In dem Moment, in dem Hailey dabei war wieder einzuschlafen öffnete sich erneut die Tür. Stumm beobachteten sie und Adam, wie Mar in die Dunkelheit kam und zu ihrem Bett ging. Kurz darauf knipste sie ihre Nachttischlampe an. Als Mar Adam erblickte erstarrte sie in ihrer Bewegung. Adam jedoch grinste ihr entgegen. „Was machst du denn hier?“, platzte es aus der Löwin heraus. Adam kicherte. „Die Frage ist wohl eher, was du hier machst?“ Mar‘ s Stirn legte sich in Falten. „Ich wohne hier, falls dir das entgangen sein sollte.“ Erst jetzt vielen Hailey und Adam Mar‘ s verlaufene Wimperntusche – tiefe dunkle Schatten der Trauer – und die Tränen auf ihrem Shirt auf. „Ich meinte eigentlich um diese Uhrzeit!“ Mar ärgerte sich über Adam‘ s Fragerei. Sie war noch völlig durch den Wind und hatte nicht die geringste Lust sich vor jemandem zu rechtfertigen, der mitten in der Nacht als männliches Wesen auf dem Mädchentrakt lungerte. „Verpiss dich jetzt Adam!“, knurrte sie daher. Der zuckte mit den Schultern und schlüpfte aus Hailey‘ s Bett. Etwas erleichterter stellte Mar fest, dass er noch vollständig bekleidet war. Sie hätte es nicht verstanden, wenn er Hailey ein paar schöne Stunden bereitet hätte und dann verschwunden wäre. Obwohl sie ihn nun wirklich nicht so einschätzte. Schließlich war er ihr bester Freund. Auch wenn sie ziemlich grob sein konnte, beide wussten was sie aneinander hatten. Doch Mar hatte keine Lust sich jetzt noch zu entschuldigen und wollte ihre Ruhe. Sie wusste, dass sie zumindest Hailey noch eine Erklärung schuldete und selbst das würde sie innerlich zerreißen. Adam küsste Hailey auf die Wange und wackelte Mar mit den Augenbrauen entgegen. Er wusste, dass er schon noch erfahren würde, warum sie geweint hatte und er wusste, dass nun stundenlange Gespräche das letzte waren, was Mar wollte. Also verließ er das Zimmer und die Lichter auf dem Flur erloschen. Vorsichtig setzte Hailey sich auf. In diesem Moment vergaß sie, Mar mitzuteilen, dass sie sich wieder erinnert hatte. Denn das, was Mar zu berichten hatte würde wohl interessanter sein. „Was war los?“, fragte sie daher leise. Mar schluckte, doch sie konnte sich beherrschen. Schon zu viele Tränen hatte sie heute Abend verloren. Sie konnte nicht noch mehr Momente der Schwäche offenbaren. Sie öffnete den Mund, fand jedoch nicht auf Anhieb die richtigen Worte. Hailey schwieg, sie ließ Mar Zeit und nachdem einige Minuten verstrichen waren begann Mar schließlich zu erzählen.
Als Hailey aufwachte war Mar bereits wach und zog sich schon an. Sie musste schon joggen und duschen gewesen sein. Oder nur duschen? Hailey wusste es nicht. „Auch endlich wach? Mach hin! Wir haben noch eine viertel Stunde bis zum Frühstück.“ Erschrocken richtete Hailey sich auf und befreite sich von der Decke. Deutlich gestärkt stand sie auf und humpelte zum Schrank. Als Mar ihr bei der Jogginghose helfen wollte wehrte sie dankend ab. Sie fühlte sich gut, fantastisch um genau zu sein. Sie wusste nicht so genau warum. Nach ihrer Erinnerung, Adam‘ s Zärtlichkeit und Mar‘ s Erzählung von gestern Abend hätte sie doch eigentlich gestresst sein müssen. Doch nein, sie fühlte sich großartig. Ihr Bein war stärker geworden und ihr Wille auch. Schnell band sie sich die Haare zusammen und schminkte sich notdürftig. „Fertig?“ Sie nickte und bemerkte, dass in der Zimmerecke kein Rollstuhl mehr stand. Amelia musste ihn wohl geholt haben, als sie noch geschlafen hatte. Um sie zu testen. Und Hailey war hungrig auf Herausforderungen. „Soll ich dir helfen?“, fragte Mar und bat ihren Arm an. Hailey schaffte es bis zum Speisesaal, war jedoch auch erleichtert, als sie endlich saß. Suchend sah sie sich um und Mar bemerkte ihren Blick. „Er ist noch nicht da!“, grinste sie und nippte an ihrem koffeinfreien Kaffee. „Wer?“ Chloe rückte näher heran und auch Ava spitzte die Ohren. „Wer Mar?“, hakte sie nochmal nach, doch Mar zuckte nur grinsend mit den Schultern. „Ich hol mir was zu essen!“, murmelte Hailey und stand auf. Chloe redete weiter auf Mar ein und Hailey war froh, dass nicht sie vollgetextet wurde. Nachdem sie ihren Teller gezwungenermaßen mit Obst und Vollkornbrötchen beladen hatte humpelte sie zurück zum Tisch. Sie vermisste Schokolade, Sahnesoße und Chips. Ihre Stimmung hellte sich allerdings merklich auf, als Adam ihr gegenüber den Stuhl zurück zog und sich setzte. „Na, gut geschlafen?“, spottete Mar über den augenscheinlich übermüdeten Adam. „Bestens danke. Und du?“, murmelte er zurück. Er beugte sich über seinen Teller und hob kurz den Kopf. Als er Hailey ein kleines aber strahlendes Lächeln schenkte schien ihr Herz Hochsprung zu machen. Und es war verdammt gut. Nachdem sie aufgegessen hatte drängte Mar wieder auf ihr Zimmer zu gehen und Hailey meckerte in sich hinein. Sie wäre zu gern kurz mit Adam alleine gewesen. Seine Haare waren noch verstrubbelt und seine Augen nur halboffen. Doch Hailey wusste, warum er so müde war und das bereitete ihr kleine Schmetterlinge, die sich auf ihrer Nasenspitze niederließen und die schlechte Laune wegküssten. Im Zimmer angekommen hastete Mar sofort zu ihrem Stuhl und kramte in ihrer Jacke herum. „Was suchst du?“, fragte Hailey. Doch Mar antwortete nicht. Sie kramte immer weiter. „Der Zettel. D…der Zettel von George. Er ist weg! Ich muss ihn verloren haben.“, flüsterte sie. „Das…das kann nicht sein! Ich muss doch wissen, was mit ihm ist!“ Die Zeit schien stillzustehen bis Mar schließlich auf dem Stuhl zusammensank und die Hände vor ihr Gesicht schlug. Und es war das erste Mal, dass Hailey Mar weinen sah.

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Die Soldatin
FantasyMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...