Kapitel 2

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Nach der Dusche fühlte ich mich zwar besser, doch ich war unfassbar müde von meiner Partynacht und spürte bereits wie sich ein epischer Kater in meinem Körper ausbreitet. Umso dankbarer war ich, als ich Paola ebenfalls frisch geduscht und mit zwei dampfenden Tassen in der Hand auf meinem Himmelbett vorfand, als ich nur in ein Handtuch gewickelt aus meinem privaten Bad trat.
„Dein Onkel wird dir das nicht ewig durch gehen lassen" belehrte sie mich, während sie mir einen Kaffee reichte. Auch wenn ich wusste, dass sie recht hatte, reckte ich trotzig das Kinn und erwiderte „Dafür müsste er es erstmal bemerken und das wird er nicht. Er merkt nichts mehr, weil er uns gar nicht wahrnimmt. Keinen von uns. Alles was zählt sind seine Geschäfte. Ich, nein wir alle, wir sind ihm vollkommen egal"
Das Handtuch glitt von meinen Schultern und ich trat nur in Unterwäsche vor die Tür zu meinem begehbaren Kleiderschrank. Lustlos schob ich die vielen Designer Sachen von rechts nach links, als Jordans Stimme hinter mir erklang.
„Wann hast du eigentlich zuletzt etwas gegessen?" hakte sie nach, mit einem belehrenden Unterton, der mir nicht entging. „Keine Sorge, Mom. Ich esse genug, danke" gab ich bissig zurück, doch sie gab nicht nach. „Das glaube ich kaum. Sieh dich mal an, an deinen Hüftknochen könnte man sich schneiden" Paola war aufgestanden und kam zu mir.
„Ich weiß das du dich hier nicht wohl fühlst Gigi. Es ist für eine gewaltige Umstellung, aber was du dir und deinem Körper antust... das hilft niemanden"
Wütend zog ich mir einen Hoodie meiner alten Highschool über und griff mir ein paar Shorts dazu, die so knapp waren, dass man sie unter dem Hoodie kaum sah.
„Du hast keine Ahnung wovon du redest Paola" gab ich bissig zurück. „Nein? Vergiss nicht, dass meine Mom unter anderem für euer Essen verantwortlich ist. Ich weiß also aus erster Hand, das dein Teller immer unangetastet zurück kommt und das seit Wochen. Du isst nicht, du betrinkst dich und du schwänzt den Unterricht, nur weil du unzufrieden mit dem Umzug hier her bist. Das ist keine Lösung, hörst du? Du bist kein bockiges Kind mehr, du bist Erwachsen Giorgia. So kannst du nicht mehr mit Problemen umgehen, zumal es dir nichts bringen wird, denn das alles schadet nicht deinem Onkel, sondern bloß dir selbst"

Der rationale Teil in mir wusste, dass sie recht hatte. Das hatte sie nämlich fast immer. Es war ein Fluch und ein Segen zugleich, dass Paola und ihre Mom ebenfalls in diesem Haus lebten. Paolas Mom arbeitete bereits seit fast 15 Jahren für die Familie meiner Mutter, immer wenn ich hier war, verbrachte ich meine Zeit heimlich mit ihr, anstatt mit meinen Cousins. Sie war mir mehr Familie gewesen, als es meine echte je gewesen war und ich vertraute ihr blind. Sie war meine engste Vertraute hier, obwohl wir oft so unterschiedlich waren.
Wir waren wie Feuer und Wasser.
Wie Himmel und Hölle.
Wie Licht und Schatten.

Sie zog mich in eine Umarmung, die ich nur widerwillig erwiderte. „Du bist nicht allein hörst du? Ich bin da, Gigi. Immer" flüsterte sie, dann küsste sie meine Wange und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort, während ich meine Haare machte, eine Handvoll Aspirin einwarf und gute 10 Minuten später ebenfalls mein Zimmer verließ, um wie jeden Morgen pünktlich beim Frühstück zu sein.
In dem überdimensionalen großen Esszimmer, dass eigentlich viel zu opulent für ein ganz normales Frühstück war, saßen bereits meine Tante Lilliana und meine Mutter. Beide sahen wie immer aus wie aus dem Ei gepellt, während ich sicher trotz der Dusche und dem halbherzigen Versuch die Spuren der Nacht zu überschminken so fertig aussah wie ich mich fühlte.
„Guten Morgen Sweetie" begrüßte meine Mutter mich und sah wie immer geflissentlichen über die deutlichen Spuren meiner Eskapaden hinweg. „Ich habe Louise gebeten, dir eins der Croissants zu machen, die du so liebt" Sie lächelte ihr perfektes Lächeln und schien zufrieden, als ich mich einfach mit dem Croissant vor mir neben sie setzte, ohne es überhaupt anzurühren.
„Schlecht geschlafen Gigi?" stichelte meine Tante von der andern Seite des Tisches. Statt einer Antwort zeigte ich ihr den Mittelfinger, was meiner Mutter nicht entging.
„Lass das Giorgia, was ist das denn für ein Benehmen?" zischte sie und erst jetzt schien sie mich richtig wahr zunehmen. Musternd glitt ihr Blick über mich, über mein unpassendes Outfit, die nassen Haare und sicher auch über meine schlecht abgedeckten Augenringe.
„Umziehen. Sofort"
Es war keine Bitte. Es war ein Befehl. Da ich wusste, dass jeder Widerspruch zwecklos war, erhob ich mich wortlos und verließ das Zimmer wieder. Ich war auf dem halben Weg die Treppe hinauf, als ich in meinen Onkel hinein lief.
„Wo willst du hin?"
„Dir auch eine wunderschöne guten Morgen Onkel Dom" antwortete ich sarkastisch, was ihn sofort auf die Palme brachte. Ich sah wie sein Kiefer zuckte, das hitzige Temperament hatte ich eindeutig von ihm. „Lass das Giorgia und beantworte meine Frage" Genervt rollte ich mit den Augen. „Mom empfindet mein Outfit als unangemessen"
Er mustertet mich, doch anders als bei meinen Mutter lag sein Fokus nicht auf meiner Kleidung, sondern auf meinem körperlichen Zustand.
„Du warst aus" Keine Frage, kein Zweifel.
„Und wenn schon. Ich bin..." sofort fiel er mir ins Wort „Komm mir jetzt nicht damit das du Erwachsen bist, denn das bist du nicht, was dein Verhalten mal wieder eindrucksvoll beweist, verdammt"
Mit der Hand fuhr er sich über das Kinn, das heute von einem leichten Bartschatten überzogen wurde. Er sah mich an und ich war mir sicher, dass er noch etwas sagen wollte, doch dann klingelte sein Handy. Schnell blickte er aufs Display, es schien wichtig, denn er ließ mich mit den Worten „Zieh dir was anständiges an, iss was und dann komm in mein Büro bevor du fährst, wir müssen reden. Dringend." einfach zurück und ich wusste, dass dieses Gespräch nichts gutes für mich bedeuten konnten.

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