Kapitel 3

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3.

Als Hailey aufwachte fühlte sie sich besser. Die Tränen waren getrocknet und der Schmerz des Verlustes saß nicht mehr so tief. Mar’ s Bett war leer. Hailey stand auf und machte sich auf den Weg zum Waschraum, den Mar ihr am Vorabend gezeigt hatte. Einige Mädchen duschten oder putzten sich die Zähne. Hailey kämmte sich die langen blonden Haare und wusch sich das Gesicht. Als sie wieder in den Spiegel sah erschrak sie fürchterlich. „Guten Morgen, Hailey!“, quickte Chloe hinter ihr. Ihre Haare waren nass und sie trug nur ein Handtuch. „Morgen Chloe!“ Sie grinste sie an. Plötzlich sah Hailey etwas im Spiegel, was sie mehr erschreckte, als jegliches Grinsen von Chloe. An ihrem Hals bildete sich langsam ein bläulicher Buchstabe. Das R zog sich bis zu ihrer Schulter herab. „Sieht echt cool aus. Meins ist nicht so lang!“, bewunderte Chloe sie. „I…ich muss mich noch anziehen.“, stotterte Hailey und verließ fluchtartig den Waschraum. Schnell lief sie zu ihrem Zimmer. Mar war immer noch nicht da. Wo war sie nur? Auf Hailey‘ s Bett lag ein Packet mit Kleidung. Eine Uniform und ein blauer Trainingsanzug. Außerdem ein paar weiße Turnschuhe. Gerade als sie sich die Uniform an den Körper hielt sprang die Tür auf. Mar kam in schwarzen Sportsachen und Kopfhörern in den Ohren wieder. Sie sah verschwitzt aber keinesfalls außer Atem aus. „Wo warst du?“, fragte Hailey. Mar nahm die Kopfhörer raus. „Laufen. Eine gute Sache an der Hölle. Sport kannst du immer machen.“, grinste sie und öffnete ihre Haare. „Ich geh duschen!“, sagte sie, schnappte sich ein Handtuch und verließ wieder das Zimmer. Gerade als Hailey sich fragte, wann sie wohl essen gehen würden öffnete sich nochmal kurz die Tür. „In einer halben Stunde gibt‘ s Frühstück!“

Als Mar wieder kam saß Hailey immer noch in Unterwäsche auf dem Bett. „Zieh am besten erst mal den Trainingsanzug an. Wir haben heute nur Kampftraining.“, sagte sie und ließ das Handtuch fallen, ohne Scham. Hailey hatte einmal mehr die Gelegenheit verstohlen Mar‘ s schönen Körper zu betrachten. Keine einzige Narbe oder Verletzung prägte ihre Haut. „Na los, zieh dich an. Wir haben nur noch fünf Minuten. Und binde dir die Haare zusammen. Morgan mag keine offenen Haare beim Training!“ Morgan? Doch Hailey wusste, dass sie dies nicht hinterfragen musste. So wie alles andere würde sie es früher oder später so oder so erfahren. Also zog sie die blaue Hose, das blaue Shirt und die Jacke über. Als sie sah, dass Mar die Jacke aus ließ warf sie sie auf das Bett und folgte Mar, die erstaunlich schnell mit dem Anziehen fertig geworden war.

Nach einem mageren Frühstück gingen Mar, Hailey, Chloe und Ava zum Kampftraining. Adam war schon vorgegangen um sich aufzuwärmen. Das erste Mal seit ihrem Aufenthalt an diesem seltsamen Ort verließen sie das Haus. Draußen war es kalt und sie beeilten sich den kahlen Garten zu überqueren um zu der großen Trainingshalle zu gelangen. Es gab keine Umkleiden oder so was. Jeder kam gleich in Sportsachen. Ein großer Mattenboden war ausgelegt und am Rande der Halle stand ein Tisch mit mehreren Flaschen Wasser. „Trink es lieber nicht!“, flüsterte Ava ihr zu. Hailey hinterfragte auch dies nicht. „Meine Damen, bitte Beeilung. Wir wollen anfangen!“ Hailey erinnerte sich an die Zeit, wo sie noch beim Leistungsturnen war. Bevor der König gestürzt wurde und alles den Bach runter ging. Damals lebte sie für den Sport und ging regelmäßig mit Robyn zu Wettkämpfen. Robyn. Die Erinnerung versetzte ihr einen Stich. „Ich sehe, wir haben ein neues Gesicht unter uns.“ Ein durchtrainierter Mann in den Zwanzigern und schokoladenbrauner Haut lächelte sie offen an. Das Blau seines Anzuges schmeichelte seiner Figur. „Stellst du dich kurz vor?“ Hailey zitterte. Chloe schubste sie ein Stück vor. „Ich bin Hailey. Hailey Rose.“ Der Mann nickte lächelnd. „Gut Hailey. Versuch einfach so weit es geht mitzumachen.“ Hailey ging wieder zurück zu den Mädchen. „Okay!“, hauchte sie noch. „Das ist Morgan! Er ist mega heiß, aber Mar steht auf ihn, also schlag ihn dir aus dem Kopf!“, flüsterte Ava ihr zu. „Dürfte dir nicht allzu schwer fallen!“, grinste sie und nickte in die Richtung der Jungen, bei denen auch Adam stand. Hailey wurde rot vor Scham. „Okay Leute, dann beginnen wir mit ein paar Runden zum warm laufen!“ Erstaunlich ungenervt setzten sich alle in Bewegung. Hailey hatte zunächst Mühe mit den anderen Schritt zu halten, doch dann fühlte sie sich in den Laufrhythmus ein und wurde schneller und fühlte sich stärker. Nach nur 10 Minuten ließ Morgan sie halten und sie fingen an sich zu dehnen. Chloe war wie eine Schlange. Mühelos setzte sie sich in den Spagat oder zog das Bein an ihr Ohr. Hailey fiel das nicht so leicht, doch Mar dehnte sie erbarmungslos. War sie so eingerostet? „Okay Ladies, beginnen wir mit Sprüngen!“ Aus den Augenwinkeln beobachtete Hailey, dass sich die Tür der Halle öffnete und ein Mann herein kam. Missbilligend beobachtete er sie. „Fangt einfach an!“, trug Morgan auf und joggte zu dem Mann. Derweil reihten sich alle ein und begannen mit hohen Ansprungsrollen und kräftigen Sprüngen. Hailey erkannte einige Übungen wieder und gab sich größte Mühe der gelenkigen Chloe und der sportlichen Mar nicht allzu sehr hinter her zu eiern. „Du machst das gut!“, lobte Ava sie. Bei Ava sah jede Bewegung wie eine spontane Choreographie aus. Voller Schönheit und Anmut. Da kam Morgan wieder zu ihnen. Der Mann war weg. Mar lief zu ihm. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie runzelte die Stirn. Mar kam wieder zu ihnen. „Was ist los?“, fragte Chloe. „Später!“, murmelte Mar. „Okay Ladies, ihr übt auf der Seite bitte die einfachen Kicks und Schläge. Jungs, wir trainieren noch an der Sprungkraft!“, versuchte Morgan beschwingt zu sagen, doch es gelang ihm nicht sonderlich gut. Zumindest sahen das Ava, Chloe, Hailey und Mar. Mar zog Hailey am Handgelenk hinter einen Boxsack, der in der Ecke stand und vor sich hin gammelte. „Du gehörst zu uns, stimmt‘ s?“ Mar fragte nicht wirklich, sie stellte drohend fest. „Bitte!“, flehte sie plötzlich sehr gefühlvoll. Hailey bemerkte das Glitzern in ihren Augen. „Ja klar!“ Mar nickte und schon waren die Tränen in ihren Augen fort. „Egal was passieren wird, du gehörst zu uns!“ Hailey nickte. „Mar, was ist los?“ Mar schüttelte den Kopf. „Später!“ Hailey half Mar und den anderen Dummys aufzustellen. „Das wichtigste überhaupt ist, dass ihr dem Gegner zeigt, wer der Überlegene ist. Wenn ihr Schiss habt und das zeigt, habt ihr verloren. Wenn ihr auch nur eine Sekunde an eine Niederlage denkt habt ihr verloren!“, sagte Morgan. Er rieb sich die Hände. „Mar, zeig‘ s ihnen!“ Mar grinste und stolzierte in die Mitte der Matte. Morgan wackelte mit den Augenbrauen. „Mach mich fertig, Süße!“ Mar lachte leise auf. Eine Weile stand Mar mit geschlossenen Augen da. Es war als fülle sich ihr Körper mit Konzentration. Gerade, als jemand die Stille durchbrechen wollte hob sie die Hand . Mit geschlossenen Augen sprintete sie los, öffnete sie und machte einen heftigen Satz. Sie drehte sich einmal – zweimal in der Luft zielte mit ausgestrecktem Bein auf Morgan‘ s Brust. Er hatte keine Chance, das dachte sich wohl jeder. Doch Morgan grinste nur, runzelte die Stirn und bückte sich unter ihrem Bein hinweg. Mar reagierte binnen weniger Zehntelsekunden und holte mit der Faust aus. Blitzschnell griff Morgan ihren Arm und drehte ihn auf den Rücken. Und da tat Mar das unglaublichste, was Hailey je gesehen hatte. Sie stützte sich an Morgan‘ s Griff ab und drehte sich über seinen Kopf hinweg. Als sie hinter ihm stand gab sie ihm einen kräftigen Tritt ins Kreuz. Es knackte laut auf. Hailey schlug die Hände vor das Gesicht. Doch bevor ihr schlecht werden konnte fingen alle an zu applaudieren. Morgan drehte sich auf den Rücken und ließ sich von Mar aufhelfen. „So will ich das sehen, Ladies!“, lachte er. „Hat er…hat er sich nicht…“ „…verletzt? Nein, Knochenbrüche heilen bei den Trainern in wenigen Sekunden. Sonst würde er nicht gegen Mar kämpfen!“, murmelte Ava. „Okay Mädels, jede sucht sich eine Partnerin.“ Hailey traute sich nicht gegen Mar zu kämpfen und schnappte sich schnell Chloe. Die war zwar gelenkig, aber hoffentlich nicht so stark. Wie sehr sie sich da täuschte sollte sie nur allzu bald erfahren.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt