Die Kälte kroch Morgan allmählich die Wirbelsäule herauf und er legte seine Hände über die Augen. Was hatte er sich nur dabei gedacht dieses Mädchen zu küssen? Sie war doch nur irgendeine dahergelaufene hörige Ignorantin. Eine von denen. Wütend ballte er die Hände und schlug in den Schnee. Den Schmerz betäubte die eisige Kälte und er stand auf. Seine Jacke zog er sich über, dennoch breitete sich die Eisigkeit weiter aus. Fluchend machte er sich auf den Weg. Er wusste genau wo er jetzt hinwollte. Der Pfad in den Wald war von Schneewehen geprägt und er war oft kurz davor auszurutschen. Doch irgendwann trugen ihn seine Beine wie von selbst und er war überrascht, als er sich plötzlich vor dem Grabe Maryann Westminsters wiederfand. Die Erde war von Schnee bedeckt und der Stein mit ihrem Namen verschleiert. Er rieb das Weiß weg und suchte krampfhaft nach einem Blumenstrauß oder irgendeinem Zeichen der Anteilnahme und der Erinnerung. Doch nichts. Wieso zur Hölle hatte er nie Blumen niedergelegt? Wieso? Überhaupt war die Zahl seiner Besuche äußerst ungenügend. Er schalt sich innerlich für seine Dummheit. Dass er so selten da war. Dass er sie begann zu vergessen. Tat er das? Dass er ein anderes Mädchen geküsst hatte. Und diesmal sank er mit voller Absicht auf die Knie und neigte sein Haupt. Und obwohl er sich selbst dafür hasste begannen sanfte Tränen in seine Augen zu treten und ihn wenigstens für den Moment von tonnenschweren Lasten zu befreien. Sie bahnten sich ihren Weg und Morgan, der ließ es zu. „Es tut mir so leid.“, wisperte er in den verdampfenden Atem. Für zeitlose Momente saß er so da und starrte unentwegt den Namen seiner Schönen an, bis plötzlich hinter ihm ein zweiter Herzschlag ertönte. „Wer war sie?“
Schon als sie das Gebäude betreten hatte, hätte sie sich selbst dafür verprügeln können, Morgan so alleine zu lassen. Warum hatte er so reagiert? Oder anders gefragt, warum hatte sie so reagiert. Scarlett rieb sich die brennenden Augen. Eine Weile trottete sie rastlos durch die Flure bis sie irgendwann wie durch Zufall wieder am Ausgang stand. Eigentlich wollte sie nicht hinaus schauen, aber sie konnte nicht anders. Dort, wo Morgan vorhin noch gelegen hatte, war jetzt nur noch ein Abdruck im Schnee. Und wieder ärgerte sie sich, als sie nach draußen trat und zu dieser leichten Mulde im Schnee lief. Sie erkannte Fußabdrücke und beschloss diesen zu folgen. Sie mussten von ihm sein. Sie mussten einfach. Die Spuren führten in einen Wald. Gott sei Dank einen Pfad entlang, dem sie folgte bis sie schließlich an einer Ecke ankam. Wohin würde Morgan sie bringen? Eine ihr unerklärliche Gänsehaut breitete sich aus. Nun, sie trug zwar keine Jacke, aber kalt war ihr dennoch nicht. Nein, sie fror tatsächlich nicht. Und als sie abbog, wurde ihr plötzlich schrecklich übel, denn sie sah es. Den Tempel. Die Stätte. Groß, gewaltig und so vertraut wie nie zuvor. Ihre Füße brachten sie näher und sie erkannte, dass der Tempel einen Friedhof bildete. Und relativ zentral gelegen kniete Morgan vor einem Grab. Sie hörte ihn schluchzen und das tat ihr so schrecklich weh, dass sie sich dabei ertappte, wie auch ihr eine Träne entwich. Lautlos kam sie ihm näher und blickte über ihn auf das Grab. Maryann Westminster. Siebzehn. Sie war siebzehn. Jung. Zu jung. Und da konnte Scarlett nicht mehr anders, sie musste einfach fragen: „Wer war sie?“ Morgan zuckte zusammen und drehte sich erschrocken zu ihr. Da er immer noch kniete, musste er aufsehen. Tatsächlich, er hatte tatsächlich geweint. „Meine Liebe.“ Scarlett nickte. Ihr Herz pochte wie eine Kettensäge in ihrer Brust. Zerstörerisch, laut und kontinuierlich. Erinner dich, Scarlett, erinner dich! Diese verdammte Stimme nervte. Anscheinend verarschte sie Scarlett, sonst würde sie ja mal Klartext sprechen. So ein kleines Miststück. Dennoch war sie Scarlett irgendwie auf irgendeine Art sympathisch. „Warum ist sie gestorben?“ Wirklich? Was Besseres wollte Scarlett nicht einfallen? Ganz schön schlecht. „Sie wurde ermordet.“ Morgan drehte sich wieder zum Grab. Scarlett nickte, als würde sie verstehen aber sie verstand nicht. Sie verstand gar nichts. Eine Weile sagte keiner der beiden etwas. „Es tut mir leid.“, flüsterte Scarlett und drehte sich um. Mit schnellen Schritten lief sie auf den Ausgang des Tempels zu. „Scarlett?“, hörte sie plötzlich Morgan rufen und blieb stehen. „Pass auf dich auf!“ Scarlett nickte und stapfte dann durch den Schnee in den Sonnenuntergang.
Misstrauisch beobachtete Adam den Hamster, während dieser Hailey‘ s Nadel wieder mit der Infusion verband und eine geringe Menge an Flüssigkeit einhängte. Der Hamster ließ sich nicht beirren, aber als er fertig war erwiderte er Adam‘ s Blick. „Keine Angst, ich bring sie nicht um.“, fauchte sie. Adam spürte den Zorn in sich aufkommen. Diese elenden Lügner taten regelrecht so als hätten sie immer nur das Beste für sein Mädchen gewollt. Hailey legte ihre Hand auf Adam‘ s Schulter. „Schon gut Adam!“, lächelte sie leicht. Sie zog ihn zurück und der Hamster verkniff sich ein Grinsen. „Wie heißen Sie eigentlich?“ Das Grinsen erstarb. Wahrlich, Hailey hatte noch nicht einmal den Namen eines Arztes oder einer Krankenschwester erfahren. Der Hamster wurde rot. Warum wollte sie nicht verraten, wie sie hieß? Wenn es hart auf hart kam, würden sie sich bestimmt aus der Affäre ziehen wollen. Diese Schweine. „Ich komme nochmal wieder, wenn die Infusion durchgelaufen ist.“, murmelte sie und beeilte sich zur Tür zu kommen. „Sagen Sie uns dann auch wie sie heißen?“ Und ebenso wie auf diese Frage, würden Adam und Hailey auch auf die Frage nach dem Namen keine Antwort erhalten. Niemals.

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Die Soldatin
FantasyMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...