Chloe saß an Lauren gelehnt auf seinem Bett. „Lauren?“ Er strich ihr Haar aus dem Nacken und küsste sie sanft. „Was ist, wenn wir alle sterben?“ Lauren zuckte zusammen und hielt inne. „Wie kommst du darauf?“, fragte er rau. „Du weißt genau was hier abgeht. Wir bilden eine Armee Lauren, eine verdammte Armee aus Soldaten die gerade mal die einmeterfünfzig erreicht haben. Zumindest zum Teil. Was, wenn wir wirklich kämpfen müssen? Und zwar nicht gegen diese dämlichen Gegner des Königs, sondern für die Gegner?“ Lauren musste nicht überlegen um das Folgende auszusprechen. „Wir werden niemals, und das verspreche ich dir, niemals für die falschen kämpfen.“ „Und wenn sie uns zwingen?“ Lauren lachte. „Chloe, was haben wir noch zu verlieren?“ Ruckartig drehte Chloe sich um. „Wir haben noch eine Familie Lauren! Zuhause, da lebt noch eine Familie. Meine kleinen Schwestern und meine Eltern. Sie waren glücklich als ich fort musste. Als ich abgeholt wurde. Sie waren glücklich, Lauren.“ Ein Messer rammte sich tief in seine Brust als er ihre Worte vernahm und genau das aussprach, was er dachte. „Und wenn sie nicht mehr da sind? Mar‘ s Mutter ist tot. Und ihr Bruder vielleicht auch. Und Mar selbst? Sie ist auch tot, Chloe.“ Das Mädchen schüttelte den Kopf und stand auf. „Meine Familie ist nicht tot. Hast du das verstanden? Sie leben! Und sie wollten immer das Beste für mich. Als ich geholt wurde haben sie gesagt, dass alles gut werde.“ „Bringt dich das nicht zum stutzen? Hier geht es uns zur Hölle nicht gut. Das haben wir doch schon festgestellt. Was, wenn die uns schon damals mit irgendwas zugedröhnt haben? Was, wenn die einfach unser Bewusstsein verändert haben.“ Er schwieg kurz. „Was, wenn deine Eltern niemals einverstanden waren?“ Chloe musste die Tränen zurückhalten und vergas in diesem Moment völlig zu fragen, was mit Lauren‘ s Eltern war. Sie vergas es einfach. „Ich werde es dir beweisen. Komm mit, ich werde es dir zeigen!“ Sie zog ihn hoch und die beiden rannten zur Turnhalle. Es war bereits später Abend und die Halle damit fast leer. Nur vereinzelte Übereifrige trainierten noch, doch sie schenkten den beiden keinerlei Beachtung. Im Kraftraum schob Lauren die Kiste beiseite und mit Verwunderung stellte er fest, dass ein massives Schloss die Tür versperrte. Kurzerhand griff er nach dem Feuerlöscher an der Wand und schlug kräftig gegen die Sicherung. Nach einigen Versuchen gab diese auch nach. Chloe sah sich um. „Wir müssen uns beeilen!“, flüsterte sie, was anhand der Tatsache, dass Lauren mit seiner Öffnungsaktion gerade einen Riesenlärm gemacht hatte ziemlich grotesk war. Lauren ergriff Chloe‘ s Hand und zog sie die zunächst noch düstere Treppe herab. Morgan hatte einmal nach Mar‘ s Tod von dem unterirdischen Gang erzählt, jedoch nicht hinter welcher Tür sich die Akten verbargen. Als das Licht erhellte, steuerte er wie von einer inneren Kraft gezogen zielstrebig auf einen Raum zu und diesmal musste er keine Gewalt anwenden um die Tür zu öffnen. Sie war nicht verschlossen. Er knipste das Licht an und mehrere Metallschränke taten sich vor den beiden auf. Sofort sprang Chloe nach vorne und öffnete ein Schubfach. Sie wusste sofort, welches es war und kramte nach ihrer Akte. Mit zittrigen Fingern hob sie eine heraus. Ihr Name leuchtete ihr in einem kühlen Blau entgegen. Kugelschreiber? Egal, sie blätterte sofort darin herum und Lauren blieb in der Tür stehen. Er traute sich nicht zu atmen, denn er wusste, was gleich geschehen würde. Der entsetzte Schrei von Chloe bestätigte seine Vermutung. Sie kippte schwindelig zur Seite und er fing sie auf bevor sie fallen konnte. Dem Schrei wich ein tiefes Schluchzen und sie barg ihr Gesicht an seiner Brust und die Tränen saugten sich in seinem Shirt fest. Resignierend las er den entscheidenden Satz. Martha Cadence; Todesdatum: Neunzehnter Dezember Dreitausendneunundzwanzig. Er blätterte um und ein Bild eines Mannes mittleren Alters lächelte ihm entgegen. Michael Cadence; Todesdatum: Neunzehnter Dezember Dreitausendneunundzwanzig. Er strich sanft über Chloe‘ s Rücken. Eine Weile hielt er sie einfach so fest bis sie irgendwann mit glitzernden Augen aufsah. „Meine Schwestern, was ist mit ihnen?“, murmelte er. Lauren seufzte leicht und blätterte weiter doch zu seinem Erstaunen beider, fand er keine weiteren Aufzeichnungen. „Hier steht nichts.“ Chloe runzelte die Stirn und blätterte selbst nochmal durch. „Das…das ist unmöglich. Warum steht da nichts?“ Und als wäre es Schicksal hörten sie plötzlich hallende Schritte auf dem Flur. „Wir müssen hier weg!“, knurrte Lauren knapp und zerrte Chloe hoch. „Was ist mit dir? Mit deinen Eltern?“, flüsterte sie und kramte im Schubfach herum. „Hier, ich hab sie!“, quiekte sie und ließ sie unter ihrer Jacke verschwinden. Gerade als Lauren die Tür zum Flur öffnete, kam ihm ein Krieger entgegen. „Was macht ihr denn hier?“ Verdutzt sahen sich beide an und der Krieger griff nach Lauren‘ s Shirt. Instinktiv stieß Lauren ihn von sich weg. Der Krieger knallte gegen den Türrahmen und fiel zu Boden. „Lauf!“ Und sie liefen. Der Gang schien endlos und Chloe‘ s Atem wurde immer hektischer bis sie endlich die rettende Treppe erreicht hatten. Gerade als sie die Klinke herab drücken wollten, packte eine Hand Lauren‘ s Fuß und zog ihn zurück. Dieser war so erschrocken, dass er taumelnd die Treppe runter purzelte. Chloe schrie panisch auf. Der Krieger und Lauren überschlugen sich auf der Treppe immer wieder und benommen gelangten sie unten an. Jedoch war Lauren der erste, der sich wieder fasste und griff den Kragen des Kriegers. Mit der anderen Hand verpasste er ihm so einen Kinnhaken, dass er Sterne sehend zu Boden sank. Chloe sprang die Stufen herab und zog Lauren hoch. Er blutete an der Nase und an der Stirn und hielt sich den Knöchel. „Geht schon!“, stieß er hervor und spuckte Blut auf den kalten Boden. „Gar nichts ist gut!“, flüsterte Chloe und stützte ihn. Langsam half sie ihm nochmals die Treppe herauf und als sie die Türe öffneten, tat sich vor ihnen die Küche des Internats auf. „Hey, das wusste ich noch gar nicht!“, stellte Lauren grinsend fest doch Chloe war nicht nach Lachen zumute und leise bugsierte sie ihn hinaus und nach gefühlten Stunden gelangten sie an seinem Zimmer an. Adam schien immer noch bei Hailey zu sein und somit waren sie alleine. Chloe schob Lauren zu seinem Bett und er sank entkräftet auf die Matratze. Chloe öffnete das Fenster und sammelte Schnee vom Fensterbrett. Gezielt holte sie ein Handtuch aus seinem Schrank und wickelte den Schnee damit ein. „Halt das an deinen Knöchel!“, murmelte sie und verschwand kurz aus dem Zimmer. Kurz darauf kam sie mit einer Schüssel Wasser wieder. Sie tauchte einen Lappen in das kühle Nass und tupfte dann vorsichtig Lauren‘ s Stirn ab. „Lauren das muss genäht werden.“ Empört schüttelte der den Kopf und Chloe verdrehte die Augen und hielt ihn bestimmt fest. „Ich lass mich von keinem dieser Psychos behandeln. Vergiss es! Dann mach lieber du es!“ Chloe riss die Augen auf. „Ich kann sowas nicht!“ Lauren wischte das Blut von der Nase mit dem Handrücken ab. „Dann macht es keiner!“ Sie schüttelte den Kopf, schwieg aber. Als sie die Wunde halbwegs gereinigt hatte, legte sie den Lappen in die Schüssel und das Wasser färbte sich tief Rosa. Verblüfft stellte Lauren fest, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. „Hey, mir geht’s gut! Hätte schlimmer kommen können.“ Sie schüttelte nochmals den Kopf und die Tränen flossen. Er zog sie an sich und sie schluchzte leise auf. „Der Typ hätte dich umbringen können.“, flüsterte sie. „Hat er aber nicht. Und sowas darfst du nicht denken.“, murmelte er, musste aber leicht lächeln. „Aber es ist schön zu hören, dass du dir solche Sorgen um mich machst.“ Chloe stupste ihn in die Seite. „Das ist nicht witzig!“, murrte sie. Er sank mit dem Rücken auf sein Kissen und zog Chloe auf seine Brust. Ein warmes Kribbeln platzierte sich in ihrer Magengrube. Wahrlich, Ava hatte sie geliebt, aber es wäre falsch gewesen weiterhin zu ignorieren, wie ihr Körper und ihre Seele auf Lauren reagierten. Stundenlang lag sie in seinen Armen bis sie schließlich beide in einen erschöpften Schlaf sanken.
DU LIEST GERADE
Die Soldatin
FantasyMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...