Kapitel 92

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Jedes einzelnen Wort das den Mund meines Onkels verließ, rammte das Messer tiefer in mein eh schon blutenden Herz und brachte meine Welt mehr und mehr zum Einsturz.
„Du... du wusstet davon?" presste ich heraus. Bitterkeit flutete meinen Mund, als die Worte ihn verließen. Das war unmöglich. Hunter konnte nichts davon von all dem hier gewusst haben oder noch schlimmer, es sogar mit indiziert haben. Das würde er mir nicht antun. Nicht nach allem was zwischen uns war. Nicht wenn er auch nur halb so viel für mich empfand wie ich für ihn.
„Ja... also Nein... ich wusste nicht, dass er dich an ihn.... Ich wollte doch nur.... Fuck!!!" Hunter brüllte auf wie ein verletztes Tier, verzweifelt weil er seinen Verrat an mir, nein an uns, nicht in Worte packen konnte. Oder wollte.
Sofort machte ich mich los von ihm, ich wollte noch immer nichts mehr als von hier weg, aber ganz plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich mit Hunter fliehen wollte.
Er hatte mich verraten.
Er hatte das hier mitzuverantworten.
„Wie konntest du nur?" Ich weinte, aber das war mir egal. Jeder hier konnte meine Tränen ruhig sehen, sie alle sollten sehen, was sie mir antaten. Sie sollten sehen, wie jeder einzelnen mich mit seiner Beteiligung an diesem ebenso absurden wie grauenhaft Plan zu Grunde richtete.

Hunter packte mich, seine Hände griffen nach meinen Armen, verzweifelte erklärte er „Red bitte, das hier ist ganz gewiss nicht das, was ich wollte. Ich wollte dich in Sicherheit wissen, mehr nicht" Aufgebracht schlug ich seinen Hände weg. „Ich war in Sicherheit! Bei dir!" Ich wollte die Worte schreien, doch sie kamen bloß als gebrochenes Wispern heraus, was wohl auch besser so war, immerhin war mein Onkel in Hörweite. Das schien auch Hunter bewusst zu sein, denn auch wenn ich sah, dass er mir gerade alles sagen wollte was in ihm vorging, blieb er mit seiner Erklärung so nebulös wie es ging. „Ich wollte das nicht. Das musst dir mir glauben Red. Ich wollte nie, das er dich an einen Mann wie Owen gibt oder an sonst wen. Ich wollte nur, dass du dein Leben leben kannst, so wie du es verdienst und ich weiß, dass du das in Chicago niemals tun werden kannst, deshalb bat ich deinen Onkel dich fortzuschicken. Du solltest an eine Universität weit weg von dem hier gehen, aber an eine von denen, die du dir selbst ausgesucht hattest, nicht an eine die er oder sonst wer dir auf zwingt. Und vor allem solltest du allein gehen dürfen. Du solltest frei sein Red. Das war alles was ich für dich wollte und dafür werde ich kämpfen."

Ein lautes, absolut ironisch klingelndes Klatschen erfüllte die Stille der Eingangshalle. „Tolle Ansprache O'Brien echt. Mir kamen fast die Tränen, wirklich. Aber du wirst einen Scheiß tun, hast du verstanden?" drohte mein Onkel ihm ganz offen und erinnerte damit uns alle daran, mit wem wir hier in meinen Zukunft stritten. „Das hier, dieser Deal und alles was damit zu tun hat, geht dich einen verfluchten Scheiß an. Du bist nichts weiter als ihr verfickter Bodyguard und du hast dieses Job nur bekommen, weil du zufällig Amerikaner bist und ich es meiner Nichte leicht machen wollte. Sie ist mir nicht so egal wie du oder sie glauben mögt. Wenn sie sich erst beruhigt hat und sich eine Sekunde Zeit nimmt, wird auch sie erkennen, das dieser Deal für sie nicht so grausam ist wie sie es jetzt vielleicht empfindet."

Domenico setzte sich in Bewegung, bis er bei Hunter ankam, der mich immer noch mit seinem Körper abschirmte, selbst als mein Onkel direkt vor ihm stand, trat er nicht zu Seite.
„Tritt bei Seite O'Brien. Geh zurück auf deinen Platz oder..." Mein Onkel machte eine seiner typischen Kunstpausen, die seinen Worten mehr Dramatik verliehen, doch heute hatte Hunter keine Geduld abzuwarten, bis mein Onkel weiter sprach „Oder was? Willst du mich dann umbringen? Bitte dann zu es doch!" provozierte Hunter ihn. Mein Herz setzte aus.
War er jetzt komplett irre?
Sein Leben war eh schon in Gefahr, warum reizte er mein Onkel weiter?
Ich brachte mich in Position, bereit, zwischen die Männer zu treten, wenn es nötig werden würde. Auf keinen Fall würde ich tatenlos zusehen, wie sich Hunter eine Kugel einfing. Nur über meine Leiche. Wenn es sein musste eben sogar wortwörtlich.

„Sei nicht albern O'Brien. Ich töte dich nicht, das wäre dumm und absolut schädlich fürs Geschäft, denn wir wissen beide, dass du mir als Killer mehr nützt als als Leiche. Nein ich werde dich nicht töten. Ich werde sie töten."
Mir entwich ein panisches Keuchen, das ich schnell mit einer Hand vor dem Mund versuchte zu unterdrücken. „Du.... Du würdest deine eigene Nichte töten, nur um mich für meinen Ungehorsam zu bestrafen?" Hunter hörte sich so schockiert an wie ich mich fühlte.
„Gott nein spinnst du?" Mein Onkel lachte.
Er LACHTE.
Wie irre war meinen Familie bitte?
„Ich rede nicht von Giorgia. Sie werde ich sicher nicht töten, das wäre noch dümmer als dich zu töten, von dem familiären Aspekt mal ganz abgesehen. Nein ich spreche nicht von meiner Nichte, sondern von Phoebe"

Was dann geschah war für mich kaum zu ertragen. Während ich mir augenblicklich den Kopf darüber zerbrach, wer diese mysteriöse Phoebe war und warum ihr Tod Hunter mehr kümmern würde, als ich es tat, fiel er vor meinen Augen in sich zusammen. Seine sonst so breiten Schultern sackten kraftlos nach vorne, genau wie sein Kopf. Es schien als würde ihn sämtliche Kraft verlassen. Er kapitulierte.
„Bitte Domenico" flehte er mit plötzlich dünner Stimme. Es war das erste Mal, dass ich Hunter oder sonst einen von seinen Männer meinen Onkel beim Vornamen nennen hörte.
„Das ist grausam, selbst für dich. Du... kannst nicht von mir erwarten zu wählen."
Der rechte Mundwinkel meines Onkels zuckte, als seine Maske kurz verrutschte und er uns allen zeigte, wie sehr er dieses Machtspiel genoss. Es amüsierte ihn köstlich über Leben und Tod zu entscheiden wie ein verdammter Gott, dass war überdeutlich. Selbst als das Lächeln von seinen Lippen verschwand veriet ihn noch immer das teuflische Funklen in seinen Augen „Und wie ich das kann. Es liegt bei dir O'Brien. Phoebe oder Giorgia. Du kannst nur eine retten"
Und schon wieder war ich Teil eines Tribunals in dem über mein Schicksal entschieden wurde ohne das ich genau wusste was hier genau ablief oder auch nur den Hauch eines Mitspracherechtes hatte. Alles was mir blieb war abzuwarten und zu beten. Und noch während ich ein stummes Stoßgebet Richtung Himmel schoss hörte ich die Worte, die mich für immer vernichten würden.
„Es tut mir leid, Red"

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt