Kapitel 8

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Hunter folgte mir heraus aus dem Büro meines Onkel wie ein unheilvoller Schatten. Er hatte kein Wort zu mir gesagt, nicht mal richtig begrüßt hatte er mich. Es nagte an mir, dass er so distanziert war. Nicht das er gestern Nacht besonders zugänglich gewesen wäre, nein, aber er hatte immerhin mit mir geredet, nachdem er mir auf die Party gefolgt war.
„Weiß mein Onkel das wir uns bereits kennen?" fragte ich ihn als ich das Schweigen nicht mehr aushielt. „Bereits kennen ist etwas hochgegriffen für eine einzige Begegnung und ein mehr als dürftiges Gespräch, findest du nicht?" gab er lediglich zurück, was mich mit den Augen rollen ließ. „Du weißt was ich meine" zischte ich genervt und meinte, Belustigung in seinen Augen zu erkennen. Das war etwas das mir gestern Nacht schon aufgefallen war. Hunter schien es wahnsinnig zu amüsieren, wenn ich die Geduld verlor.

„Er hat keine Ahnungen wo ich gestern war. Niemand seiner Männer hat das. Ich kann ziemlich unauffällig sein, wenn ich will. Es war allein meine Idee dir zu folgen. Das habe ich dir gestern Nacht schon gesagt. Ist das ein Problem für dich? Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihm gesagt, dass du dich auf der Party eines neureichen Emporkömmling betrunken hast, anstatt artig zu Hause zu sein, so wie er es von dir sicher verlangt hat?"
Seine eisblauen Augen starrten in meine, was mich erschaudern ließ. „Natürlich nicht" gab ich zu. „Aber nur fürs Protokoll, ich habe mich dort nicht betrunken. Ich hatte nur einen Drink. Oder zwei." Statt einer Antwort bekam ich nur einen Blick, der mir sagte, was er davon hielt.

Inzwischen waren wir vor der langen Wendeltreppe zum Obergeschoss angekommen, indem sich mein Schlafzimmer befand. Unschlüssig blieb ich stehen. Ich hatte keine Ahnung wie ich mich verhalten sollte oder wie es jetzt weiter ging, immerhin war es das erste Mal, dass ich einen echten Bodyguard hatte, dessen einziger Job es war, mich zu beschützen.
Galt das nur außerhalb unserer vier Wände?
Oder auch hier drin?
Hunter bemerkte meine Unsicherheit und trat mir zur Seite. „Hast du vor heute noch das Haus zu verlassen?" fragte er mich direkt, woraufhin ich den Kopf schüttelte. Es war Samstagvormittag, ich musste noch eine Hausarbeit beenden und an meiner Abschlussarbeit feilen. Selbst wenn ich gewollt hätte, hatte ich keine Zeit etwas zu unternehmen.
„Gut. Das macht meinen Job leichter. Gib mir dein Handy" befahl Hunter mir, während er mir die ausgestreckte Hand entgegen hielt. Mein erster Impuls war es, mich ihm zu widersetzen, doch ich ahnte bereits, dass es zwecklos war.
Sobald er mein Handy in der Hand hielt, tippte er eine Nummer ein, dann gab er es mir wieder. „Das ist meine Nummer. Ruf mich an oder schreib mir, wenn du doch raus willst. Ich fahre dich wohin du willst, bleibe bei dir solange es dauert und bringe dich dann wieder zurück. Wenn du das Anwesen verlässt, dann nur und zwar wirklich nur mit mir, hast du verstanden Red?"
Da war er wieder, dieser unleidliche Spitzname, den er gestern Nacht schon verwendet hat. Er war weder besonders professionell, noch kreativ oder gar schmeichelhaft, dennoch spürte ich, wie mein Herz jedes Mal wenn etwas schneller schlug, wenn er mich so ansprach. Ich musste aufpassen, wenn es um ihn ging. Er war nicht mein Freund und er war schon gar kein Mann, mit dem ich flitzen sollten oder in dessen Worte ich mehr hineininterpretieren sollte, als es nötig war. Er war ein Angestellter meines Onkels, was ihn faktisch ebenfalls zu einem Mafioso machte, auch wenn er nicht so aussah. Hunter war gefährlich und das auf mehr als eine Weise. Das durfte ich nicht ausblenden, niemals.

„Verstanden Sir" sagte ich aus einer übermütigen Laune heraus, weil ich die Stimmung auflockern wollte und weil ich dachte, dass er es als Ex Soldat vielleicht witzig fand, doch der Ausdruck in seinen Augen sprach eine ganz andere Sprache. Ich hatte das Gefühl sie wurden dunkler, als er mich ansah und deutlich schluckte. Seine Hand fuhr über sein Gesicht, er wirkte irgendwie verzweifelt, als er leise wie zu sich selbst sagte „Fuck. Das werden verflucht lange Woche" und sich dann einfach umdrehte und in Richtung des Anbaus verschwand, indem sich, wie ich wusste, einige der ungenutzte Gästezimmer befanden. Wahrscheinlich wohnte er jetzt in einem dieser Zimmer. Er war ab sofort hier, bei mir. Er war immer in meiner Nähe und ich war mir plötzlich unsicher, ob das Fluch oder Segen für mich war.
Wahrscheinlich war er selbst beides.

Das Wochenende über blieb ich komplett zuhause. Ich nutzte die Zeit, um meine ausstehenden Aufgaben für die Schule zu beenden und zu lernen. In wenigen Wochen war bereits mein Abschluss, wenn ich den erfolgreich meisterte, würde ich im Herbst ans College wechseln. Ich würde Chicago entfliehen, ich würde diese Stadt und vor allem meiner Familie entfielen und endlich wieder ein normales Leben führen. Bisher wusste ich noch nicht, an welche Uni ich gehen würde, ich wartete noch immer auf die Zusagen einiger Universitäten, darunter auch einige meiner absoluten Favoriten, die zufällig ziemlich weit entfernt von Chicago lagen. Ich hatte Angst gehabt, dass mein Onkel mich nicht gehen lassen würde, doch er schien nichts dagegen zu haben, dass ich die Stadt verlassen wollte um zu studieren. Zumindest hatte er das nicht gehabt, bevor Crowells Leute Jagd auf uns gemacht haben. Schnell schickte ich ein Stoßgebet Richtung Himmel, dass die Männer meines Onkels schnell alle Verantwortlichen finden würden und mein Leben bis zum Herbst wieder so normal war, wie es eben als Teil der Familie Esposito sein konnte.

Am Montag morgen war ich schon vor meinem Wecker wach, was sicher an meiner Nervosität lag. Nicht nur, dass ich heute eine Prüfung schrieb, nein es war auch das erste Mal, dass ich Hunter wieder sah. Seit der Verabschiedung am Samstagmorgen war er wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Ich wusste, dass er hier wohnte, aber ich sah ihn nicht, weder beim Essen, noch sonst wo im Haus. Gestern Abend gab es dann das erste und einzige Lebenszeichen von ihm in Form einer kurzen Nachricht.

Hunter: Ich fahre dich morgen früh zur Schule. Abfahrt um 7.30 Uhr

Ich las die Nachricht mehr als einmal und tippte ebenfalls mehr als einmal eine Antwort ein, die ich jedoch immer wieder löschte, bevor ich auf senden drücken konnte. Egal wie oft ich die Nachricht laß, sie enthielt keine geheime Botschaft zwischen den Zeilen. Es war eine rein informative, geschäftliche Nachricht, genau wie es unsere Beziehung war. Es spielte keine Rolle, das ich ihn irgendwie merkwürdig anziehend fand, denn er sah nichts der gleichen in mir. Für ihn war ich nur ein Job, je eher ich das verinnerlichte, desto besser. Was auch immer ich geglaubt hatte, in ihm zu sehen war irrelevant. Und überhaupt, warum sollte ich mich auch für einen Mann wie ihn interessieren, wenn ich doch jemanden wie Maddox in meinem Leben hatte. Er war der Mann, der zu mir passte und für den ich Gefühle hatte. Mit ihm könnte ich eine Zukunft haben, wenn ich es richtig anstellte. Das letzte was ich gebrauchen konnte, war eine Ablenkung von dem, was ich wollte. Ich musste mich wieder fokussieren, musste die alberne Schwärmerei für meinen zugegebenermaßen sehr attraktiv Bodyguard vergessen und nach vorne sehen.
Ein letztes Mal schloss ich die Augen, sammelte mich und schnappte meine Tasche, ehe ich eilig die Treppe hinab lief, an dessen Fuß Hunter bereits auf mich wartete.
Fast wäre ich bei seinem Anblick ins Stolpern geraten, denn wie er so da stand, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, in einem unverschämt gut sitzenden dunkelblauen Anzug und mich musterte, brachte meine Knie zum zittern. Sofort schossen mir seine Worte in den Kopf, die er am Samstagmorgen zu sich selbst gemurmelte hatte und ich wiederholte sie wie automatisch „Fuck, Das werden verflucht lange Woche"

Cherry bomb Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt