Kapitel 23

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Als die junge Schöne wieder begann zu denken, war sie sich sicher, dass sie tot war. Sie hörte nichts, sie sah nichts und sie spürte nichts. Nur die Kraft der Gedanken ließen sie rational werden. Hätte sie gekonnt, hätte sie jetzt geweint. So hatte sie niemals sterben wollen. Niemals. Im Kampf als starke Kriegerin, ja, das war ein Tod der ihr immer vorschwebte. Doch Maryann Westminster würde niemals wieder die Chance haben diesen Ehrentod zu gehen. Denn wie sie ja bereits festgestellt hatte, war sie tot. Körperlos. Wahrscheinlich schwebte sie gerade der Atmosphäre entgegen, wo ihre Seele sich in winzige Partikel aus Kohlenstoff auflösen würde. Plötzlich zerfiel ihre Theorie in einen großen Berg Asche, als sie ein Kribbeln spürte. Komisch, sie konnte immer noch nicht sagen, dass sie eine Hülle besaß, aber sie spürte etwas. Das Kribbeln breitete sich immer weiter aus, aber sie konnte weder sprechen noch sich irgend möglich bewegen. Es lag nicht in ihrer Macht. Was war mit ihr geschehen? Angestrengt dachte sie nach und durchforstete ihr nicht vorhandenes Gehirn nach Erinnerungen. Sie war in dem Keller zwischen Hauptgebäude und Turnhalle gewesen und hatte etwas gesucht. Doch sie wusste nicht mehr was. Somit schien es wohl irrelevant zu sein. Belanglos. Schnell schob sie daher diesen Gedanken beiseite und dachte weiter. Doch da war nur ein riesiges weißes Loch. Und dann kam eine Weile lang nichts. Erst einige streckenlose Meilen entfernt war da eine andere, völlig zusammenhanglose Szenerie. Sie konnte sich erinnern, im Kraftraum aufgewacht zu sein. Wie war sie dort hingekommen? Morgan hatte sie dort hinaus gebracht und dann war sie wieder bewusstlos geworden. Das Kribbeln wurde stärker und plötzlich hatte sie Schmerzen. Körperlos? Seltsam. Auf der Krankenstation war sie wieder zu sich gekommen und hatte sich von den grässlichen Drogen befreit. Dann hatte man sie betäubt bis zur Bewusstlosigkeit. Und dann? Nichts. Das musste ihr Tod gewesen sein. Mehr war da nicht. Denn jetzt, jetzt war sie hier? Wo auch immer das war. Die Schmerzen wurden stärker und sie wunderte sich über so viel Gefühl im Tode. Und dann wäre sie am liebsten zusammengezuckt, denn sie hörte etwas. Erst ein leises Knallen, als würde eine Türe ins Schloss fallen und dann ein leises Summen. Sang da jemand? Wer sang denn im Tod? Ein anderer Verstorbener? Nein. Das war zu echt, zu nah, zu lebendig. Es musste wohl das sein, was sie genau jetzt dachte. Sie, Maryann Westminster, war nicht tot.

Der Geschäftige machte irgendetwas mit Mar. Soviel hatte sie bereits mitbekommen. Es war, als würde er sie waschen. Mittlerweile konnte sie sich wieder komplett spüren, doch sie war ihrer Glieder nicht mächtig. Als wäre sie ganzkörperlich gelähmt. Ohne Zurück. Der lauwarme Lappen strich über ihren Körper und Mar hoffte inständig, dass eine Frau sie dort säuberte, schließlich war sie komplett nackt. War sie in dieser ekelerregenden Folterkammer? Dort, wo man sie das letzte Mal überwältigt hatte? Das wäre plausibel. Warme Luft wurde über ihre nasse Haut gepustet und sie stellte erstaunt fest, dass sie eine Gänsehaut bekam. Das heißt, dass ihre Muskelaktivität keineswegs zerstört, sondern viel mehr gestoppt wurde. Das einzige, was noch funktionierte wie vorher, war ihr Herzschlag. Laut kämpfte sich der willensstarke Muskel gegen ihre Rippen, dass es fast schmerzte. Ihr Atem war schwach, aber noch vorhanden. Das Summen der Person wurde immer lauter und vergnügter. Mar‘ s Bein wurde angehoben und erschrocken stellte sie fest, dass man sie anzog. Unterwäsche, ein Kleid, und dann hätte sie alles dafür gegeben zu schreien als man ihre Haare kämmte. Was hatten diese kranken Psychopaten nur vor? Innerlich zuckte sie zusammen, als die Tür ein zweites Mal zufiel und eine Stimme ertönte. „Wie lange brauchen Sie noch? Die Beisetzung ist in einer halben Stunde.“ Das Summen stoppte. „Ich bin soweit fertig mit ihr!“ Eine Frau. Erleichtert entspannte Mar sich wieder ein klein wenig. Doch als sie aus heiterem Himmel Schritte von mindestens einem halben Duzend Menschen hörte und ihre Anwesenheit spürte wich diese Entspannung von ihr. „Können wir beginnen?“, fragte eine tiefe männliche Stimme. Anscheinend antworteten die anderen Personen mit einem Nicken, denn Mar hörte nichts. „Was haben sie jetzt mit der Kleinen vor?“, fragte die Summerin. „Wir werden ihr Gift injizieren. Das Gift verursacht, dass ihr Herz stehen bleibt, aber das Blut durch Mikroorganismen in der chemischen Verbindung weiter fließen kann. Sie wird Herztod sein, aber trotzdem leben.“ Ein lauter, innerer Schrei durchfuhr Mar. Sie wollten sie scheintot stellen? Wozu? Was hatten sie mit ihr vor? Warum konnten sie Mar nicht einfach gleich töten? Welches kranke Spiel baute sich da vor ihr auf? Doch all diese Antworten erhielt sie nicht mehr, dann die Stimmen fuhren fort. „Aber sieht man nicht, dass ihr Blutzyklus noch weiter besteht?“ Die Summerin. „Wir haben vortreffliche Visagisten.“ Das konnte nicht deren Ernst sein. Nicht wahrhaftig. „Wir beginnen jetzt mit Der Injizierung!“ Schritte entfernten sich ein kleines Stück von Mar, doch sie spürte einen Schatten über sich, der durch die helle Neonlampe und eine schmale Person verursacht wurde. Diese hob ihre Handgelenke leicht an und legte jeweils eine Art metallenes Armband um sie. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie sträubte sich gegen diesen Missbrauch und diese Lüge, und wollte laut aufkreischen, doch keiner hörte sie. Denn sie blieb regungslos. Ein Stoß durchfuhr sie, als Millionen von Nadeln aus den Armbändern fuhren und sie einen brennenden Druck in einer ringförmigen Formation an ihren Handgelenken spürte. Angsterfüllt stellte sie fest, wie sie müde wurde und ihre Gedanken immer zäher an ihrer Schädeldecke hinab liefen. Wie Baumharz blieben sie dann merklich stehen und Mar wurde ohnmächtig.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt