Kapitel 66

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Hunter hatte nicht zu viel versprochen. Das komplett weiß gestrichenen 2 stöckige Haus am Ufer des Lake Michigan strahlte genau das aus, was er beschrieben hatte: Heimat.
Das hier war nicht bloß ein Haus, es war ein Zuhause. Es war sein Zuhause und ich fühlte mich merkwürdig geehrt, dass er es mir zeigte. Mehr noch als das. Er bot an, es zu meinem eigenen Zuhause zu machen, wenn auch nur für ein paar Tage.
„Kommst du rein? Oder willst du ewig da unten stehen bleiben?" Hunter beugte sich von oben über die Brüstung des Balkons zu mir runter. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass er die kleine Wendeltreppe schon hochgelaufen war, die zu seinem Appartement im Obergeschoss führte, geschweige denn, dass er vorher unsere Koffer von der Ladefläche seines Pick ups geholt hatte. Der Anblick des friedlichen Sees mit seiner glitzernden Oberfläche hatte mich so gefangen genommen, dass ich für den Augenblick alles vergaß.
„Ich komme schon" rief ich zu ihm hoch, woraufhin er wieder ins Innere des Hauses verschwand. Von einer plötzlich in mir brennenden Neugier erfasst eilte ich die Treppen hinauf, um endlich auch das Innere seines Hauses zu sehen und wurde nicht enttäuscht. Alles hier drin strahlte Hunter aus, anders konnte ich es nicht beschreiben. Die dunklen Möbeln, in Kombination mit den Dielen und den vielen Kissen auf der Ledercouch, die in all diese kühle maskuline Welt eine ungeahnte Weichheit brachten, spiegelten ihn ebenso wieder, wie die diversen Bilder an den Wänden.

Es waren ausschließlich schwarz weiß Fotografien, die auf den ersten Blick wirkten wie ganz normaler Portraits und Landschaftsaufnahmen, doch bei näherem betrachten sah ich, dass sie alle aus seiner Zeit beim Militär stammen mussten. Es gab Bilder von Soldaten, die in einer Art Graben saßen und Karten spielten, dann gab es Bilder von Wüstenlandschaften die aussahen, als wären sie kilometerweit von jeglicher Zivilisation entfernt, ein Bild zeigte in einer detaillierten Nahaufnahme die Hand eines Soldaten, der eine Waffe umfasste und zwischen all den beeindruckenden Bilder hing eins, dass weniger von dem ästhetischen Charme der anderen Aufnahmen hatte und doch war es genau dieses Bild, dass mich fesselte.
„Bist du das?" fragte ich ungläubig und strich gleichzeitig mit der Fingerspitze über die Konturen des jungen Mannes, der dort oben ohne mit ein paar anderen jungen Männern in einem Fluss stand und Wasser schöpfte. Das Lachen auf dem Gesicht der Männer passte nicht zu der Umgebung und schon gar nicht zu der Arbeit die sie verrichteten, denn man sah wie anstrengend es war, doch das schien sie nicht zu stören.
„Ja das bin ich. Das war auf einem Einsatz in Mali, ich glaube ich war damals kaum älter als 20. Man das ist echt Jahre her" er klang müde, aber auch nostalgisch. Ich bildete mir ein herauszuhören, dass dieses Bild trotz allem eine schöner Erinnerung für ihn war.
„Wer hat das Bild gemacht?" Hunter trat hinter mich, griff nach dem Bild und nahm es von der Wand. „Billy. Er hat damals zusammen mit mir angefangen. Wir haben alle Einsätze gemeinsam gemacht, das schweißt zusammen weißt du? Obwohl er mit die meiste Zeit echt auf den Sack gegangen ist,  war er wohl sowas wie ein Freund, schätze ich." Der Schmerz in seiner Stimme ließ mich fast aufkeuchen. Bevor ich fragen konnte, woher dieser Schmerz kam, erklärte er es. „Er starb auf einer Kontrollfahrt, die ich eigentlich machen sollte, doch ich war noch unterwegs, auf einer Mission von der niemand wissen durfte. Er sprang ein, um mich zu decken. Sie waren kaum 10 Minuten unterwegs, da traf sie eine Rakete. Ich habe die Explosion vom Lager aus gesehen. So schnell ich konnte fuhr ich los, ohne auf den Einsatz oder gar Unterstützung zu warten. Ich war der Erste am Unfallort, doch es nützte nichts. Ich konnte nichts mehr tun. Es gab keine Überlebenden."

Er sah das Bild noch einen Moment an, ehe er es zurück an die Wand hing. „Es tut mir leid." flüsterte ich, doch er winkte ab, die Miene wieder so verschlossen wie immer. „Wir waren dort nicht im Urlaub, Giorgia. Es herrschte Krieg. Im Krieg sterben Menschen. So ist das nun mal"
Mit einem gleichgültigen Zucken seiner Achseln lief er zurück in die kleine Wohnküche, doch ich wollte das Gespräch noch nicht enden lassen. Mein Blick lag weiter auf der Wand voller Fotos, als ich fragte „Sind all die Bilder von ihm?" Hunter sah zu mir, er schien kurz irritiert das ich noch immer bei der Bilderwand stand und noch mehr über meine Frage. „Nein. Nur das eine. Die anderen..." er stockte kurz, dann nuschelte er schnell „Eine Freundin hat sie gemacht." und ohne mir die Zeit für eine Nachfrage zu lassen, redete er einfach weiter „Willst du was essen? Wir müssten morgen erst einkaufen, aber ich könnte was bestellen. Im Kühlschrank liegt sicher noch ein Bier oder auch was anders, wenn du..." er öffnete die Tür und stöhnte auf „Verfluchte Violet"

Da ich nicht gleich verstand was er meinte, lief ich zu ihm und sah an ihm vorbei, dass der Kühlschrank nicht nur voller Getränke, sondern auch voller Essen war. „Wie es aussieht, hört diese Violet nicht besonders gut auf dich" scherzte ich, griff an ihm vorbei nach einer Schale mit Erdbeeren und ging mit ihr zur Fensterfront, von der aus ich einen umwerfenden Blick auf den See hatte. Die Ruhe die er ausstrahlte, war so fesselnd, dass Hunter und all meine Frage zu seinem Leben mit einem Mal in den Hintergrund traten. Mit geschlossenen Augen atmete ich ein paar mal tief durch und spürte, wie der Druck mit jedem Atemzug von mir abfiel.
„Also soll ich uns was kochen? Oder reichen dir die Erdbeeren?" Kurz zuckte ich zusammen, als Hunters Stimme so dicht hinter mir auftauchte, dass ich seinen Atmen auf meiner Haut spürte. „Ich habe keinen großen Hunger. Die Erdbeeren reichen." flüsterte ich, weil meine Kehle wie zugeschnürt war, als sich im selben Moment in dem ich sprach, seine Hände auf meine Hüften legten. Sofort sah ich hinab, sah wie seine kräftigen Finger meine schmale meine Taille umfassten und sich vorne mit den Fingerspitzen berührten.
„Du bist so dünn... Du solltest mehr essen als das" seine Hände fächerten auf, strichen über meinen flachen Bauch und dann hinauf, bis sie an den Ansätzen meiner Brüste ankamen. Mein Kopf fiel zurück gegen seine Brust, als er federleicht über die Wölbung strich, ohne sie richtig zu berühren. Es war wie die süßeste Folter, dennoch wollte ich nicht das es endet.
„Hunter..." wisperte ich, Verlangen und Verzweiflung tobten in mir, genau wie in ihm. „Ich weiß Red. Ich will es auch. Fuck Ich will es so sehr, aber..." sofort wirbelte ich herum, die Lust war wie weggewischt und wurde von einer unbändigen Wut ersetzt. „Aber was?! Was für eine absurde Ausrede hast du jetzt wieder hm? Wir sind allein, das hier ist dein Haus, niemand wir uns stören und du weißt, dass ich es auch will, obwohl du mich mehrfach aufgeklärt hast, wie kompliziert das hier alles wird, habe ich dir versichert das ich es will. Das ich dich will! Ich habe dir meine Herz ausgeschüttet, habe alle Karten auf den Tisch gelegt und du? Du stößt mich wieder weg? Im Ernst?! Was ist es diesmal für eine lächerliche Sache, wieso du mich nicht endlich so berühren kannst, wie wir es beide wollen und brauchen?!" schrie ich ihn an, was sicher übertrieben war, doch ich konnte nicht anders. Ich war diese ständig hin und her satt, eigentlich dachte ich wir hätte es hinter uns gelassen, doch das war wohl ein Irrtum.

„Du wurdest vor knapp 24 Stunden fast vergewaltigt Red." Seine Stimme war bemüht nüchtern, doch in seine Augen loderte ein Feuer, dass er nicht vor mir verbergen konnte. Oder wollte.
„Du hattest keine Gelegenheit das zu verarbeiten, ich will einfach nicht..."
Ich trat vor und küsste ihn, ehe er mehr sagte. „Ich habe es dir gestern schon gesagt: Das was er getan hat, hat nichts mit uns zu tun. Tu das nicht ja? Hol ihn nicht hier her. Lass nicht zu, dass er das hier zerstört, Hunter. Ich weiß, was ich tue und ich weiß was ich will. Ich will dich. Und ich will nicht mehr warten"

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt