Kapitel 22

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Langsam konzentrierte sich eine Silhouette aus dem leicht schneeigen Nebel heraus und man erkannte eine männliche Person. Auf den Armen trug sie eine zarte, fast kindliche Elfe. Adam. Er hob Hailey durch den Schnee. Nachdem sie Mar ehrlich und wahrhaftig ohne jeglichen Hauch des Lebens vor sich gesehen hatte konnte sie ihre Glieder nicht mehr kontrollieren. Alles fühlte sich taub und unbedeutend an. Es fühlte sich falsch an, von Adam getragen zu werden. Sie war nicht krank, nicht schwach, nicht tot. Es war eine Beleidigung für Mar. Sie küsste Adam in die Halsbeuge und er ließ sie runter. „Schaffst du es?“ Sie nickte langsam. Plötzlich fühlte sie sich so unglaublich müde. Das viele Salz auf ihrer Haut brannte und ermüdete sie ungemein. Sie musste schlafen. Doch wo? Sie könnte sich unmöglich in das Zimmer legen, in dem sie noch vor wenigen Tagen zusammen mit ihr geschlafen hatte. Verblüfft stellte sie fest, dass sie die letzte Nacht wie selbstverständlich außerhalb genächtigt hatte. Und in dieser Dunkelheit? Es war ihr egal. Sie würde heute überall schlafen, nur nicht dort. „Kann ich bei dir schlafen?“, murmelte sie und ihre Stimme war brüchig wie sanftes Zitronengras an französischen Stränden. Er hielt an und umfasste sie sanft an der Taille. Geschmeidig drehte er sie zu sich herum. Sein Gesicht näherte sich ihrem, doch anstatt eines Kusses legte er seine Stirn an ihre. Es war, als würde er ihr Trost und Energie durch diese vertraute und blinde Berührung geben. „Ich werde immer bei dir sein!“ Und Hailey Rose wusste nicht wieso, aber es versiegte ihre Tränen, hielt ihr zerfetztes Herz ein kleines bisschen mehr zusammen und ließ eine unfassbare Wärme in ihren Fingerspitzen sich ausbreiten. Es war, als würde eine eigene Sonne für sie aufgehen und das Blut in ihren Adern zu puren Sonnenlichte wandeln. Denn ihre Sonne, das war Adam. Ihre Sonne, die die dunklen Schatten unter ihren Augen überdeckte wie eine Feder, die sich über eine blutende Wunde legt. Sie kann die Wunden nicht heilen, aber sie kann den Schmerz betäuben. Und Adam war eine vortreffliche Sonne. Vielleicht sogar die beste, die es gab. Hailey‘ s Gedanken wurden unterbrochen, als sie plötzlich in Adam‘ s Zimmer angelangt waren. Adam gab ihr eine große Jogginghose und ein weites Top und begleitete sie noch einmal zum Mädchenduschraum. Er las ihre Gesichtszüge und holte ein Handtuch aus ihrem Zimmer und ihre Zahnbürste. Er wusste, dass sie es nicht geschafft hätte Mar‘ s leeres Bett zu sehen. Sie bedankte sich bei ihm und wollte ihn dazu bringen wieder hoch zu gehen und dort auf sie zu warten, doch er bestand darauf, vor dem Mädchenbad stehen zu bleiben. Ein kleines trauriges Lächeln tanzte über ihre Lippen. Im Waschraum streifte sie das schwarze Kleid ab und schleuderte es in eine Toilette. Dann stellte sie sich unter fast kochend heißes Wasser und stützte sich mit den Händen an der Wand ab. Sie wollte so gerne laut schreien, aber sie konnte nicht mehr. Als hätte ihr jemand die Stimme genommen. Stumm ließ sie die hitzigen Perlen über ihren Rücken laufen und besann sich wieder. Adam wartete. Schneller nun trocknete sie sich ab und schlüpfte in seine übergroßen Sachen. Wieder musste sie lächeln und sie erlaubte es ihren Lippen. Ihre Augen fielen immer wieder zu, als sie sich die Zähne putzte. Auch die Zahnbürste landete in der Toilette und das Handtuch auf ihrem Kopf. Kalter Windzug stieß ihr entgegen, als sie das Bad verließ. Sofort war Adam da und lächelte sie milde an. „Soll ich dein Kleid und…“ Er hielt inne, als er sah, dass sie weder den schwarzen Stofffetzen, noch die Zahnbürste bei sich trug. Doch er hinterfragte nicht. Er wusste. Sanft küsste er sie auf den Scheitel und legte dann seinen Arm um sie. Langsam machten sie sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Stunden schienen zu vergehen und Hailey wusste nicht mehr, wie spät es war. Zeitgefühl war verloren gegangen. Irgendwo auf dem Weg zwischen Bad und Beerdigung. In Adam‘ s Zimmer war es warm und Hailey fühlte sich wohl. Müde ließ sie sich auf die weiche Matratze sinken und spürte sogleich Adam‘ s starken Körper bei sich. Er würde sie nicht loslassen. Niemals. Gemächlich spürte er, wie sich ihr Atem verlangsamte und schließlich in einen schweren, aber gleichmäßigen Takt verfiel. Auch ihr Herz schlug nun weicher und er spürte das Blut ihrer Adern nicht mehr allzu stark pulsieren. Sie war eingeschlafen.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt