Kapitel 59

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Lauren war gerade dabei einzuschlafen, als er ein leises Klopfen vernahm. Er drehte den Kopf zur Tür und bat herein. Er hatte mit allem gerechnet, wirklich allem. Mit Adam, mit Chloe, mit Morgan, ja sogar mit der ebenfalls kranken Hailey hatte er mehr gerechnet, als mit der Person, die nun eintrat.

„Darf ich dich kurz stören?“ Die Stimme des Mädchens war fest und ihr leichter Akzent rollte über ihre Zunge wie ein brasilianisches Feuerwerk. Wie Tango, wie Salsa, wie eine sinnige Nacht.

„Setz dich.“

Das Mädchen dankte mit einem Nicken. Sie setzte sich neben Lauren' s Bett. Ein Lächeln ergab sich noch nicht.

„Ich möchte dir etwas sagen, Lauren. Es dauert auch nicht lange.“

Sie spielte damit auf die Nachtruhe an, die schon seit einer Stunde einherging. Die Fenster nach draußen offenbarten nur noch schwache Umrisse. Sie waren auf den Hof gerichtet und wenn man einen guten Blick hatte, konnte man schon das schwarze Meer aus Bäumen erblicken. Die Nacht war bereits angekommen und warf dunkle Schatten. Nur der manchmal durch die Nebelschwaden dringende Mondzauber spendete etwas Licht.

„Du weißt aber, dass ich mich im Moment nicht wirklich verteidigen kann.“, scherzte Lauren, doch eine gewisse ernsthafte Angst versteckte sich in seiner Stimme.

„Ich weiß.“

Kurz schwieg sie und sah zu Boden. Unsicher fuhr sie sich durch die dunklen Haare. Dann sah sie auf und es war, als würde der ganze Amazonas ihren dunkelbraunen Augen entspringen.

„Ich...ich möchte dir sagen, dass...“ Sie brach ab und die ersten Tränen stiegen empor. Lauren wartete geduldig, auch wenn er sich konzentrieren musste, die Augen offen zu halten. Der ganze Tag und die Schmerzen, gegen die er natürlich keinerlei Mittel angenommen hatte, hatten ihm zugesetzt.

„Ich verzeihe dir.“

Eine weitere Überraschung. Lauren konnte nichts sagen.

„Du wusstest nicht, dass Chloe und ich...Dass wir zusammen waren. Es war niemals deine Absicht etwas kaputt zu machen.“

Sie räusperte sich.

„Zudem, kann unsere Beziehung nicht die sicherste gewesen sein. Sonst hätte sie das nicht getan.“

Ava nickte, als würde sie sich selbst bestätigen müssen.

„Dennoch kann ich Chloe nicht verzeihen. Noch nicht.“

Lauren schwirrte der Kopf. Dann tat Ava etwas, dass ihm entgültig den Rest gab. Sie beugte sich vor und küsste ihn sanft auf den Mund. Es war wie der Kuss einer Schwester. Sanft, kurz, aber ehrlich. Dann stand sie auf und verließ das Zimmer.

Scarlett saß mit Alec und Morgan in der Turnhalle. Es war bereits Nacht, doch keiner dachte auch nur daran, schlafen zu gehen. Morgan hatte angeboten mit Scar zur Krankenstation zu gehen und nach Ginger zu fragen, doch Scarlett traute sich nicht. Und jetzt saßen sie hier. Schwitzend, schweigend, laut atmend. Sie waren gerannt. Viel gerannt. Es war, als könnten sie damit vergessen was geschehen war. Doch selbst dieser Adrenalinstoß ließ Scarlett nicht aufhören, an ihr Erlebnis mit Morgan zu denken. Selbst Ginger' s Tod schien dabei unterzugehen.

„Ich habe heute zufällig einen Krieger dabei beobachtet, wie er aus einer Besprechung gekommen ist. Der Typ war völlig fertig. Irgendwas ist passiert.“ Alec runzelte die Stirn.

„Du weißt genau, um was es ging Alec. Das weiß jeder.“, murmelte Morgan und wischte sich über die Stirn. Scarlett betrachtete beide fragend.

Habe ich was verpasst?

„Scar, das mit der Armee hast du aber schon mitgekriegt, ja?“, fragte Alec und zog die Augenbrauen hoch. Scarlett nickte, sah aber immer noch verwirrt aus.

„Im neuen Jahr müssen wir mit der Ausbildung fertig sein. Dann rücken sie aus.“

„Wir nicht?“, fragte Scarlett.

Beide zuckten mit den Schultern.

„Eigentlich müssen wir. Als Ausbilder sind wir mit den Kriegern und Offizieren die Oberhäupter der Armee.“

„Aber...?“

Die jungen Männer schwiegen.

„Ich gehe auf jeden Fall.“

„Und du, Morgan?“

„Ich weiß es noch nicht.“

„Ich denke wir müssen.“, stellte Scarlett fest.

Morgan wollte ihr noch nicht erzählen, dass er und seine Freunde im Geheimen schon immer daran gezweifelt hatten, was der Orden ihnen da auftischte. Er kannte sie ja gar nicht. Noch war die Zeit nicht erreicht. Irgendwann, wahrscheinlich im Neujahr könnte er mit ihr reden und vielleicht würde er sie sogar fragen, ob sie mit auf ihrer Seite kämpfen würde. Schließlich fehlte jetzt eine von ihnen. Vielleicht könnte sie ihr Ersatz sein. Vielleicht.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt