Kapitel 5

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„Sehe ich denn nicht alt genug aus?" erwiderte ich keck ohne mich von seinen Worten einschüchtern zu lassen. Oder es zumindest zu versuchen. Ein Korb, auch wenn es noch nicht wirklich einer war, war etwas, dass ich nicht unbedingt gewohnt war.
Der Blick des Fremden glitt über mich, er scannte mich regelrecht während er sagte „Du versuchst zumindest so auszusehen, was dir gut gelingt zugegebenermaßen"
Stolz warf ich mein langes feuerrotes Haar über die Schulter „Danke"
Sofort wurde sein Blick ernst. „Das war nicht unbedingt als Kompliment gemeint" erklärte er, seine Zigarette noch immer im Mund. Diesmal trafen mich seine Worte. Er war...fies. Tja das konnte ich auch sein.
„Den meisten Männern hier gefällt es wie ich aussehe" keifte ich ihn an, was ihn wieder müde lächeln ließ. „Das mag daran liegen, dass die meisten Männer hier bloß Jungs sind" er klang belustig. Belustig wegen mir.
„Nun dann gehe ich mal zu einem dieser Jungs. Vielleicht hat ja einer von ihnen mehr Manieren und weiß, wie man mit einer Frau umgeht" Ich drehte mich auf meinen Prada Heels um und wollte losstürmen, als eine große, raue Hand mein zartes Handgelenk umfasste und mich stoppte „Giorgia"

Mein Name aus seinem Mund klang wie ein Befehl und die schönste Versuchung gleichzeitig. Ich erschauderte und noch während ich mich gehorsam wieder zu ihm umdrehte, wusste ich, dass ich augenblicklich süchtig danach geworden war, wie er meinen Namen sagte. Es war die Art, wie seine Zunge mit den Buchstaben meines Namens zu spielen schien, während seine Stimme rau und wahnsinnig sexy jeden Buchstaben zu etwas formte, das so viel mehr zu sein schien, als der bloße Ausspruch meines Namens.
„Hier" er hielt mir seine Schachtel Zigaretten hin, es war ein Friedensangebot und eine Einladung gleichermaßen, die ich nur zu gerne ergriff. Ich steckte mir eine der Zigaretten zwischen die Lippen und noch ehe ich fragen konnte, flammte sein Feuerzeug vor meinem Gesicht auf. Der Rauch füllte augenblicklich meine Lungen, was mich beruhigte und mir die Chance gab, ihn nochmal genau anzusehen. Das intensive Blau seiner Augen war fesselnd, doch ich schaffte es mich von ihnen zu lösen und mir auch den Rest seines markantes Gesichts anzusehen. Er hatte eine starke Kieferpartie, die seine Knochenstruktur deutlich betonte, auch wenn der Bartschatten einiges verdeckte, sah ich, wie der Muskel zuckte, als er mich beobachte. Er wirkte seltsam angespannt, obwohl er gleichzeitig entspannt aussah.
„Du solltest das nicht tun" sagte er ruhig, als wäre es klar worüber er sprach. Das war es aber nicht. Nicht für mich. „Was genau? Rauchen?" fragte ich und blies ihm den Rauch entgegen.
„Auf solche Partys gehen, meine ich"
Meine Augenbrauen gingen hoch. „Warum nicht? Ich wüsste nicht was dagegen sprechen sollte, hier zu sein, immerhin ist das hier eine der angesagtesten Adressen in Washington und keine schmierige Absteige. Außerdem, bist auch auf einer solchen Party, wenn ich dich erinnern kann."
Er fing meinen Blick auf, „Nicht freiwillig" erklärte er mysteriös und ich verspannte mich unwillkürlich. Alles was dieser Mann sagte, machte ihn nur schwieriger zu durchschauen oder gar zu verstehen. Es war anstrengend mit ihm zu reden.
Warum tat ich mir das an?
Vielleicht sollte ich ihn einfach stehen lassen und zurück zu Alice gehen. Er sah gut aus, keine Frage, aber das taten die meisten Männer hier. Ich musste dieses Gespräch nicht zwanghaft versuchen am Leben zu halten. Ich konnte einfach gehen.

„Danke für die Zigarette" sagte ich lediglich und war schon ein paar Schritte von ihm weg, als mir etwas auffiel. Wie vom Blitz getroffen blieb ich stehen, drehte mich um und erschrak, weil er nicht mehr an der Wand gelehnt stand, sondern wie aus dem Nichts direkt hinter mir stand. Ich hatte seine Schritte nicht gehört, was vielleicht an der lauten Musik gelegen hatte, doch es sorgte dennoch für ein ungutes Gefühl in mir.
„Woher kennst du meinen Namen?" presste ich heraus, während seine eiskalten Augen auf mir lagen. Er schwieg, lange und einnehmend, was meine Angst schürte. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück, doch er war schneller und fasste wieder nach meinem Arm. Die Berührung seiner rauen Finger auf meiner weichen Haut brannte durch mich.

„Vielleicht sollten wir das besser unter vier Augen besprechen, Giorgia" erklärte er ruhig, doch ich teilte seine Ruhe nicht, ganz im Gegenteil. „Ich gehe ganz sicher nirgendwo allein mit dir hin du Creep" zischte ich während ich versuchte, aus seinem Griff zu kommen, was unmöglich schien.
„Lass mich los verdammt oder für wirst es bereuen" drohte ich, was ihn nur lächeln ließ. „Du bist niedlich, ehrlich, aber du hast keine Ahnung von Selbstverteidigung oder davon, wie wenig es die Menschen hier interessieren würde, wenn ich dich einfach von hier mitnehmen würde. Selbst wenn ich dafür Gewalt anwenden würde und du schreien würde, würde es sie wahrscheinlich kaum interessieren. Sie würden es für einen Streit unter Verliebten halten, oder vielleicht auch unter Geschwistern, je nachdem wie überzeugend jeder von uns seine Rolle spielt. Diese Menschen hier sind nicht deine Freunde, alles was sie interessiert ist ihr eigenes Leben und das der Champagner nicht ausgeht. Du bist ihnen egal, Mädchen verschwinden ständig ohne das es jemanden kümmert. Sie halten mich vielleicht für deinen eifersüchtig Ex oder dich einfach für eine Zicke. Egal was sie vielleicht denken, spätestens nach dem nächsten Shot haben sie dich und unseren kleinen öffentlichen Streit vergessen glaub mir. Ich weiß wovon ich rede im Gegensatz zu dir. Du hast keine Ahnung wie gefährlich die Welt sein kann für eine junge Frau wie dich"

Sein ganzer Monolog hatte meine Haut mit einer Gänsehaut überzogen, doch es war der letzte Satz, der mich zurück aus meinem Schock holte, denn ich hatte genau diesen Satz heute schon einmal gehört und zwar Wort für Wort.
„Er schickt dich oder?" fragte ich resigniert und gab meinen Widerstand augenblicklich auf. Der Fremde nickt knapp. „Kommst du jetzt freiwillig mit? Oder willst du das wir testen, wie sehr es deine Freunde wirklich interessiert, wenn du gegen deine Willen von hier verschleppt wirst?" wieder grinste er, doch seine Augen blieben kalt.
„Kann ich mich wenigstens kurz verabschieden?" Fast rechnete ich mit einem Nein, doch er zuckte lediglich mit der Schulter und sagte „Du hast 5 Minuten."

Es dauerte eine halbe Ewigkeit bis ich Alice in mitten der feiernden Menschen überhaupt fand. Als ich sie endlich entdeckte hing sie bereits am Hals eines Typen und säuselte ihm irgendwas ins Ohr, das ihn anzügliche Grinsen ließ. Das war so typisch Alice. Sie war ganz gewiss kein Kind von Traurigkeit.
„Ich hau ab" rief ich ihr über die laute Musik zu. Ihr Blick, als sie mich ansah sagte mir, dass sie definitiv zu viel getrunken hatte, denn sie konnte mich kaum fixieren. „Jetzt schon? Wir sind doch kaum hier" nuschelte sie und ich sah, wie es in ihr arbeitete ehe sie lächelte „Ist Maddox doch noch aufgetaucht?!" Alice zwinkerte mir anzüglich zu, woraufhin ich ein Augenrollen unterdrücken musste. „Nein. Ich gehe nicht mit ihm. Er ist nicht hier, dass weißt du doch." Von der Tatsache, dass unsere Beziehung noch längst nicht so weit fortgeschritten war, dass ich mit ihm nach Hause gehen würde, wollte ich gar nicht erst anfangen. Nicht das es Alice überhaupt interessierte. Anstatt weiter nach zu bohren, wie oder besser mit wem ich die Party verlassen würde, immerhin war ich mit ihr und ihrem Fahrer hergekommen, warf sie mir zum Abschied lediglich eine Kusshand zu, ehe sie sich von dem Typen, mit dem ich soe beim flirten erwischt hatte, auf die Tanzfläche ziehen. Ich blieb alleine zurück. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. Vielleicht hatte der Unbekannte gar nicht so unrecht. Vielleicht interessierte es wirklich niemanden, wenn ich einfach verschwinden würde.

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