Kapitel 34

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„Verrätst du mir jetzt, was da drin gerade passiert ist?" Hunter Stimme war sanft, aber dennoch bestimmt. Wir saßen in seinem Wagen, entgegen des üblichen Protokoll hatte er mich nach vorne auf den Beifahrersitz gesetzt, statt wie üblich nach hinten. Ich hatte nicht protestiert, zum einen weil ich immer noch gefangen in meiner Panikattacke war, zum andern weil ich ihn so näher sein konnte. Seine Nähe war magisch, er sorgte dafür, dass ich nicht den Halt verlor. Nachdem er selbst eingestiegen war, legte er seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel, genau dorthin wo mein Rock endete und meine nackte Haut begann. Ganz langsam malte er kleine Kreise auf meine Haut, immer wieder.
Mit geschlossenen Augen saß ich da, vollkommen fokussiert auf das Gefühl seiner rauen Hand auf meiner weichen Haut. Diese Berührung... das war wieder etwas, dass er tat, obwohl er es nicht sollte. Wieder so eine Berührung, die ausdrückte, dass er mich mochte und mich entgegen all meiner Zweifel und Bedenken erkennen ließ, das auch ich ihn mehr mochte, als ich sollte. Genau deshalb sollte ich ihn bitten aufzuhören, doch gerade fühlte es sich zu gut an. Zu richtig.

„Er weiß es" murmelte ich, die Augen immer noch geschlossen, denn hier drin war ich sicher. Hier in der Dunkelheit gab es nur mich. Mich und Hunters raue und gleichzeitig so sanfte Finger.
„Was weiß er?" Als Außenstehender wäre einem die Veränderung in Hunters Stimme nicht aufgefallen, doch mir entging sie nicht. Er war in höchster Alarmbereitschaft, auch wenn er äußerlich wie immer vollkommen ruhig wirkte.
„Er weiß was mein Onkel ist. Oder besser was er tut. Dom wollte Maddox Vater treffen, doch der hat abgelehnt, weil er nichts mit den und ich uitotere schmutzigen Geschäften meines Onkels in Verbindung gebracht werden will" erklärte ich aufgeregt, doch Hunter teilte meine Aufregung wohl nicht. Er schien sich im Gegenteil sogar deutlich zu entspannen, während ich sprach.
„Deshalb bist du ausgeflippt? Weil Loverboy weiß, womit deine Familie ihr Geld macht?" fragte er ehrlich verwirrt. „Nimm mir das nicht übel Red, aber das ist doch nicht wirklich ein Geheimnis oder? Jeder in Chicago kennt den Namen Esposito und wofür er steht."
Seine Abgeklärtheit schürte meine Unsicherheit und vermischte sich mit meiner Panik. Für mich war es nämlich bis eben ein Geheimnis gewesen.
„Ist das wirklich so?" hakte ich leise nach, weil ich es nicht glauben wollte. Hunter nickte, sein Blick war mitleidig, aber nicht verächtlich. „Es tut mir leid Red, ich wusste nicht wie schlimm das für dich ist, aber es ist wie es ist. Für jeden, der sich nur ein wenig mit dem Chicagoer Nachtleben auskennt, bist du in erster Linie die Nichte des mächtigsten Mannes der Stadt, eine mögliche Erbin des Imperiums vielleicht sogar, je nachdem, ob deine Mutter auf ihren Platz an der Spitze der Familie bestehen wird oder nicht. So oder so, du gehörst dazu, ganz egal wie dein Nachname ist oder wie wenig du wie eine typische Italienerin aussieht. Für sie alle bist du eine Esposito"

Noch während er sprach, rollte mir eine Träne die Wange runter. Ich wollte das alles nicht, ich wollte nicht mal hier sein. Das war nicht das Leben das ich wollte. Naiv wie war hatte ich bis eben geglaubt, dass ich es auch nicht führen müsste, wenn ich nicht wollte. Sobald ich an die Uni konnte, wollte ich alles hinter mir lassen und solange dachte ich, dass ich einfach unter dem Radar bleibe. Das das Geheimnis meiner Mafia Herkunft gar keins war riss mir den Boden unter den Füßen weg.
Für mich war diese Welt noch immer neu, ich hasste es, was meine Familie tat und ich hatte mich immer damit getröstet, dass sie es immerhin nur im verborgenen taten. Unter keinen Umständen wollte ich mit den Verbrechen meiner Familie in Zusammenhang gebracht werden. Ich war nicht sie, dafür hatte mein Vater gesorgt, indem er meine Mutter aus dem Sumpf der Esposito geholt hatte und uns so ein spießiges aber sicheres Leben in einer Vorstadt ermöglicht hatte. Mein Vater hatte dieses Leben nicht für uns gewollt und doch waren wir jetzt wieder hier.

In Gedenken an meinen Vater hatte ich mir geschworen, mich so weit wie möglich von allem fernzuhalten, was mit den Machenschaften der Espositos zu tun hatte. Wir hatten in den letzten Monaten vor seinem Unfall oft darüber geredet, wie mein Leben verlaufen sollte und wie es nicht verlaufen durfte. Ich hatte ihm geschworen, dass ich mich nicht von den Versuchungen locken lassen würde, die mir ein Leben als offizielles Mitglied der Familie meiner Mutter bieten würde. Diesen Schwur habe ich ihm gerne und mit reinem Herzen gemacht, denn ich wollte dieses Leben nicht. Ich wollte nichts von alle dem hier, auch den Luxus nicht, denn das alles war nichts weiter als Blutgeld. Man bezahlte einen Preis für dieses Leben. Ich sah es jeden Tag an meiner Mutter, wie sie es mehr kaputt machte, dass sie zurück Zuhause war.

„Ich bin nicht wie sie" schluchzte ich. „Ich will das nicht. Bitte ich will das nicht"
Hunter lenkte den Wagen an den Straßenrand und stoppte den Motor. „Du hast keine Wahl fürchte ich. Die Maschinerie läuft unentwegt, du bist nur ein Rädchen in ihr, genau wie ich. Wir haben keine Wahl, wir drehen uns mit ihr oder wir werden von ihr zermalmt. Ich würde dir gerne was anders sagen, aber das kann ich nicht. Das ist die bitter Wahrheit, Red. Es wird kein Zurück für dich geben. Keine Ahnung wie dein Vater es überhaupt geschafft hatte, euch so lange von allem fern zuhalten, aber das wird nicht wieder geschehen. Der Boss wird euch nicht mehr gehen lassen, schon gar nicht dich. Du bist zu wertvoll für die Familie. Möglich das er dich studieren lässt, vielleicht lässt er dir auch noch ein paar Jahre, um die Illusion eines eigenen Lebens aufzubauen, aber das alles wird nicht von Dauer sein und auch nur unter den Augen von Männern wir mir. Der Boss wird früher oder später einen Platz im Imperium oder eine Aufgabe für die Stärkung der Familie finden, für die er dich braucht. Und dann wird er dich einfordern, er wird dich dort platzieren, wo es den meisten Nutzen für die Familie hat und du wirst gehorchen, weil es dein Pflicht gegenüber der Familie ist."

Jedes seiner Worte klang wie die schlimmste Dystopie, doch ich erkannte, dass er die Wahrheit sagte. Hunter war der erste, der mir endlich ungeschönt die ganze vernichteten Wahrheit meines Schicksals als Teil einer Mafia Familie offenbarte. Ungefiltert und in all seiner Grausamkeit.
„Danke" schniefte ich. Mit großen Augen sah er mich sichtlich irritiert an. „Wofür?"
„Dafür das du ehrlich zu mir bist, das bedeutet mir viel, denn das ist sonst niemand." Er sah nicht begeistert aus, nickte aber zustimmend. „Einer musste es mal sein denke ich. Deine Naivität ist schockierend. Niedlich irgendwie ja, aber vor allem schockierend" lockerte er die Stimmung mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Versprichst du mir was?" fragte ich „Bleibst du bei mir, egal wozu mein Onkel mich benutzt oder wo er mich hinschickt, bleibst du bei mir und passt auf mich auf?" Meine Stimme bebte, all die Angst die ich in Hinblick auf meine Zukunft empfand schlug auf mich nieder und etwas sagte mir, dass ich es ohne Hunter an meiner Seite nicht schaffen würde dieses Leben zu führen, deshalb wurde meine Bitte eher zu einem Flehen, doch dafür schämte ich mich nicht nicht vor Hunter der seine Hand mit meiner verschränkte und sofort erwiderte „Ich bleibe bei dir, Red. Versprochen"

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