Kapitel 89

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Mit hängenden Schultern folgte ich meinem Onkel in ergebenen Gehorsam hinein in sein Büro, zumindest wollte ich das, doch dazu kam es nicht, denn mitten in der Tür blieb er plötzlich stehen, sah über mich hinweg und sagte dann eiskalt „Was glauben sie was sie hier tun O'Brien? Das ist eine Familienangelegenheit, sie werden hier nicht gebraucht" Hunter, der bis zu diesem Moment dicht hinter mir war, blieb sofort stehen.
Er blieb tatsächlich stehen, drehte sich um und ging.
Er GING.
Einfach so.
Mein eh schon angeschlagenes Herz bekam weitere Risse, äußerst schmerzhafte Risse. In der größten Not ließ er mich allein, er ließ mich allein, weil seine Verpflichtung meinem Onkel gegenüber wichtiger war als ich es war und das schmerzte mehr als alles andere.

Kraftlos ließ ich mich in den Sessel fallen, der wie immer vor dem Kamin stand, während mein Onkel sich gegen seinen Schreibtisch lehnte und mich bloß ansah. Ich hielt diese Stille keine 5 Minuten aus, dann begann ich nervös mit den Händen zu ringen. „Warten wir auf irgendwas bestimmtes?" fragte ich ihn patzig, um meine Unsicherheit dahinter zu verbergen. „In der Tat. Aber nicht auf etwas, sondern auf jemanden."
Er blickte auf sein Handy, lächelte kurz, dann sah er wieder mich an. „Unser Gast ist unterwegs. Ich denke wir können schon mal anfangen" Er stieß sich vom Schreibtisch ab und setze sich neben mich auf den zweiten Sessel. „Zunächst möchte ich, dass du dir in Erinnerung rufst, dass du Teil dieser Familie bist, mit all seinen Vorzügen und leider auch mit den Nachteilen, egal ob dir das gefällt oder nicht. Wir alle sind Teil dieses Imperiums und dafür verantwortlich, dass es am Leben bleibt. Jeder von uns muss dafür irgendwann Opfer bringen, nur deshalb sind wir da, wo wir heute sind. Die Familie ist alles was zählt."

Mein Magen wurde zu einem steinharten Klumpen. „Warum schickst du mich nach Vancouver, Dom?" presste ich mit wild klopfenden Herzen heraus, als mir langsam dämmerte, dass mein Onkel es nicht tat, weil die University of Vancouver so einen tadellosen akademischen Ruf hatte.
„Du weißt das diese mehr als lästige  Fede mit den Crowells jetzt schon seit einigen Monaten andauert und obwohl wir unseren Einsatz immer weiter erhöhen, schaffen wir es nicht, sie zurück zu drängen. Crowells Einfluss wächst, während ich im Kampf gegen ihn gute Männer und eine Menge Geld verliere. Ich gebe das ungern zu, aber wir sind nicht so unantastbar wie ich es gerne hätte. Wie du selbst weißt, hat er es bereits geschafft, hier einzudringen und dich fast mitzunehmen. Es ist ein herber Schlag für mich es zugeben, aber ich habe ihn unterschätzt. Ich habe seine Rachsucht und seine Verbindung in wichtige Ebenen des gesellschaftlichen Lebens unterschätzt. Du weißt wie ein Krieg zwischen zwei Familien in unseren Kreisen abläuft, Giorgia. Nur eine kann lebend da raus kommen und ich werde alles tun, damit es unsere Familie ist. Ich musste mir eingestehen, dass ich es nicht alleine schaffen würde, Crowell ein für all für alle Mal aus Chicago zu vertreiben. Aus diesem Grund habe ich mir einen mächtigen Partner mit ins Boot geholt. Einen, mit dem sich das Gleichgewicht in diesem Krieg verschiebt und mir den entscheidenden Vorteil bringt." erörterter er mit einer solchen Selbstverliebtheit, dass ich die Augen verdrehte. „Was genau hat das alles mit mir und meiner Abschiebung ins Exil zu tun?"

Mein Onkel zog die Augenbrauen hoch „Lass das Drama Giorgia ja? Du wirst nicht in ein Dritte Welt Land abgeschoben, sondern nach Kanada, eins der wohlhabendsten und nebenbei noch schönsten Länder dieser Welt. Du wirst auf eine Uni gehen, die einen fanatischen Ruf hat und dort dein Wunschstudiengang absolvieren. Ich verstehe nicht wo dein Problem liegt. Du wolltest doch unbedingt weg aus Chicago."
Innerlich kochte ich, weil er mir meine eigenen Wörter im Mund verdrehte, doch ich bemühte mich ruhig zu bleiben, weil ich wusste, das es die einzige Chance war, dass er mich halbwegs ernst nahm. „Ich wollte nicht einfach weg, ich wollte nachhause."
Er zuckte bloß mit den Achseln. „Tja wir bekommen nicht immer was wir wollen. Dieses Studium in Vancouver ist das Beste das du bekommen wirst. Ich erfülle damit immerhin die meisten deiner Punkte auf deiner Wunschliste, wenn du mal genau nachdenkst. Ich weiß das ich für dich nur der Bösewicht in dieser Geschichte bin, aber so einfach ist das nicht. Ich habe getan, was das Beste ist. Für dich und für die Familie. Dich nach Vancouver zu schicken nimmt dich aus der Schusslinie, versteht du das denn nicht? Ein Umzug ins Ausland garantiert deine Sicherheit mehr als jeder meiner Männer es könnte. Es ist eine rein strategische Entscheidung. Ich will dich damit nicht bestrafen, sondern schützen"

Er griff nach der Schachtel mit Zigarren auf dem Tisch, entzündete sich eine und sprach dann weiter. „Doch dein Umzug alleine wird nicht reichen, nicht um uns alle zu schützen. Chicago ist und bleibt unsere Zuhause. Das werden wir nicht aufgeben, schon gar nicht gegen so Emporkömmling wie die Crowells. Deshalb brauchen wir Verbündete, Giorgia. Ohne sie gehen wir unter. Wir brauchen Männer, Einfluss und Geld von diesen Verbündeten. Ich habe einen solchen Verbündeten gefunden. Ein mächtiger, einflussreicher, sehr reicher und absolut skrupelloser Bauunternehmer, der mehr Politiker, Richter und Polizisten kennt, als du dir vorstellen kannst. Er hat Kontakte in alle wichtigen Belangen dieser Stadt, was uns einen immensen Vorteil verschafft, zumal er und seine Familie im Gegensatz zu uns nach außen hin eine absolut reine Weste hat. Niemand würde denke, dass er etwas illegales tut, dabei tut er es seit jahren direkt vor aller Augen. Seine Unterstützung wird uns als Sieger aus diesem Krieg gehen lassen. Es versteht sich von selbst, dass er dafür etwas im Gegenzug will oder?"
In seine Kunstpause hinein öffnete sich die Tür in meinen Rücken. Sofort drehte ich mich um, weil ich wissen wollte, wer der mysteriös Gast war, auf den mein Onkel gewartet hatte und welche Rolle er in dem Ganzen hier spielte. Als ich ihn jedoch ausgerechnet neben meiner Mutter den Raum betreten sah, setzte alles bei mir aus. Er hingegen lächelte, sobald er mich sah „Hallo Darling"

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