Da war diese unglaubliche Hitze, die Scarlett fast zu zerstückeln drohte. Ihr ganzer Brustkorb fühlte sich zerquetscht an und sie bekam nur schwerfällig Luft. Die Schmerzen in ihrem Bein und am Kopf übertönte das zu diesem Moment noch. Sie spürte, wie sich der Erdboden von ihr entfernte, doch konnte sie die Augen nicht öffnen. Etwas Warmes rann über ihren Kopf in dieser eisigen Kälte. Die Augenbraue herab floss es wie ein kleines Rinnsal auf ihre Lider und die Wimpern. Die Stimmen um sie herum schienen zu weit entfernt, um sie zu verstehen. Wieder wurde sie auf etwas gebettet und in diesem Moment, wo sie lag, fühlte sie sich hilflos. Als würde sie ertrinken. Ohne Halt, ohne Schutz und ohne eine Sicherheit. Um sie herum wackelte es und es war wie eine ruckartig eintretende Seekrankheit. Nur die unerträglichen Schmerzen, die sie sich bei den Verletzungen geholt hatte, konnten das noch übertreffen. Es dauerte nicht lange, bis das Rumpeln einem kurzen, aber ebenmäßigen Gleiten wich und sie wieder hoch gehoben wurde. Wärmeumhüllt, von Kälte geschlagen und auf Wolken gebettet wurde sie schließlich wieder ohnmächtig.
Ava, Chloe und Hailey stapften jetzt schon eine ganze Weile den Autobahnring entlang und allmählich schwanden ihre Kräfte. Die Füße schmerzten, der Rücken noch mehr und die Kälte war nahezu unerträglich.
„Können wir jetzt endlich mal 'ne Pause machen?“, nörgelte Hailey und blieb stehen. Ava sah sich um und schien die Sonne am Horizont zu suchen. Nur war diese hinter einer dichten Wolkenwand versteckt. Sie zuckte mit den Schultern und murmelte ein „Meinetwegen“. Ausatmend setzten sie sich an den Straßenrand und Chloe kramte aus ihrer Tasche eine Nudelsuppe. Sie hatten keine Ahnung, ob sie jetzt Frühstücken, zu Mittag oder zu Abend essen würden. Der Hunger machte das gleichgültig.
„Hat jemand einen Dosenöffner mit?“ Chloe fackelte nicht lange, nahm die Dose und suchte auf der Erde nach einem Stein. Da sie aber keinen finden konnte, hämmerte sie solange auf den Asphalt ein, bis an einer Stelle das Aluminium aufplatzte. Die Brühe tröpfelte raus und wie ausgehungerte Wölfe beeilten sie sich die eiskalte Suppe mehr zu trinken, als zu essen.
„Ich bin müde.“
„Wir müssen weiter. Noch ein paar Stunden, dann müssen wir uns irgendwie ein Lager aufbauen“, meinte Ava trocken und stand auf. Sie lächelte schwach und half dann Hailey auf, die alles andere als motiviert war. Doch es half alles nichts, sie mussten tatsächlich weiter. Die schneeigen Landschaften an der M25 angrenzend wirkten endlos. Doch plötzlich sah Hailey etwas in der Ferne. Etwas, das sie völlig aus der Fassung brachte. Im grauen Nebel des lichtlosen Tages erstreckte sich vielleicht ein paar Hundert Meter entfernt von ihnen etwas Großes von Rechts nach Links. Erst konnte man nicht erkennen, was es war, doch umso näher man kam, desto deutlicher wurde das kleine Plätschern und man konnte langsam einen dunklen Spiegel erkennen. Die Themse. Keiner der drei wagte sich zu sprechen, sie beeilten sich nur umso wacher die A 282 zu erreichen. Es handelte sich dabei um eine Querung des Flusses, die eine ganze Weile lang mautpflichtig war, bis London fast vollständig eingeschlafen war. Als sie die kleinen Häuschen mit den Schranken erreichten, wurde ihnen erst so richtig bewusst, was sie gerade gefunden hatten. Hailey rüttelte an der Türklinke, bis sie es mit dieser Methode aufgab und die Tür eintrat. Die anderen beiden folgten ihr hinein, doch außer einem Schreibtisch und einigen Schränken fanden sie nichts. Die Wände wirkten ausgegilbt und es roch streng. Ava zögerte nicht in den Schubladen zu kramen, aber außer Handy' s mit leerem Akku, einer leeren Kasse und ein paar persönlichen Habseligkeiten fanden sie nichts.
„Das bringt uns nichts“, stellte Chloe fest und verließ als erste das stickige Zimmer. Nicht mal warm war es da drin. Ava und Hailey blieben noch einen Moment, bis sie von draußen ein lautes Quieken hörten.
„Kommt schnell her!“, schrie Chloe und Ava und Hailey hetzten hinaus. Erst sahen sie die Freundin nicht, doch ein weiterer Ruf lockte sie an das Ufer der Themse, wo Chloe stand und auf das Wasser starrte. Und was sie da gefunden hatte, war jegliche Aufruhr mehr als wert. Denn an einem kleinen, provisorisch erbauten Steeg waren mehrere schlichte Boote mit Tauen befestigt.
„Wo zur Hölle kommen die her?“
„Keine Ahnung, vielleicht sind die für Leute wie uns“, freute sich Chloe und lief den Steeg ab, bis sie ein geeignetes Motorboot fand.
„Wir brauchen mehr Benzin!“, trug Chloe auf und begann den Lastenraum der restlichen Schiffchen abzusuchen, in denen sie sogar zwei Kanister fand.
„Reicht das?“, fragte Ava skeptisch und wog den Kanister mit den Händen ab.
„Es muss“, meinte Hailey.
„Es muss.“

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Die Soldatin
FantasiMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...