Kapitel 103

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3 Monate später

Ich atmete tief die eiskalte Winterluft ein und wartete darauf, dass Hunter abnahm. Das ich ihn heute Abend anrief war nicht geplant gewesen, tatsächlich hatte ich sogar alles dafür getan, nicht an ihn zu denken und mich so davon abzuhalten, die dünne Kruste schon wieder von der immer noch pochenden Wunde in meinem Herzen erneut aufzureißen, aber ich konnte nicht widerstehen. Die Gelegenheit war zu perfekt, das Timing schien richtig und außerdem konnte ich mich nicht konzentrieren, bis ich nicht wenigsten für ein paar Minuten seine dunkle, raue Stimme gehört hätte. Egal wie sehr ich versuchte, ohne ihn klar zu kommen, es funktionierte einfach nicht. Ich funktionierte ohne ihn nicht.
Das mein Onkel ihn bei sich behalten hatte und mir stattdessen den schweigsamen Dario zu meinem Schutz mit an die Uni gegeben hatte gefiel mir nicht. Ich hatte albernere Weise bis zu Letzt auf das unwahrscheinliche Wunder gehofft, dass er Hunter doch noch mit mir schicken würde und wir da weiter machen könnten, wo wir aufgehört hatten, als ich an die Uni ging. Doch so war es nicht gekommen, was nicht überraschend war. Wir hatten nur diese eine letzte Nacht gehabt, das war alles. Hunter war für meinem Onkel viel zu wertvoll, außerdem musste er ihn vor Ort haben, um ihn zu kontrollieren. Owen hatte bei der Entscheidung sicher auch seine Finger im Spiel gehabt, auch wenn ich es nicht beweisen konnte, hatte ich gespürt, wie froh er war, seinen Nebenbuhler endlich zurückzulassen.

Natürlich verstand ich Doms Entscheidung auch ganz abgesehen von seinen persönlichen Beweggründen dahinter. Dario war die bessere Wahl, er war kaum älter als ich. Er fiel hier unter den Studenten am Campus nicht auf, ganz im Gegenteil zu Hunter, der zu alt für einen Studenten war und zu düster um als Professor durchzugehen. Dom hatte Dario gewählt, damit ich ein möglichst normales Uni Leben führen konnte und ich war wirklich froh darüber, denn niemand ahnte, dass er mein Bodyguard war. Für meine neuen Freunde war er einfach einer meiner Studienkollegen.
Auch heute Abend hielt er sich bedeckt, saß allein an der Bar, während ich mit meinen neuen Freundinnen feierte. Es war so leicht ihm zu entwischen, er hatte nicht mal bemerkt, dass ich die Bar verlassen hatte. Bevor er es doch merkte und mein Zeitfenster sich schloss, zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte Hunters Nummer.
Red, es ist nach Mitternacht an einem Mittwoch. Warum bist du immer noch wach?" fragte er ohne Begrüßung. „Weil ich dich vermisse." antwortete ich ehrlich, ebenfalls ohne Begrüßung.
„Du solltest längst schlafen. Du hast morgen eine Vorlesung." tadelte er mich. „Nun, ich schlafe definitiv nicht." lachte ich schrill und deutlich betrunken, aber das war nichts Neues, weder für ihn noch für mich. Seit ich vor 3 Monaten hier her kam war ich fast jeden Abend betrunken, es war der einzige Weg es auszuhalten ohne durchzudrehen.
„Wo bist du? Warum klingt es so, als wärst du draußen?" Mir wurde kurz warm, weil er sich noch immer um mich sorgte, das hörte ich in jedem Wort.
„Weil ich es bin. Jean und Rose haben mich auf einen Drink mitgenommen in diese Bar unweit des Campus, sie ist schäbig aber der Tequila ist echt gut."
Jean und Rose waren zwei meiner Mitstudentinnen, die Owen zum Glück für so vertrauenswürdig und harmlos hielt, dass er mich allein mit ihnen losziehen ließ. Naja, fast allein, immerhin war Dario da, aber der zählte nicht.

Red, bitte sag mir, dass du gerade nicht allein draußen bist. Bitte sag mir, dass deine Freundinnen direkt neben dir auf ein Taxi warten oder noch besser, sag mir das wenigstens Dario in deiner Nähe ist und seinen verfluchten Job macht."
Ich antworte nicht. „Giorgia!!!"
Scheiße.
Das war sehr wütendens Giorgia.
„Der Empfang ist wirklich schlecht. Ich denke, ich muss dich später zurückrufen." sagte ich schnell, doch er war schneller „Leg auf und sieh was passiert, Red". warnte er mich und ich biss sofort an. „Was würdest du tun, wenn ich auflegen würde? Du bist hunderte Meilen entfernt. Würdest du hier her fliegen, nur um mich zu bestrafen?"
Fuck, was zum Teufel war in diesen Drinks?
„Hast du wieder getrunken?"
„Nein."
„Du bist eine schreckliche Lügnerin, Red. Sag mir, wie viel du getrunken hast." Das war keine Bitte. „Ich habe nicht mitgezählt." antwortete ich und merkte selbst, wie betrunken ich klang. „Du bringst mich verdammt nochmal um. Ich möchte, dass du wieder hinein gehst. Warum bist du überhaupt rausgegangen?." Er klang so müde und gestresst, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, doch das hielt mich nicht davon ab, das Spiel weiter zu treiben, denn diese kleinen Schlagabtausche am Telefon mit ihm waren seit Wochen das einzige was mich durchhalten ließ, abgesehen vom Alkohol.

„Es war zu heiß auf der Tanzfläche. Ich kann nicht wieder hineingehen, bis ich mich abgekühlt habe." Ich hörte ihn fluchen. „Trägst du wenigstens eine Jacke?" Ich schwieg, was ihm Antwort genug war. „Du bist im verfluchten Kanada Red. Es muss eiskalt draußen sein."
„Mir ist nicht kalt."
„Geh rein, Giorgia. Jetzt"
„Wenn ich wieder rein gehe, muss ich auflegen". sagte ich schmollend und spielte so meinen letzten Trumpf aus. „Es macht mir eine Scheiß Angst zu wissen, dass du gerade allein da draußen bist. Bitte geh wieder rein, Red. Dario soll dich zu euch nach Hause bringen. Sofort. Ich rufe dich an, sobald du zu Hause bist."
„Versprochen?"
„Versprochen"
„Wenn du mich nicht anrufst, komme ich nach Chicago und trete dir in den Arsch." drohte ich ihm und hörte sein tiefes Lachen. „Das glaube ich dir sofort, jetzt geh, wir hören uns später."

Ich legte auf und ging wieder hinein, so wie er es wollte. Allerdings kam ich nicht weit. Ein ziemlich nervöser Dario kam mir mit hochrotem Kopf entgegen und umfasste meinen Arm. „Wir gehen. Sofort" Ich verdrehte die Augen. Das war ganz klar Hunters Werk.
Sobald wir zuhause waren, zog ich meine Heels aus und war gerade dabei mein Kleid zu öffnen, als mein Handy klingelte. „Hallo?"
„Hast du es sicher nach Hause geschafft?"
„Tu nicht so, als hätte Dario dich nicht sofort angerufen, als ich die Treppe hinauf ging. Was machst du mit diesem armen Jungen? Er hatte eine Scheiß Angst, mich nach Hause zu fahren. Du bist ein echter Tyrann. Hast du schon von Moral am Arbeitsplatz gehört?" fragte ich. „Die Betrunkene Giorgia ist ganz schön gemein." sagte er lachend und ich liebte das Geräusch. „Die Betrunkene Giorgia ist bloß ehrlich." antwortete ich. Hunter seufzte. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich war mir sicher, dass er die Augen verdrehte.
„Woran denkst du?" fragte ich leise in die Stille hinein. „Ich denke darüber nach, wie viel Stress du mir heute Abend verursacht hast. Ich wäre fast zu dir geflogen, nur um sicherzustellen, dass du in Sicherheit bist."
„Ich wünschte, du hättest es getan." sagte ich ihm ehrlich. „Warum?"
„Weil du wirklich heiß bist, wenn du wütend bist"
Red." warnte er mich drohend, doch ich machte weiter. „Ich meine es ernst. Vor ein paar Tagen bin ich so hart gekommen während ich darüber nachdachte, was du mir an tun würdest, wenn ich dich mal wieder verärgeren würde,  so wie früher"
Hunters Atmung wurde lauter. Erregter. „Wie oft hast du es dir selbst gemacht und an mich gedacht, seit du an der Uni bist?" Ich antworte nicht, ich wusste, dass ihn mein Schweigen als Antwort nur noch verrückter machen würde.

Red?"
„Ja?"
„Wo ist er heute?" Er musste nicht sagen wen er meinte, wir wussten es beide. „Er ist mit seinem Kumpel Anderson unterwegs, wo genau weiß ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig oder? Wichtig ist nur das er nicht hier ist. Ich bin ganz allein" Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich wusste, dass er sich gerade übers Gesicht rieb und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten, doch er war bereits zu sehr in unserem klein Spiel gefangen, als das er aussteigen konnte. Oder wollte. Alles was er brauchte war ein weiterer kleiner Schubser. „Hunter ich brauche dich wirklich."
„Warum brauchst du mich, Red? Was willst du? Antworte mir, was brauchst du?"
„Ich brauche dich, okay?"
„Sag es noch einmal Giorigia"
„Ich brauche dich bitte. Ich will dich Hunter"
„Du willst mich? Bist du sicher?"
„Ich bin mir sicher"
„Du wünschtest, du würdest es dir jetzt selbst machen, während ich zuhöre, weil du weißt wie sehr es mich quält zuhören wie du stöhnst ohne dich berühren zu können, hab ich nicht recht Red?" Wieder antwortete ich ihm nicht, er kannte meine sowieso Antwort. „Fuck... na los geh ins Schlafzimmer, zieh das Kleid aus und lass mich hören wie hart du kommst, während du an mich denkst"

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