Kapitel 67

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Ava verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust. Es war bitterkalt draußen und ihre Ausbilder hockten immer noch in der Halle. Hoffentlich ging es Scarlett gut. Sie sah sich um, zwischen der weißen herabrieselnden Schneedecke standen unter anderem Hailey und neben ihr Adam. Sie redete mit Chloe, sie lachte. Ava wollte auch wieder mit Chloe lachen. Hailey zog einen Haargummi von ihrem Handgelenk, hielt ihn mit den Lippen fest und band dann ihre langen Strähnen zu einem Pferdeschwanz zusammen. Eine Locke löste sich allerdings wieder und fiel ihre linke Schulter herab. Ava und Hailey blickten ihr nach, wie sie auf den feinen Härchen auf Hailey' s Bizeps segelte. Als sie die Sicht hoben, sahen sie einander in die Augen und Hailey lächelte ermutigend. Sie nickte ihr zu und Ava sah das als eine Art Aufforderung. Etwas unsicher schlenderte sie zu der kleinen Gruppe und sah nun auch Lauren, der hinter Adam an die Wand gelehnt stand. Seine Hände waren tief in den Hosentaschen vergraben und er hatte sich sein Shirt über die Nase gezogen. Ava musste grinsen, erschauderte aber sogleich.

„Wirklich, das liegt nicht an mir. Sag mir nicht, dass auch nur einer von euch das hinbekommen hat auf Anhieb“, schmollte Hailey gerade.

„Nicht mal Ava hat das sofort gepackt“, setzte sie nach und hakte sich bei der wenig erfeuten Latina unter, schließlich waren ihre zwar nur spärlich wärmenden Arme jetzt nicht mehr an ihrem frierenden Oberkörper und sie zuckte zusammen. Hailey schien das entweder konsequent zu ignorieren oder gar nicht mitzubekommen.

„Entschuldige mal, von was redest du eigentlich?“, bibberte Ava und schlang sich aus der Umklammerung.

„Na von diesen beschissenen Äxten.“

„Ehrlich Hailey?“

„Was?“

„Unser Coach hat sich da drinnen fast zum Heldentoten machen lassen und du denkst immer noch an den Scheiß?“

Ava hatte sich ziemlich in Rage geredet und war nun schon etwas beschämt.

„Tut mir leid, hast Recht“, murmelte eine ziemlich bedröppelte Hailey und wäre geradewegs in den Schnee gefallen, hätte Adam sie nicht am Arm festgehalten. Ein Krieger hatte sich durch sie durchgeschlängelt und Hailey dabei unbeabsichtigt beiseite geschubst. Naja, mehr oder weniger.

„Hey, kein Problem!“, murrte Hailey ihm hinterher, doch er beachtete sie nicht weiter.

„Sind Coach Morgan und Coach Scarlett da drin?“, fragte er etwas reserviert an alle gerichtet.

„Ja, aber sie können da gerade nicht rein“, antwortete ein Mädchen.

„Danke.“ Ohne auf den zweiten Teil des Satzes zu achten, öffnete er die Tür und schlüpfte hinein. Hailey mogelte sich an den anderen Schülern vorbei und linste durch das Schlüsselloch. Sie sah nicht viel, genau genommen so gut wie gar nichts. Dank des pfeiffenden Windes, hörte sie auch noch ebenso wenig und konnte nur einen kurzen Blick auf die drei im Inneren erhaschen.

„Lass mich mal!“, forderte Lauren sie auf und zog sie beiseite.

„Klar, bei dir hört dieser scheiß Schneesturm auch mittendrin auf, natürlich Lauren.“

Lauren ignorierte sie, musste aber schnell einsehen, dass er genau so wenig mitbekam, wie Hailey. Das einzige, was er gerade noch rechtzeitig war die Verdunklung des Sichtfeldes im Schlüsselloch und die herabgedrückte Klinke. Mit einem Satz sprang er zur Seite, rammte dabei Adam um und versuchte sich auf den Beinen zu halten. Ein ziemlich ernst drein schauender Morgan kam mit einer völlig gesunden Scarlett dem Krieger folgend raus.

„Ihr habt Pause. Geht ins Haus.“



Leutnant Messelwave sah kurz auf, bevor er sein Plädoyer begann. Es war schon längst keine Rede mehr, bei weitem nicht. Viel mehr eine Ankündigung, fast schon eine Drohung.

„Leutnants, Krieger, Ausbilder, Sergeants, wir haben uns heute aus einem bestimmten Grund an diesem Ort versammelt. Wir schreiben den achzehnten Dezember und somit gleichzeitig Geschichte.“

Er machte eine kurze dramatische Pause und sah so vielen Anwesenden wie möglich in die Augen. Scarlett oder Morgan erreichte er nicht.

„Denn heute“, er lächelte leicht und beinahe erhaben, „werde ich die Zukunft des Resistentia-Orden, die Zukunft Londons, die Zukunft Europas, die Zukunft der ganzen Welt verlauten lassen.“

Eine Gänsehaut überzog den einen oder anderen Arm.

„Am ersten Januar im Jahre dreitausendunddreißig, werden unsere ersten Truppen ausrücken. Das bedeutet sowohl eine intensivere Vorbereitung als zuvor, wie auch eine strengere Bewachung. Wir waren eindeutig zu nachsichtig. Dinge sind geschehen, die nicht hätten passieren dürfen. Menschen mussten sterben, die nicht hätten sterben müssen.“

Erde an Fred Silberstein. Müsste dir bekannt vorkommen.

„Jeder Ausbilder hat noch dreizehn Tage Zeit, seine Soldaten bereit zu machen. Jeder Krieger ist dazu verpflichtet, für einen festgelegten Zeitraum am Tag einen bestimmten Posten im und um das Gebäude einzunehmen und die Soldaten zu kontrollieren. Ausnahmslos. Wir werden zu erst London besetzen. Die Techniker und Mechaniker sind zu informieren, dass die Transportmöglichkeiten gesichert sind. Haus Resistentia ist zu informieren, ebenso Haus Defensio. Morgen wird eine Liste mit den Eingesetzten aus Defensio überliefert werden und Sie sollten alle wissen, dass spätestens heute mit der Ausbildung mit Waffen begonnen werden sollte.“

Etwas kritisches lag in seiner Stimme.

„Alle weiteren Informationen werden Ihnen an der Front mitgeteilt. Ich wünsche allen einen guten Abend.“

Messelwave rückte seinen unbenutzten Stuhl an den Tisch und wandte sich zum Gehen.

„Ach und nochmals an alle Ausbilder,“

Er musterte nicht nur Scar und Morgan, sondern auch Alec und die anderen.

„an der Front sind sie nicht länger für den Kampf verantwortlich. Ihre Aufgabe besteht alleinig aus Motivation. Die Offiziere übernehmen von da an die Führung und seien Sie versichert, jeder einzige Manipulationsversuch wird irgendwann ans Licht kommen.“

Beim letzten Satz stellten sich Morgan die Nackenhaare auf und er wusste, dass er bereits an diesem Tag noch gegen dieses kompliziert formulierte Verbot verstoßen würde. Und dafür würde er Ava brauchen.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt