45. Kapitel

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|Vivi|  Tarjas Körper sackte auf dem Boden zusammen und mit Paulina, ihrer Mom zog ich sie gemeinsam wieder auf die Beine. Mein Blick glitt zu Tyan, Tarjas Dad, dessen Hülle das einzige verbliebene in diesem Raum, von ihm war und ich schluckte eisern die Tränen herunter. "Tarja! Hey!", versuchte ich sie wieder ins Bewusstsein zu rufen, doch ihre mit Tränen besetzten Lider blieben geschlossen. Der Schmerz in mir, darüber sie so zu sehen, schaffte es den Schmerz über das, was sie mir mit Samu angetan hatte, augenblicklich zu verdrängen. Samu. Kurz drifteten meine Gedanken ein wenig ab... Mir war nicht entgangen, dass Tarja mehrfach Samus Namen geschrien hatte, ehe sie zusammen geklappt war. Sollte ich ihn anrufen? Ihn herbitten? Eine Krankenschwester fuhr ein Bett in das Zimmer und mit vereinten Kräften hoben wir Tarjas zierlichen Körper hinein. "Sie steht unter Schock...das ist normal...", erklärte die Schwester Paulina gerade, die völlig aufgewühlt daneben stand. Sollte ich ihn anrufen? Die Worte wirbelten erbarmungslos durch meinen Kopf. Es war offensichtlich, dass Tarja ihn brauchte, wenn sie sogar nach ihm rief. Aber es tat einfach so weh. Plötzlich flackerten Tarjas Lider und sie riss die Augen auf. "Wo...wo ist er...wo...Samu? Samu? SAMU?", krächzte sie und die Tränen auf ihren Wangen verselbstständigten sich wieder, während die Schwester ihr Bett über den Gang des Krankenhauses schob und Paulina und ich ihr folgten. Es war so grausam sie so zu sehen, dass ich selber spürte, wie ein salziger Geschmack meine Kehle empor stieg. Ich eilte neben sie und ergriff ihre zittrige Hand. "Hey! Tarja!" Ihr Blick irrte kurzzeitig herum, ehe ihre Augen meine fanden. Schwere Schluchzer schüttelten sie, während sie versuchte meinen Blickkontakt zu halten. "Samu kommt bald, okay? Er ist so gut wie da, hörst du?", brachte ich über die Lippen und drückte aufmunternd ihre Hand. "Samu...", hauchte sie und eine neue Träne malte eine Linie auf ihre Wange. "Ja! Er kommt! Er ist bald bei dir!", redete ich auf meine...ich dachte über Tyans Worte nach...JA...redete ich auf meine beste Freundin ein und spürte, dass sich ihre Züge ein wenig beruhigten. 

Wir hatten endlich das, für Tarja vorgesehene Krankenzimmer, erreicht und die Schwester verabreichte ihr unwillkürlich ein Beruhigungsmittel. "Ich...entschuldige mich kurz...Ich bin sofort wieder da! ", erklärte ich an Paulina gewandt und schlüpfte aus dem Zimmer. Draußen auf dem Flur atmete ich einmal tief durch. Ich zog mein Handy aus meiner Tasche und drückte auf die Kurzwahl unter der ich Samu eingespeichert hatte. Sein Name und ein Bild von ihm starrten mich sofort vom Display an und ich schluckte. Tu es! Tarja zuliebe! Ein letztes Mal seufzte ich auf, ehe ich mit dem Finger über den grünen Hörer strich und mein Handy ans Ohr führte. Es klingelte nur einmal und schon hatte ich Samu in der Leitung. "Ja?", meldete er sich mit seiner vertrauten, tiefen Stimme und jagte mir augenblicklich einen Schauer über den Rücken. "Hallo? Vivianne?" Shit! Ich hatte völlig vergessen zu reden. "Hi, Samu! Ich...äh...ich...kannst du...", stammelte ich, während ich mir unbeholfen auf dem Finger herum kaute. Als Message an mich selbst, biss ich mir einmal fest in den Daumen. Dieses peinliche Gestammel war ja nicht auszuhalten! Reiß dich gefälligst zusammen Vivi! "Was ist mit ihr? Was ist passiert?", schien Samu sofort aufgeregt zu realisieren. "Ihr Dad...er ist gerade verstorben...Samu sie braucht dich jetzt und wenn du der bist, für den ich dich mal gehalten habe, kommst du sofort her!", erklärte ich. Ganz kurz herrschte Stille am anderen Ende. "Ich bin schon unterwegs.", war alles was ich noch von ihm hörte, ehe mir ein Tuten verriet, dass er aufgelegt hatte. Ich ließ die Hand mit dem Handy langsam sinken und starrte traurig aus dem Fenster. Jetzt erst spürte ich die Tränen, die sich ihren Weg über mein Gesicht bahnten. 'Es war die richtige Entscheidung...es war die richtige Entscheidung!', versuchte ich mir innerlich immer wieder einzureden, doch die verdammten Tränen hörten einfach nicht mehr auf, erbarmungslos drauf los zu strömen...

|Samu| Mikko war seine Kotzerei vor mir so peinlich gewesen, dass er mir erlaubt hatte (okay ich hätte es wahrscheinlich auch ohne seine Erlaubnis getan, aber so war es irgendwie doch angenehmer) zu Tarja, zurück nach Helsinki zu fliegen. Sobald ich ihn schlafend in seinem Bett wusste, hatte ich mich von den übrigen Jungs verabschiedete und auf den Weg zum Flughafen gemacht. Ich war gerade in Helsinki gelandet, da erreichte mich Vivis Anruf. Ich rechnete es ihr hoch an, dass sie mich angerufen hatte, um mich über die grausame Nachricht, den Tod von Tarjas Vater, zu informieren und mich her zu bitten. Die ganze Fahrt bis zum Krankenhaus war mein Herz von tiefer Traurigkeit gefüllt. Ich wusste nicht, was mich gleich erwarten und wie Tarja sich verhalten würde. Um ehrlich zu sein, war ich sogar ein wenig mit der Situation überfordert. Aber dennoch war der Drang, Tarja endlich in meine Arme zu schließen und ihr einfach Halt zu geben, wahnsinnig groß. Vielleicht brauchte es auch gar keine großen Worte, sondern es war einfach schon damit getan, dass ich für sie da war. 

Schon bald hatte ich das Krankenhaus und Tarjas Zimmer erreicht und klopfte gegen die Tür. "Herein...", kam es aus dem Inneren und ich öffnete sie. Tarja stand mitten im Raum, der Frau, die ich als ihre Mutter identifizierte gegenüber und gleich daneben befand sich Vivi. Bei meinem Anblick fielen Tarja fast die Augen aus dem Kopf. "Samu? Was machst du hier?", rief sie beinahe ein wenig aufgebracht aus, um sich gleich darauf verärgert an Vivi zu wenden. "Was macht er hier? Hast du ihn etwa angerufen?" Vivi zuckte bei der Härte von Tarjas Worten zusammen, nickte dann aber langsam. "Mensch Vivi! Er hat zu tun! Er ist auf Tour...er sollte nicht hier sein!", fuhr Tarja Vivi an. Das war ja nicht mit anzusehen...Ich hatte alles erwartet, eine am Boden zerstörte Tarja beispielsweise, aber SO? "Ist schon okay Tarja...Ich war auch ohne Vivis Anruf schon auf dem Weg..." "Es wäre aber nicht nötig gewesen, dass du kommst. Ich wäre morgen ohnehin wieder abgereist.", entgegnete Tarja kühl. Entsetzt sah ich in die Runde. Hatte ich hier irgendwas nicht mitgekriegt? Ihr Vater war vor wenigen Stunden gestorben und jetzt...Es war doch nicht normal, wie sie sich verhielt, oder? "Moment mal...du willst morgen wieder arbeiten?", fragte ich schockiert an Tarja gewandt und machte einige Schritte auf sie zu. "Ja! Wieso nicht?" Hilfesuchend sah ich zu Vivi herüber, die sich Tarja schließlich ebenfalls annäherte. "Tarja, Süße...ich halte das für keine so gute Idee...du musst doch erst mal...", murmelte sie im ruhigen Tonfall, doch Tarja schnitt ihr unwillkürlich das Wort ab. "Seit wann, entscheidet ihr, was ich tue? Ich werde morgen zurück nach Ungarn fliegen, denn da gibt es mehr als genug zutun und ich will die Arbeit der Jungs nicht durch mein Fehlen behindern..." Tarjas Stimme war fest und bestimmt, obwohl ihre Augen eine ganz andere Sprache sprachen. So langsam dämmerte es mir...Augenblicklich wurde mir bewusst, was hier abging. Tarja war genauso wie ich, das hatte Vivi, als wir noch zusammen waren, selber mehr als einmal erwähnt und offensichtlich funktionierte ihre Seele auch genauso wie meine. 

"Vivi und äh..." Ich wand mich an Tarjas Mom und sie schenkte mir ein kurzes, aber sehr warmes Lächeln. "Paulina.", stellte sie sich vor und wir reichten einander die Hand. "Samu.", tat ich es ihr nach und fuhr schließlich fort: "Vivi und Paulina...würdet ihr Tarja und mich kurz alleine lassen? Ich muss mit ihr unter vier Augen reden." Die beiden Frauen, die selber offensichtlich völlig überfordert mit Tarjas Verhalten waren, willigten nickend ein und verließen das Krankenzimmer umgehend. "Samu was soll das? Ich hab jetzt echt keine Lust mit dir zu diskutieren..." "Ich hab auch nicht vor mit dir zu diskutieren!" "Was willst du dann? Ich werde morgen zurück nach Ungarn fliegen, da kannst du sagen was du willst...ich...", überschlugen sich ihre Worte fast. "Ich weiß genau was hier los ist.", unterbrach ich ihren Redeschwall und zog sie in meine Arme. Damit hatte sie nicht gerechnet und drückte mich ein wenig von sich weg. "Was wird das...ich will nicht..." "Ich kenne dich...du versuchst stark zu sein und die Zicke in dir, hilft dir dabei..." "Jetzt fang nicht an mich zu analysieren!", warnte sie mich und sah mich wütend an. "Tarja ich liebe dich, aber du weißt ganz genau, dass ich Recht habe..." "Nein Samu!", rief sie und bugsierte sich aus meinen Armen, doch ich hielt sie fest und sah sie Eindringlich an. "Doch! Tarja dein Dad ist gerade gestorben...du darfst jetzt schwach sein...du darfst weinen...du darfst es raus lassen! Das hier ist der falsche Zeitpunkt um stark sein zu wollen!", sagte ich mit fester Stimme und sie sah mich fast entsetzt darüber die Fakten einfach so ausgesprochen zu haben, an. Kurz hielt ihre Mauer noch stand, doch dann riss sie endlich nieder und ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Es ist okay...", raunte ich und strich ihr über die Wange. Ihre Dämme brachen und schwere Schluchzer begannen sie zu schütteln, ehe ich sie in meine schützenden Arme zog. "Es ist okay..."

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