Klare Tränen rannen aus Hailey‘ s Augen und bahnten sich ihren Weg ihre Wangen herab. Adam hielt ihre Hand. Stunden waren vergangen, seit Hailey‘ s Erinnerung. Doch er, er war ihr nicht einen Moment von der Seite gewichen. Er hatte sie getröstet und die Tränen fortgepustet. „Wir kommen hier niemals wieder raus, Adam!“, flüsterte sie und brach ab. „Wir werden hier sterben. Wir werden alle sterben!“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein kratzendes Räuspern. „Werden wir nicht. Hailey, hey, sieh mich an!“ Er legte seine Hand unter ihr Kinn und ihre Augen hielten einander gegenseitig fest. „Uns wird nichts passieren, weil wir niemals einer von ihnen sein werden, hörst du?“ Sie nickte schwach. Er küsste sie sanft auf die Wange. „Solange wir so sind wie wir sind passiert uns nichts.“ Sie erzitterte unter seiner Berührung. „Wenn wir nichts tun, dann werden sie uns erst Recht umbringen! Sie wollen mundtote Soldaten, monotone Krieger. Zombies!“ Sie hielt seinem Blick stand. „Und wenn wir das nicht sind?“, fragte Adam. Hailey antwortete nicht. „Dann müssen wir eben so gut sein, dass sie uns nicht unter den Tisch kehren können. Dass sie keinen Verdacht schöpfen und sich in Sicherheit wiegen.“ Hailey kamen Adam‘ s Worte so bekannt vor. Mar hatte damals etwas Ähnliches zu ihr gesagt. Damals. Wann war das gewesen? Zwei Wochen? Drei? Wie viele Stunden waren seit jeher vergangen, verstrichen, verschlungen? Doch bei Adam klang alles so anders. Mar konnte ein Biest sein, doch sie war auch eine sehr gute Freundin. Und Adam? Tja, was war Adam nun? Hailey wusste es nicht. Adam nahm ihr die Entscheidung für wenige Augenblicke ab und zog sie in einen Strudel aus verzweifelten Küssen und Tränen.
Hailey wurde von dem Lichtstrahl wach, der sich durch ihr dunkles Zimmer zog und durch Adam, der vorsichtig vom Bett aufgestanden war. Er hatte versucht sie nicht zu wecken. Lange hatte sie gebraucht um dann schließlich auf seiner warmen Brust einzuschlafen. Doch nun betrat jemand das Zimmer und es war nicht Mar. Die Tür war nur einen Spalt breit auf, durch den Adam sich nun schob. Hailey hörte, wie Adam und eine ihr bekannte weibliche Stimme sich unterhielten. Gespannt versuchte sie zu verstehen. „Sie brauch sie nicht mehr…“ Gemurmel. Wortfetzen. Streit. „Sie muss, Adam…“ Surren in Hailey‘ s Ohren. Weitere Minuten vergingen und schließlich kam Adam zurück zu Hailey, die ihn mit einem fragenden Blick erwartete. „Wer war das?“ Er seufzte und legte sich wieder zu ihr. Sie schmiegte sich eng an seine Brust. „Amelia. Sie wollte, dass du diese Aufputschmittel nimmst. Und…“ Er hielt inne und musste sich ein kichern verkneifen. „Was?“, fragte Hailey. „Sie wollte wissen, was ich so spät in der Nacht bei dir mache.“ Hailey hielt die Luft an. „Und was hast du gesagt?“ Er kicherte wieder. „Ich habe gesagt, dass Mar sich nicht blicken lässt, weil sie auf Nachtsport steht und wir eingeschlafen sind, als wir auf sie gewartet haben. Sie hat sich sofort total aufgeregt und ist sofort Richtung Turnhalle gerannt.“ Immer noch brannte sich ein Fragezeichen in meine Stirn. „Hast du das schon wieder vergessen? Sie ist mit Morgan da.“ Und dann passierte etwas Unerwartetes. Etwas, das lange nicht mehr geschehen war. Ein explosives Gefühl in ihrer Brust breitete sich aus und sie hatte Angst, dass sie jetzt sterben musste. Hailey Rose, gestorben an einer Halsexplosion. Wäre bestimmt blutig. Doch es gab keinen Knall und keinen Konfettiregen, nein. Hailey‘ s Sorgen verpufften im Rauch, als sie anfangen musste zu lachen.
Blinzelnd öffnete Mar die Augen. Unter der Tür zur großen Halle bildete sich ein Lichtstrahl. Sie brauchte einige Sekunden um zu realisieren, wo sie war. Sie lag auf Morgans Brust. Um sie herum verstreut lagen ihre Klamotten. Morgan schlief, sie spürte seinen gleichmäßigen Atem und das Heben und Senken seiner Brust. Doch dann wurde sie misstrauisch. Hatte sie vorhin das Licht draußen angelassen? Eigentlich nicht. Und ehe sie vollständig verstand, was das bedeutete hörte sie schön das Herabdrücken der Klinke und mit einem Mal flutete das Licht von draußen den Raum. Unglücklicherweise lagen Mar und Morgan nur wenige Meter von der Tür entfernt. „Maryann?“, hörte sie Amelia‘ s Stimme. Morgan schrak auf und sie drückte ihre Hand auf seinen Mund. Seine Pupillen zogen sich zusammen. Sie legte einen Finger auf ihre Lippen und deutete auf die Tür, die nur von einem Laufband vor ihnen halb verdeckt wurde. Die beiden hörten Amelia‘ s Absätze auf dem Boden klappern und er wand sich aus ihrem Griff. Nun war er es, der seinen Arm um ihre Taille schlang und sie hinter ein weiteres Gerät halb trug, halb zog. Amelia rief noch einige Male nach den beiden, doch schließlich gab sie es auf und verließ wieder den Raum. Zu Mar‘ s Entsetzen hörte sie, wie sie von Außen den Schlüssel umdrehte. Sie musste wohl gedacht haben, dass Morgan ihn vergessen hatte. Für gewöhnlich war er der letzte, der die Halle benutzte. Doch bevor Mar vor Panik laut schreien konnte – sie hasste dieses Gefühl der Bedrängnis und des Zwangs – drückte nun Morgan seine Hand auf ihren Mund. „Hey, psst…beruhig dich! Wir können durch den Kellergang rüber ins Gebäude!“, klärte er sie auf. Mar regte sich ab und die beiden zogen sich wieder an. Vertraut bot er ihr seine Hand an und sie willigte ein. Er schob eine bombastische Kiste von der Wand weg und dahinter befand sich eine Tür, die Mar noch nie zuvor bemerkt hatte. Grinsend drückte er die Klinke herab und vor ihnen erstreckte sich eine Treppe hinab ins Dunkle. Morgan drückte einen Schalter neben der Tür und binnen einer Zehntelsekunde brannte das Licht und Mar konnte erkennen, dass die Treppe sie ungefähr 4 Meter herab führte und dann an einem Gang endete. „Na dann mal los, meine Königin!“ Sie boxte ihn spielerisch in die Seite. Synchron verschwanden sie in der Dunkelheit und Morgan grummelte in sich hinein, bei dem Gedanken, dass er morgen als erstes aufstehen musste, um die Tür wieder mit der Kiste zu verhüllen.
Der Gang schien endlos und immer wieder gingen rechts und links Türen ab. Morgan zog sie bestimmt weiter, doch als sich ungefähr mittig auf der rechten Seite eine offene Tür zeigte, blieb auch er stehen. Und ehe er Mar zurück halten konnte war sie auch schon in der Dunkelheit verschwunden. „Mar, Mar verdammt! Das dürfen wir nicht!“ Sie kicherte und plötzlich ging das Licht an. „Sei kein Feigling!“, lachte sie neben dem Lichtschalter und sah sich um. Der Raum war ziemlich klein und das einzige, was er beinhaltete, waren mehrere Metallschränke. Neugierig las Mar die kleinen Schildchen an den Schranktüren. „Fortschritte“, „Trainingskurve“, „Angehörige“. Beim dritten Schrank blieb sie hängen und öffnete ihn. Auf Morgan‘ s Protest achtete sie nicht. Hunderte Akten taten sich vor ihr auf und sie suchte ihre eigene. Maryann Westminster. Mit zitternden Händen öffnete sie sie und blätterte sie durch. Zunächst fand sie eine Liste mit Informationen über ihre gesundheitlichen und genetischen Veranlagungen. Als sie jedoch die nächste Seite erblickte rutschte ihr Herz in die Hose. Ein Foto ihrer Mutter, ihrer reichen, ignoranten, herzlosen Mutter lächelte ihr kühl entgegen. Sie begann zu lesen. Erst laut, dann immer leiser werdend. „Diandra Westminster. Geboren am fünfzehnten März Zweitausendachtundachtzig. Kinder: Maryann Clara und George Alexander.“ Sie stockte. Morgan‘ s Hand legte sich auf ihre Schulter. „Todesdatum: Siebzehnter November Dreitausendneunundzwanzig.“ Sie war tot. Ihre Mutter war tot. Und obwohl sie sich immer eingeredet hatte sie zu hassen, spürte sie einen tiefen Schmerz in der Brust. Langsam schlug sie die nächste Seite auf und sah ihren kleinen Bruder ihr entgegen lachen. Doch noch ehe sie anfangen konnte zu lesen hörten sie Schritte auf dem Gang. „Wir müssen hier weg!“, presste Morgan hervor. Mar riss die Seite aus der Akte und ließ sich von Morgan mitziehen. Die Schritte kamen näher und sie erwarteten schon das Schlimmste, als plötzlich das Licht erlosch. Ein lautes Fluchen ließ sich draußen vernehmen. Gott schien sie geküsst zu haben. Morgan zog sie blind aus dem geheimen Aktenraum und dann spürte sie nur noch, wie sich ihre Beine in Bewegung setzten und die Tränen auf ihr Dekolleté tropften.

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Die Soldatin
FantasyMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...