Kapitel 47

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Vorsichtig setzte Scarlett sich auf. Blinzelnd sah sie sich um. Morgan war auf ihrer Bettkante eingeschlafen. Sie betrachtete ihn eine Weile. Seine dunkle Haut, die muskulösen, unter dem Kopf verschränkten Arme und die schön geschwungenen Lippen. Sein Rücken hob und senkte sich gleichmäßig. Langsam hob sie die Hand und strich über sein Rückgrat. Er schlief weiter. Als würde er diese Berührungen kennen. Als würde er sie kennen. Er kennt sie ja auch du blöde Kuh Scarlett zuckte zusammen und stand auf. Du hast uns beinahe umgebracht. Wie kann man nur so dämlich sein? Ignorant trat Scarlett an ihren Kleiderschrank. Sie ließ das Handtuch zu Boden fallen und holte sich frische Unterwäsche und Kleidung heraus. Kurz lauschte sie, es war ihr so als hätte sie ein kleines Keuchen gehört. Sie drehte sich zu Morgan, doch der schlief immer noch. Musste sie sich wohl eingebildet haben. Hastig stieg sie in ihre Sachen und schlich dann ins Bad. Der Boden war bereits getrocknet, die Überschwemmung von gestern beseitigt. Als sie jedoch in den Spiegel sah, erschrak sie. Ihre Haare kräuselten sich. Und diesmal nicht so wie unter der Dusche am Anfang, sondern wirklich stark. Und im trockenen Zustand. Kringellocken bildeten sich und Scarlett wickelte sich eine davon um den Finger. Warum fand sie diese Unnormalität so vertraut und schön? Sie trat näher an den Spiegel und betrachtete sich scharf. In ihren Irden blitzte etwas Blaues auf. Wie war das möglich? Sie blinzelte und als sie nochmal hinsah, war das Blau weg. Seltsam. Sie schien wohl noch halb zu schlafen doch die Locken, die bildete sie sich mit Sicherheit nicht ein. Barsch kämmte sie sich, doch ihr Haar wollte einfach nicht glatt werden. Auch das Braun schien irgendwie heller als sonst zu sein. Sie putzte sich die Zähne und warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Als sie aus dem Bad kam, erwartete Morgan sie bereits.

Morgan wachte von einem leichten Rascheln auf. Er öffnete die Augen und suchte schweigend nach Anhaltspunkten, wo er sich befand. Er erkannte Scarlett‘ s Bettwäsche wieder und sah sich um. Sein Atem blieb stehen, als er sie sah. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und stand an ihrem Kleiderschrank. Gott küsste ihre nackte Haut und außer purer Schönheit trug sie nichts. Ihre schmale Taille, ihre Hüfte, ihr Rücken, alles erinnerte an sie. Aber was hatte sie da für rote Striemen an der Seite. Noch bevor er das genauer erforschen konnte sah er, wie Scarlett inne hielt. Blitzartig legte er seinen Kopf wieder auf die Matratze und täuschte einen tiefen Rhythmus des Atems vor. Scheinbar gelang ihm das gut, denn wieder hörte er das Geräusch wenn Stoff über Haut streifte und dann, wie Scarlett scheinbar ins Badezimmer huschte. Langsam setzte er sich aufs Bett und sah sich um. Ihr Zimmer hatte nichts Ungewöhnliches an sich. Gar nichts. Und ehe er sich versah, öffnete sich das Bad wieder und Scarlett trat heraus. „Du bist wach!“, stellte sie fest. „Du auch.“ Sie lächelte leicht. Morgan musste träumen. Eindeutig, das Ganze hier war ein extrem realitätsnaher Traum. Ihr Haar. Das Haar der Goldenen war leicht gewellt. Nicht so stark wie ihres, aber die Struktur der Locken war die Selbe. Er schüttelte den Kopf und besann sich auf das Wesentliche. „Wenn du willst übernehme ich heute alleine das Training. Wir müssen langsam mit Formationen und Zweikämpfen beginnen beziehungsweise fortfahren. Der Krieg wird bald ausbrechen.“ Scarlett zog sich noch eine Jacke über und band ihr Haar zusammen. Sie schien Schwierigkeit mit dem Volumen und der Oberfläche zu haben. Sie brauchte viel Zeit. „Bin dabei!“, meinte sie dann kopfüber. „Bist du dir sicher?“ Sie nickte und plötzlich hörten sie etwas. Ein leises aber dennoch sehr vertrautes Geräusch. Scarlett zuckte zusammen und eine Gänsehaut überrollte sie wie die Wellen des Atlantiks. Es war das bekannte Summen, das sie fast ohnmächtig werden ließ. Flieh

Einige Tage waren vergangen seitdem Ginger ihre Schönheit gelasert hatte. Sie vermisste sie. Klirrende Einsamkeit breitete sich in ihr aus und so beschloss sie kurzerhand nach dem Frühstück ihr Zimmer aufzusuchen. Sie würde nicht eintreten und auch nichts anfassen, sie würde sie vielleicht beobachten aber nicht mehr. Kurzerhand beschloss sie, dass sie nicht bis nach dem Frühstück warten würde, sondern sofort los eilen würde. Und das tat sie auch. Auf den Gängen war es still, die Horde Teenager schien wohl noch nicht wach zu sein. Typisch. Ginger hasste Kinder. Der Handscanner piepte leicht und sie betrat den entscheidenden Flur. Schnell war sie an Scarlett‘ s Zimmertür angelangt. Die geöffnete benachbarte Tür hätte ihr auffallen müssen, tat sie aber nicht. Vorsichtig lugte sie durch das Türschloss und erkannte Scarlett Silverstone, wie sie der Tür den Rücken zugewandt hatte und mit irgendjemandem sprach. Nicht viel, zu leise und vor allem belanglos. Ginger konzentrierte sich auf ihre Konturen, ihren Körper, ihr Eigentum. Und dann, dann begann sie einen fatalen Fehler. In diese wohltuende Entspannung – schließlich war sie endlich wieder von ihrem Entzug der Goldenen befreit – summte sie leise ihre Lieblingsmelodie und das, genau das wurde ihr dann zum Verhängnis. Scarlett zuckte zusammen und drehte sich zur Tür. In das Blickfeld der Tür sprang nun ein junger Mann. Er kam der Summerin bekannt vor, sie musste ihn wahrscheinlich kennen doch an seinen Namen erinnerte sie sich nicht. Und dann geschah ihr zweiter Fehler. Anstatt von der Tür weg zu hüpfen, blieb sie wie angewurzelt stehen und als der Typ die Tür nach außen aufstieß knallte die Klinke mit voller Wucht gegen ihre Stirn. Ginger taumelte rückwärts und ehe sie noch irgendetwas tun konnte, wurde sie ohnmächtig.

Als Hailey aufwachte blickte sie geradewegs in Adam‘ s vertraute Augen. Er lächelte leicht und schien wie von Sinnen. Ihre Wangen färbten sich in einen leichten Rosaton und sie schob es innerlich auf ihr Fieber, obwohl sie wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach. „Also besonders viel hast du jetzt aber nicht geschlafen.“, stellte ihr Air, Adam fest. Sie grinste zurück. Er sah auf seine imaginäre Uhr am Handgelenk. „Ich würde mal so auf eine Stunde tippen.“ „Hey, das ist neuer Rekord.“, krächzte sie und räusperte sich. „Außerdem, halt lieber die Klappe und küss mich!“, murmelte sie dann. „Wie Sie wünschen, Mylady!“, kicherte er und beugte sich zu ihr herab. Ihre Lippen tanzten Salsa, Feenflügelschlag, Schmetterlingsstaub. Leicht, locker, frei. Doch sie waren nicht frei. In diesem Moment vielleicht, aber sonst waren sie Gefangene. Soldaten, Krieger, Auserwählte. „Und jetzt mein Schatz, wirst du was essen gehen und dann wirst du zum Training spazieren. Ich werde nicht verantworten, wenn du irgendwann ein dicker unsportlicher Typ wirst.“ Er lachte auf und seine Augen funkelten. „Außerdem wärst du dann nur halb so sexy.“, murmelte sie und hätte sich für das mädchenhafte auf-die-Lippe-beißen schlagen können. Er fand das wohl alles andere als blöd, denn er küsste sie auf die Nasenspitze und stand auf. „Ich bring dir was zu essen mit.“ „Aber ich bekomme doch was von den Schwestern.“ „Vom Hamster. Ernsthaft?“ Sie lachte strahlend auf, verfiel dann allerdings in einen Hustenanfall und hielt sich die schmerzende Seite. Sofort war das Frühstück vergessen und Adam hockte sich neben sie. Sie hustete immer weiter und plötzlich besprenkelten rote Tupfer die schneeweiße Bettdecke. „Hailey!“, flüsterte er und hastete dann zur Tür. Auf dem Flur rief er sofort nach Hilfe und die hagere Schwester sputete sich, zu Hailey zu kommen. Als sie das Blut sah, das ihr mittlerweile das Kinn herab lief, gab sie Adam ein kleines Schälchen und fummelte dann oben an Hailey‘ s Bett herum. „Halten Sie ihr das unters Kinn!“, forderte sie und Adam tat was sie sagte. Hailey spuckte immer mehr und bekam allmählich keine Luft mehr. Mit einem Ruck zerrte die Krankenschwester eine Atemmaske hervor und schloss sie an eine Pumpe an. Die Maske drückte sie Hailey auf Mund und Nase und wartete dann, bis sie aufhörte zu Röcheln. „Jetzt kannst du wieder normal atmen, Liebes!“ Und es war das erste Mal, dass Adam ihr glaubte. „Sie kriegt gleich ihre nächste Dosis, dann hat sie das hinter sich!“, kündigte die Schwester an und verschwand um das Antibiotikum zu holen und anschließend in den Infusionsbeutel zu füllen und mit Hailey zu verbinden. Dann befühlte sie Hailey‘ s Stirn. „Wenn Sie wollen, können Sie bei ihr bleiben. Sie können aber auch gerne frühstücken gehen. Wir sind ja da.“ Hailey nickte schwach, doch Adam zeigte ihr einen Vogel. „Vergiss es, als ob ich jetzt verschwinde!“ Und mit diesen Worten setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und nahm Hailey‘ s Hand. Auf deren Stirn bildeten sich leichte Schweißperlen und hin und wieder hustete sie verdächtig, doch sie gab sich Mühe, so gesund wie möglich zu wirken. Dass Adam ihr das kein Stück abkaufte, war ihr klar, aber irgendwann war ihr das egal und sie schloss für nur eine Sekunde die Augen und das einzige was sie noch spürte, war die mit ihrer verschränkten Hand Adam Air‘ s.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt