es mir nicht übel Domenico, aber das ist nicht unbedingt die Art wie ich meine Verlobte verwahrt wissen möchte. Allein in einem geheimen Haus mit einem deiner Auftragskiller." Der Blick den er Hunter zuwarf war so voller Abscheu, dass ich ihm am liebsten eine reingehauen hätte. „Tut mir wirklich leid wenn es dir Unbehagen bereitet, aber solange Giorgia noch in Chicago ist, braucht sie seinen Schutz" erwiderte mein Onkel, doch Owen war ihm bereits drei Schritte voraus. „Oh da bin ich ganz deiner Meinung, Dom. Allerdings muss sie dafür nicht allein mit ihm sein. Ich dachte ich nehme sie mit ins Hotel. Du weißt das uns als Inhaber die kompletten oberen drei Stockwerke des St. Regis zur Verfügung stehen. Giorgia kann im Penthaus wohnen und wenn es dir wichtig ist, finde ich sicher auch noch ein freies Zimmer für ihren Wachhund. So könnte sie in meiner Nähe und sicher sein. Außerdem denke ich, dass das Penthaus des St. Regis ihren Ansprüchen deutlich gerechter wird als irgendein unauffällige, mittelmäßige Townhaus"

Erneut blieb mein Herz stehen. Das er mich sofort mitnehmen würde hatte ich nicht erwartet. Ja ich hatte mitgespielt und so getan als würde ich diesem ganzen Irrsinn einer Verlobung zustimmen, aber doch nur weil mein Stolz verletzt war und ich Hunter verletzten wollte, so wie er mich verletzt hatte.
Doch wenn Owen mich jetzt zu sich holte, wäre alles vorbei. Dann wäre mein Schicksal besiegelt. Die Rebellion wuchs in mir, sie quoll förmlich meine Kehle hinauf und bahnte sich ihren Weg nach draußen, als mein Onkel unvermittelt in die Hände klatsche und verkündete „So machen wir es. O'Brien, fahren sie mit meiner Nichte zum Safehouse, packen sie ihre Sachen und dann bringen sie Giorgia ins St. Regis"

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt