170. Kapitel

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|Samu| Ich war der erste, der in den Tourbus, der vor dem Hotel bereits auf uns wartete, einstieg. Völlig wortlos war ich an den anderen Bandjungs vorbei gerauscht und hatte mir im Inneren des Busses meinen gewohnten Rückzugsort gesucht, sofern man denn auf so engem Raum überhaupt einen haben konnte. So saß ich also im hintersten Teil des Busses, auf einem Einzelplatz am Fenster und starrte hinaus... ''Du versaust dir gerade alles!'', hallten Rikus Worte in meinem Kopf wieder. ''Unfassbar, dass du dir SO selber in die Augen sehen kannst...'' Mein Blick glitt zu meinem Spiegelbild in dem Glas des Busfensters. Ich starrte die Scheibe, die Person, die sich darin spiegelte an und mir fiel sofort die breite Sorgenfalte auf der Stirn des Gesichts, welches ich vor Augen hatte, auf. Mein Gesicht. Meine Sorgenfalte. Meine Sorgen... Angestrengt fuhr ich mir durchs Haar, sah wie der Mann im Spiegel es mir nachtat und suchte in seinen Zügen nach irgendetwas, irgendjemanden, der mir vertraut vorkam. Nichts. Fremde. Leere. Das war alles, was ich sah. Beim Anblick meines, eigentlich eigenen Gesichtes rauschten die Erinnerungen an jene Nacht, in der ich Tarja das Herz zerschmettert, in der ich sie betrogen hatte, durch meinen Kopf und ich konnte beobachten, wie sich die Augen meines Gegenübers zu enttäuschten Schlitzen formten. Riku hatte Recht... Ich konnte mir nicht mehr in die Augen sehen...oder zumindest nicht mehr, ohne Abschaum, Enttäuschung und Wut für das, was ich erblickte, zu empfinden. Hastig riss ich den Blick von der Fensterscheibe los und zückte mein Handy. Einige schnelle Berührungen des Displays später, hatte ich den Browser hochgefahren und eine Musikplattform geöffnet. Meine Finger flogen über den Bildschirm und tippten Tarjas Namen ein. Sofort erschienen massig viele Suchergebnisse und wie nicht anders zu erwarten, musste ich ewig nach unten scrollen, bis meine Augen das Cover, welches ich schon auf Tarjas Handy gesehen hatte, fixierten. Ich öffnete das Album und überflog die angezeigten Songtitel. Einer stach mir dabei besonders entgegen. 'Follow your heart'. Ein trauriges Lächeln umwob meine Lippen, als ich kurz meine Augen von dem leuchtenden Display löste und das Tattoo auf meinem linken Unterarm betrachtete. F.Y.H. Follow your heart. Eigentlich eine meiner Lebensweisheiten, der ich scheinbar gerade nicht folgte, sondern vor der ich regelrecht floh. Umgehend zog ich meine Kopfhörer hervor und drückte auf Play. Tarjas Stimme so nah bei mir zu hören, sie quasi durch mich hindurch fließen zu spüren, beruhigte mich in erster Linie und nahm mir die Wut, die in meiner Brust gebrannt hatte. Ich ließ den Kopf nach hinten an das Sitzpolster sacken und verschloss die Lider, während Tarjas Worte mich berieselten. "Follow your heart! Run over the bridges it is building to guide your way and grab your lovers soul to find a place to stay!" Der zarte, aber so aussagekräftige Refrain bahnte sich in Kombination mit Tarjas unglaublicher Stimme, seinen Weg tief unter meine Haut. Tränen, die an meinen langen Wimpern verharrten, versuchten sich ebenfalls gegen meinen Willen zu lösen und einfach drauf los zu strömen, doch meine geschlossenen Augen bewahrten sie davor. Nie hatte ich mich einem Song näher gefühlt, vermutlich nicht mal meinen eigenen...

You Give Love A Bad NameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt