Kapitel 43

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Erschrocken löste Morgan sich von der Goldenen. Was zur Hölle tat er da? „Es…es tut mir leid.“, stotterte er und trat mehrere Schritte zurück. Er traute sich nicht Scarlett in die Augen zu sehen, doch ihr Keuchen bezeugte, dass auch für sie der Kuss einiges ausgelöst hatte. Eigentlich hatte Morgan erwartet, dass sie etwas sagen würde, doch sie tat es nicht. Doch er traute sich nicht, in ihren Irden nach Antworten auf diese Frage zu suchen. Er traute es sich einfach nicht. „Ich muss gehen.“, murmelte er knapp und drehte sich um. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen und als er schon einige Meter überbrückt hatte, sank er auf die Knie. Jegliche Kraft sank in den unter sich frierenden Regen und Morgan zitterte. „Morgan?“, hörte er hinter sich Scarlett schreien. Er legte sein Gesicht in die Hände. Die Hände, mit denen er Maryann Westminster niemals hätte loslassen dürfen. Niemals. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie ihm jetzt hinterher laufen würde, doch er hörte sie nicht rennen. Er hörte nur ihrer beider Atem. Und in diesem Moment waren sie in ihrer Kombination so sicher und gleich, wie der von Mar und ihm. Mühsam versuchte er sich aufzurappeln, doch er knickte ein und fiel mit dem Gesicht voran in die Himmelsflocken. „Morgan.“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Wie ist das möglich?“, schrie er, doch der Schnee dämpfte ihn in seiner Trauer. Seine Wangen taten weh. Seine Lippen taten weh. Sein Jochbein tat weh. Der Schnee barst sein Herz und er, er ließ es zu. „Ich bitte dich, Scarlett. Sag mir, wie.“

Da lag er. Im Schnee. Scarlett fragte sich, ob er jetzt sterben würde. So kurz nach ihrem Kuss? Nein, das konnte nicht sein. Er erkennt dich. Was zur Hölle sollte das denn schon wieder bedeuten? Unsinniger Quatsch. Scarlett schüttelte den Kopf. Und dann, ganz langsam begann sie auf ihn zuzulaufen. „Ich weiß es nicht Morgan, ich weiß es nicht.“, murmelte sie und zog seine Jacke aus. „Du wirst frieren.“ „Ich weiß.“ Und dann, dann ging sie ohne ein weiteres Wort ins Haus. Sie ließ ihn dort liegen. Obwohl ihr Inneres sie anschrie. Ihr Inneres? Leise lachte sie auf. Na klar.

Hailey schlief. Sie lag in Adam‘ s Armen. Erst vor wenigen Minuten war sie endlich eingeschlafen. Stunden hatte sie wach gelegen. Stunden war sie stark geblieben. Stunden. Adam lächelte leicht. Er sah auf ihr schönes Gesicht herab. Ihre dichten Wimpern legten sich wie ein Vorhang über ihre Augen und bargen die darunter funkelnden Ozeane. Wieder musste er lächeln. Wahrlich, er war sich seines Glückes bewusst und er fragte sich jeden Tag aufs Neue, wie gerade er es erlangen konnte. Gerade er. Er, der immer gespielt hatte. In der alten Welt. In den alten Verhältnissen. Nie hatte er geliebt. Nie hatte er die Liebe einer Familie gespürt. Nie hatte er ein Mädchen so nah an sich heran gelassen. Nie. Warum gerade jetzt? Jetzt, wo sie alle dem Tode geweiht waren. Jeden Tag der Gefahr ausgesetzt zu kämpfen, zu sterben, auszubluten. Warum gerade jetzt? Weil es sein Schicksal war. Weil Hailey sein Schicksal war. Wenn die beiden nicht in den Resistentia-Orden aufgenommen worden wären, dann wäre er immer noch eine kalte leere Hülle, mit Perspektive aber ohne Liebe. Die war gerade ausverkauft, tut mir leid tut mir leid. Und selbst wenn Adam tatsächlich im Krieg sterben würde, es wäre das Richtige. Denn es wäre seine Bestimmung. Er hatte Hailey gefunden, er hatte das erste Mal das Mädchen gefunden, dass ihm die Luft zum Atmen raubte. Das Mädchen, das er in seiner Atmosphäre spüren konnte. Der sich synchronisierende Herzschlag. Schmunzelnd blickte er wieder herab und bemerkte wie sie aus ihrem kurzen Schlaf kurz erwachte. Der Vorhang öffnete sich und ihre tiefblauen Irden nahmen ihn in allem ein. In jeder Sphäre, jedem Universum, jeder einzigen Existenz. Wahrlich, Hailey Rose, sie war die eine.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt