Kapitel 84

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Nach seiner nebulösen Antwort ignorierte Owen mich komplett. Er saß einfach da, blickte sturt nach vorne und schwieg eisern. Ich wartete ein paar Augenblicke, ob er doch noch etwas sinnvolleres als Antwort vor bringen würde, als seine alberne Gegenfrage, doch er blieb stumm.
„Owen?! Antworte mir verdammt! Eben konntest du deinen Mund auch nicht halten und jetzt schweigst du? Jetzt wo ich dringend eine Antwort von dir brauche machst du einen auf Schweigegelübde oder was??? Warum bist du heute hier?" fuhr ich ihn an, diesmal deutlich aufgebrachter, doch er tat weiter so, als wäre ich nicht da. Statt mir zu antworten nahm er wieder sein Handy in die Hand und ignorierte mich vollkommen. Ich stöhnte frustriert auf, als mir klar wurde, dass ich mir an ihm nur die Zähne ausbeißen würde. Dann wand mich von ihm ab und sprach stattdessen zu Coraline
„Warum ist dein Bruder hier?" fragte ich jetzt sie, doch sie zuckte nur mit den Achseln. „Das fragst du mich nicht ernsthaft oder? Du kennst ihn doch, Owen macht was er will. Mir sagt er nie was. Ich hab keine Ahnung, warum deine Mutter ihn eingeladen hat." Blitzschnell wirbelte ich zurück zu Owen. „Meine Mutter hat dich persönlich eingeladen?" meine Stimme überschlug sich fast, doch Owen blieb ruhig. Er lächelte nur wissend und nickte leicht.
Was zur Hölle lief hier?
Warum hatte meine Mutter ausgerechnet ihn eingeladen?
Ich meine, dass sie Alice und Coraline eingeladen hatte machte total Sinn, sie waren meine beste Freunde aber Owen?
Das ergab keinen Sinn.

Ich wollte ihn gerade erneut fragen, was meine Mutter dazu gebracht hatte, ausgerechnet ihn einzuladen, als er endlich wieder von selbst das Wort ergriff, allerdings nicht so wie von mir erhofft. Er nickte mit dem Kopf auf mein Handy, dass auf dem Tisch lag und sagte „Dein Handy klingelt, Giorgia. Willst du nicht nachsehen, wer dir um diese Uhrzeit schreibt hm?"
Wieder lag so eine fieser Zug um seinen Mund, der in der Kombination mit dem arroganten Lächeln fast beängstigend war. Schnell nahm ich den Blick von ihm und griff nach meinem Handy, dass in der Tat eine neue Nachricht anzeigte. Als ich sah, das sie von Hunter war, schlug mein Herz schneller und ich scannte sofort den Raum nach ihm ab. Leider erfolglos, deshalb lass ich erst die Nachricht, ehe ich es erneut versuchte.

Hunter: Zur Hölle Red. Das passiert also, wenn ich dich mal 5 Minuten aus den Augen lasse? Ernsthaft ?! Bring ein wenig Abstand zwischen dich und diesem Idioten. Sofort.

Giorgia: Was? Ist das dein Ernst?! Keine Erklärung wo du solang warst oder etwas ähnlich? Wen meinst du überhaupt? Meinst du etwa Owen? Er sitzt nur neben mir, du weißt das er Coralines Bruder ist oder? Er ist absolut harmlos.

Hunter: Harmlos? Der Bastard sitzt fast auf deinem Schoß.

Giorgia: Du übertreibst.

Hunter: Setzt dich um, Red. JETZT. Bring mich nicht dazu, zu euch rüber zu kommen.

Giorgia: Meine Güte, beruhige dich wieder ja? Ich wechsle die Plätze, bist du jetzt glücklich?

Hunter: Sehr glücklich. Braves Mädchen

Ich sah auf und suchte erneut erfolglos den Raum ab, doch ich entdeckte Hunter nicht, doch er musste da sein. Wie sollte er sonst wissen, das Owen neben mir saß?

Giorgia: Ich sehe dich nirgendwo. Wo bist du?

Hunter: Sieh nach links.

Ich tat was er wollte und drehte mich soweit nach links, bis ich ihn endlich erblickte. Er stand halb verborgen in den Schatten zwischen der Küche und einem Nebenraum, in den meine Tante vorhin Brio verwiesen hatte. Das Licht war so schlecht, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, doch ich erkannte ihn auch so. Ich würde ihn überall erkennen. Plötzlich überkam mich die Sehnsucht nach ihm und die Sorge warum er so lange weg gewesen war. Owen war vergessen, genauso wie meine Mutter oder meine Freundin. Ich wollte am liebsten nur zu meinem Freund rennen, ihm die Arme um den Nacken schlingen und ihn küssen, bis dieses beißende Gefühl des Verlustes in mir endlich schwieg, doch es ging nicht. Nicht hier.

Giorgia: Wieso hat es so lange gedauert? Du hast versprochen pünktlich zurück zu sein.

Hunter: Erkläre ich dir später.

Giorgia: Warum nicht jetzt?

Hunter: Weil jetzt weder der richtige Zeitpunkt ist, noch das hier der richtige Ort ist. Bringen wir einfach dieses Abend hinter uns und dann lass uns verschwinden ok?

Giorgia: Warum verschwinden wir nicht jetzt schon?

Hunter: Weil es nicht geht, das weißt du. Sie würden dein Verschwinden bemerken und wie willst du ihnen das erklären?

Giorgia: Wie wäre es damit ihnen einfach die Wahrheit zu sagen? Nämlich dass ich lieber bei meinem Freund wäre, als hier umgeben von Menschen, denen ich vollkommen egal bin? Das ich mir so schlimme Sorgen um ihn gemacht habe, dass ich noch nicht einen einzigen Bissen dieses sicherlich köstlichen Essens habe runterbekommen und es sicher auch nicht kann, bis ich mich nicht davon überzeugen konnte, dass es ihm wirklich gut geht?!

Hunter: Es geht mir gut Red.

Giorgia: Das reicht mir nicht.

Hunter: Mein Wort reicht dir nicht?

Giorgia: Nein. Ich muss dich sehen. Richtig, von Angesicht zu Angesicht, nicht nur verborgen in den Schatten. Nur 5 Minuten bitte.

Hunter: Es geht nicht. Es ist zu riskant.

Giorgia: Ist es nicht, wir müssen nur aufpassen. Ich habe beim reinkommen gesehen, dass es rechts neben der Tür ein kleines Büro gibt. Triff mich dort in 10 Minuten.

Hunter: Das ist eine dumme Idee Red.

Giorgia: Vielleicht ist es das. Wirst du trotzdem kommen?

Hunter: Fuck natürlich komme ich.

Ich konnte mir ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen, als ich mein Handy zurück legte und mich erhob. „Ich gehe mich kurz Frischmachen" sagte ich zu niemanden bestimmtes in die Runde. Owen erhob sich, damit ich an ihm vorbei aus der Bank gleiten konnte. Als ich gerade auf seiner Höhe war, packte er mich am Arm und stoppte mich. „Ich weiß, dass du sauer bist, weil ich dir keine Antwort auf deine Frage geben habe, aber bitte glaub mir, dass ich wirklich gerne heute Abend hier bin, ganz egal aus welchen Gründen ich her kam. Ich habe mich wirklich gefreut dich wiederzusehen Giorgia und dir ging es ähnlich, dass konnte ich spüren. Vielleicht können wir unsere Gespräch ja ein anders mal fortsetzen, ohne so viele... Zuschauer"
Fast mechanisch nickte ich und er ließ mich los, woraufhin ich sofort aus der Bank lief, eilig und sehr drauf bedacht, Abstand zwischen uns zu bringen. Owens Wort schwangen in mir nach und mir würde schlagartig klar, dass ich eben gegenüber Hunter gelogen hatte. Und wohl auch gegenüber mir selbst, denn Owen war ganz offensichtlich alles andere als harmlos.

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