Kapitel 82

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Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief ich in dem kleines Flur des Hauses auf und ab, das Geräusch meiner Absätze hallte unnatürlich laut von den Wänden wieder und vermischte sich mit dem rascheln meines Kleides zu einem eigenartigen Sound, der meine Nervosität nur noch verstärkte. „Wir sollten langsam los Giorgia" Brio legte mir seine Hand auf die Schulter und stoppte so meinen Lauf. „Nein. Wir warten! Wir gehen noch nicht. Nein. Er hat gesagt er kommt. Er hat mir versprochen, dass er mich nicht allein dorthin lässt." Meine Locken flogen von links nach rechts, so heftig schüttelte sich meinen Kopf.
Wieder sah ich auf mein iPhone, wieder zeigte es keine neue Nachricht an.
Wieder schlug mein Herz schneller.
„Du gehst ja auch nicht allein. Du gehst mit mir." Brio schenkte mir ein Lächeln, dass sicher jeder anderen Frau sofort weiche Knie verpasst hätte, besonders heute, wo er sich wirklich rausgeputzt hatte. In dem hellgrauen Anzug sah er wirklich gut aus und auch das nach hinten gekämmte Haar stand ihm ausgezeichnet. Also ja, an jedem anderen Tag wäre ich mehr als glücklich jemanden wie ihn gewissermaßen als mein Date zu haben, aber nicht heute. Nicht heute, wo ich seit über 6 Stunden nichts von Hunter gehört hatte.

Es war kurz nach dem Mittagessen gewesen, als er mir schrieb, dass er immer noch unterwegs sei, das es ihm leid täte und das er alles dafür tun würde, spätestens um 19.00 Uhr am Safehouse zu sein, damit er an meiner Seite sein könnte, wenn meine Mutter ihr Restaurant eröffnete. Er wusste, wie angespannt ich deshalb war, auch wenn ich nichts der gleichen gesagt hatte. So war Hunter eben. Er wusste stehts was in mir vorging.
Wieder lass ich seine letzte Nachricht:
Ich kann es nicht erwarten, dich zu sehen. Auch ohne zu wissen welches Kleid du tragen wirst, weiß ich, dass mich dein Anblick umhauen wird. Fuck es wird mich umbringen dich den ganzen Abend nicht berühren zu können und doch will ich keine Sekunde dieser süßen Folter verpassen. Wartet auf mich ja? Ich verspreche ich werde da sein. 19.00 Uhr Red. Nur du und ich.

Brios Hand legte sich über das Display meines iPhones. „Er wird es nicht schaffen, Giorgia. Es ist bereits halb 8. Wir haben lang genug gewartet. Ich schicke ihm einen Nachricht ok? Er wird nachkommen, wenn er soweit ist. Na komm schon, du weißt das ich recht habe." Er nahm mir das Handy aus der Hand, ließ es in meine Tasche gleiten und schob mich sanft Richtung Tür. Mein Körper gehorchte ihm einfach, auch wenn in meinem Inneren alles schrie.
Erst als ich auf den Beifahrersitz seines Wagens glitt sprach ich wieder „Es ist kein gutes Zeichen das er nicht da ist. Er hätte das hier nicht freiwillig verpasst. Ihm ist was passiert." Es war keine Frage, weil ich nicht fragen musste, denn ich kannte die Antwort. Ich spürte selbst das ich recht hatte.
„Unser Job ist nicht unbedingt ein Nine to Five Job Giorgia. Es gibt einhundert Gründe, warum er sich verspätet und auch wenn einer davon ist, dass ihm tatsächlich etwas passiert sein könnte, glaube ich es nicht. Hunter ist der beste Hitman den ich je gesehen habe. Er ist eine verfluchte Maschine, ein unüberwindbarer Fels verstehst du? Niemand wirft ihn einfach um. Er wird nachkommen, sobald es ihm möglich ist, ganz sicher."

Wir parkten vor dem schicken 3 stockigen Gebäude, in dessen untersten Etage das neue Restaurant meiner Mutter war. Vor der Tür hatte jemand einen roten Teppich ausgerollt, der inzwischen aber schon verwaist war, was sicher an unsere fast einstündige Verspätung lag. Mit langen, wenn auch etwas wackeligen Schritten lief ich voran, Brio immer drei Schritte hinter mir, ganz so wie man es von ihm als Vertretungs-Bodyguard erwartete. Als ich die Tür öffnete wehte mir sofort der Geruch nach Essen zusammen mit einem Schwall lauten Gelächter entgegnen. Die Eröffnungsfeier war im vollen Gange, alle Tische waren besetzt, die Gläser gefüllt und die Gäste augenscheinlich in bester Stimmung. Tief in mir freute ich mich für meinen Mutter, sie brauchte so dringend einen Erfolg, aber vor allem eine neue Aufgabe in ihrem Leben, dass ich wirklich hoffte, sie hätte sie hier gefunden. Egal wie angespannt unsere Verhältnis auch war, es würde mir deutlich leichter fallen, zurück nach Austin zu gehen, wenn ich wüsste, dass es ihr gut ging.

„Giorgia! Großes Gott da bist du ja endlich" meine Tante kam nahezu angerannt, behangne mit mehr Schmuck als ich besaß und einer tiefroten Robe bei der ich unweigerlich an Blut denken musste. Mein Magen sackte hinab, weil mein Kopfkino dieses Blutrot mit meiner Angst im Hunter mischte. Die hässlichen Bilder, die es mir vormalte ließen mich erstarren. Meine Atmung kam gepresst, ich schwitze und fror gleichzeitig.
„Giorgia?!" meine Tante rüttelte an meinen Arm, die sonst so perfekt glatte Stirn in Falten gelegt, „Hast du mir nicht zugehört?! Kind wo bist du denn mit deinen Gedanken??" maulte sie, dann sah sie an mir vorbei und erst da begriff ich, dass Brio so nah hinter mir stand, dass er mich fast berührte. „Haben sie mir wenigsten zugehört?!" fuhr sie jetzt ihn an. „Natürlich Signora Esposito. Ich werde Miss Sheffield zu ihrem Platz begleiten und sichergehen, dass es keinen weiteren Vorfall mehr geben wird. Ich bleibe den ganzen Abend bei ihr, nur um sicher zu gehen" erklärte Brio nüchtern und klang dabei komplett anders als ich ihn bisher kannte. Da war nichts mehr von dem Charme und dem Witz, den ich so an ihm mochte. Es war nichts als professionelle Kälte.

„Tun sie das, bringen sie meine Nichte an ihren Tisch, aber dann verschwinden sie. Wie kommen sie darauf, dass sie sich dazu setzten können? Das Personal nimmt nicht an den Feierlichkeiten teil, dass sollten sie eigentlich wissen. Sie warten nebenan zusammen mit den anderen, verstanden, Romani?! Oder muss ich erst mein Mann holen, damit sie tun wofür wir sie Gott nochmal bezahlen?" Die Härte mit der meine Tante mit Brio sprach erstaunte mich, doch er schluckte ihre Unverschämtheit einfach, so wie man es von ihm erwartete. „Das wird nicht nötig sein Signora" erwiderte er und schob mich an ihr vorbei weiter hinein in das gut gefüllte Lokal. Gerade als ich ihm bewundernd für seine Gelassenheit gratulieren wollte, knurrte er dicht neben mir „Gott ich hasse sie. Sie ist so eine verfluchte Bitch, besonders dafür das sie aus der verfluchten Gosse kommt wie wir alle. Sie sie so verdammt gut darin so zu tun, als wäre dieser ganze Luxus und dieses privilegierte Leben ihr verdammtes Geburtsrecht, dabei ist sie nur hier, weil sie clever genug war sich vom Boss schwängern zu lassen, als sie die Chance dazu hatte"

Zum zweiten Mal binnen 24 Stunden klappte mit der Mund in einem perfekten O auf.
Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt oder doch? Wenn ihn jemand gehört hatte, würde mein Onkel ihn sicher umbringen, immerhin war das seine Frau von der er da sprach. Und meine Tante.
Ich wollte gerade etwas dazu sagen, als ein lauter Freudenschrei ertönte und sich mir im nächsten Moment jemand um den Hals warf. Ich war so überrumpelt, dass ich nach hinten taumelte und sicher gestürzt wäre, wenn Brios Hand nicht blitzschnell auf meinem Rücken gelegen hätte und mir die nötige Stabilität gegeben hätte. Als Dank schaffte ich es jedoch lediglich ihm kurz über die Schulter zuzulächeln, als die Verursacherin für dieses kleine Chaos schon auf mich einzureden sprach. „Gigi! Wo warst du denn? Ich war so aufgeregt, weil ich dir nichts von heute erzählen durfte, dass ich sicher geplatzt wäre, wenn ich noch eine Minute länger hätte schweigen müssen, aber hey was tut man nicht alles für die Inhaberin des neuen Szene Restaurants der Stadt und die Mutter meiner bester Freundin was? Oh deinen Mom hat echt ganze Arbeit geleistet, der Laden ist ein Traum, findest du nicht? Oh und das Essen! Gigi das Essen! Es ist... OMG! Stimmt es das sie einen der Köche vom Sacage abgeworben hat?? Shit ich quassel schon wieder zu viel oder? Komm mit, wir warten schon den ganzen Abend auf dich."
Noch bevor ich meiner Freundin Alice auch nur eine ihrer Fragen beantworten konnte oder sie fragen konnte wer zur Hölle Wir waren, riss sie mich hinter sich her zu einem kleine runden Tisch in einer Nische auf dessen halbrunder Bank schon zwei komplett in schwarz gekleidete Menschen saßen, die ich hier heute definitiv nicht erwartet hatte. „Was tut ihr denn hier?"

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