Kapitel 97

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„Das ist nicht akzeptabel" knurrte Hunter und brachte in diesen 4 Wörter seiner gesamtes Hass unter, den er gerade ganz offensichtlich empfand. „Du wolltest ein Zimmer in ihrer Nähe. Das ist ein Zimmer in ihrer Nähe." antwortete Owen gelangweilt, ihn schien Hunters Problem ungefähr so viel zu kümmern wie der Nichtvorhandene Dreck unter seinen perfekt manikürten Fingern.
„Das Zimmer ist sprichwörtlich am anderen Ende des Gebäudes. Wie zur Hölle soll ich schnell genug zu ihr gelangen, wenn sie in Gefahr ist?" schnauzte Hunter zurück. „Zu erst einmal ist sie hier in einem der besten und angesehensten Hotels der Stadt, das 24 Stunden von einem Sicherheitdienst bewacht wird. Die Chance, das hier eine Horde Verbrecher einfällt und ihr was antut, ist also dementsprechend gering." Wie Owen mit ihm sprach gefiel mir nicht. Er behandelte ihn so abfällig, dass ich am liebsten dazwischen gegangen wäre, doch ich tat es nicht. In erster Linie weil ich an Brio denken musste und was ihm meine Einmischung gebracht hatte. Ich hatte Hunter auf der Fahrt hier her gefragt, ob er schon was von ihm gehört hatte, das hatte er in der Tat, doch auf meine Frage hin wie es ihm ginge, hatte Hunter lediglich mit einem „Er lebt" geantwortet, was Antwort genug war. Ich fühlte mich schlecht, weil man Brio wehgetan hatte, bloß weil er mir einen Gefallen tun wollte. Diesen Fehler würde ich nicht nochmal machen, deshalb mischte ich mich in den Machtkampf der beiden nicht ein, obwohl alles in mir Hunter zur Seite springen wollte.
„Crowells Leute sind nicht irgendwelche Verbrecher. Giorgia hat im Haus eines Mafiabosses gelebt, dass voll von Sicherheitskräften war und wäre trotzdem fast vergewaltigt und entführt worden." schoss Hunter zurück und ich zuckte zusammen. Das er das auf den Tisch brachte hatte ich nicht erwartet.
Ob Owen wohl davon wusste?
Wie viel hatte mein Onkel ihm und seinem Vater erzählt, bevor er mich an sie verkauft hatte?

„Ach und unter wessen Schutz stand sie da doch gleich? Unter deinem oder nicht?" provozierte Owen Hunter. Ich schnappte nach Luft und sah zu Hunter. Fast rechnete ich damit, das Hunter ihn gegen die nächste Wand werfen würde und ihm an die Gurgel ging, doch er ballte bloß die Faust und presste zwischen zusammengebissen Zähnen hervor. „Das ist ein Fehler, der mir kein zweites Mal passieren wird. Genau deshalb will ich in ihrer Nähe sein. Rund um die Uhr"
„Und das wirst du ja auch. Das Zimmer liegt direkt am Anfang dieses Korridors, der nur über den privaten Auszug zu erreichen ist. Wenn also jemand es hier unbefugt herauf schafft, wirst du der erste sein, der es hört." So wie er das sagte, klang es als wollte er ihm die Wange tächeln, doch selbst Owen schien in all seiner Überheblichkeit noch etwas gesunden Menschenverstand zu besitzen und tat es glücklicherweise nicht. Hunter kochte auch so schon, was sicher nur zum Teil an der nicht idealen Lage seines Zimmers lag, sondern vor allem daran, dass er mich jetzt hier her gebracht hatte. Seine trüben Augen zeugten deutlich davon, wie sehr ihn das alles hier zermürbte.

Nur Owen schien nichts von der angespannten Stimmung zu bemerken oder es war ihm schlichtweg egal, denn er lächelte und klatsche viel zu fröhlich in die Hände, ehe er verkündete „So da das ja jetzt geklärt ist, würde ich meiner Verlobten gerne endlich ihr Zimmer zeigen, wenn es dir nichts ausmacht"
Eine Antwort wartete Owen nicht ab, sondern legte seinen Hand auf meinen Rücken und schob mich förmlich den langen Korridor entlang Richtung meines Zimmers. Mit jedem Meter den wir gingen wurde mir schmerzlich bewusst, wie weit Hunter sich entfernte. Ich verlor ihn, es war wirklich vorbei. Das Bild war so perfekt in seiner Symbolik, dass ich mir vorkam wie in einem schlechten Film.
Hunter, die Liebe meines Leben, wie er da stand, am Ende des dunklen Flurs und immer kleiner wurde und dann diese Tür, diese verdammte Tür hinter der meine Zukunft wartete. Eine Zukunft die ich nie wollte und doch antreten würde, sobald ich diese Tür passiert hätte. Sie kam unaufhörlich näher, während in mir alles schrie nicht durch sie zu treten. Das Gebrüll in mir wurde so laut, dass ich mir sicher war, dass Owen es hören würde.
Oder Hunter.
Irgendwer musste es doch hören und mit helfen. Doch das tat niemand.
Owen ließ mich los, aber nur um nach der Türklinke zu greifen, dann hielt er sie mir auf und sagte lächelnd „Willkommen zuhause Darling"

Mit einem letzten verzweifelten Blick sah ich über die Schulter zu Hunter, irgendwie hoffte ich noch immer, dass er doch noch einschreiten würde. Ich meine ja er musste seine Schwester und seinen Neffen beschützen, ich verstand das, aber er hatte auch versprochen mich zu beschützen. Er hatte es mir versprochen verdammt und ich hatte es ihm geglaubt. Nur deshalb sah ich noch einmal zurück, sah zu ihm in der Erwartung ihn mit gezogener Waffe oder wenigstens erhobenen Fäusten den Flur hinab rennen zu sehen, doch er stand bloß da, immernoch neben der Tür zu seinem Zimmer und blickte nur zu uns, die Miene vollkommen undurchschaubar.
Er würde nicht kommen.
Er würde mich wirklich nicht retten.

Das war der Moment in dem ich begriff, was Hunter vorhin schon begriffen hatte. Ich hatte gelogen. Ich hatte ihn belogen und mich selbst, denn ich verstand es nicht.
Ich verstand nicht, wie er das hier zulassen konnte, nach allem was wir zusammen erlebt hatte.
Ich verstand es nicht, wie konnte er einfach zusehen, wie ich gegen meinen Willen an einen anderen Mann übergeben wurde, wenn er auch nur die Spur an Gefühlen für mich hatte?
Plötzlich spürte ich, wie mein Inneres kalt wurde und gleichzeitig ein Feuer in mir entfachte, das mich zu versengen drohte. Ich kannte das Gefühl, doch ich hatte es ewig nicht so brennend gespürt und schon gar nicht in Bezug auf Hunter.
Das Gefühl war Hass.
Alles versengender glühend heißer Hass.
Hass auf Hunter. Ich hasste ihn mit einer Urgewalt, die alles mit sich riss was wir hatten.
Ich hasste ihn für sein Versagen.
Ich hasste ihn für seine Schwäche.
Ich hasste ihn für sein Schweigen.
Ich hasste ihn für seine Unfähigkeit mich zu retten.
Ich hasste ihn, weil er uns aufgab.
Ich hasste ihn, weil er mich aufgab.
Ich hasste ihn, weil ich ihn liebte.

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