Morgan lag in der Dunkelheit auf dem verschneiten Boden. Die Kälte kroch ihm die Glieder herauf und ließ ihn immer mehr zittern.
„Verdammte Kacke, wann kommt denn hier endlich mal jemand?“, knurrte Lauren, der mit Adam an der Mauer hockte und wartete, schlotternd. Wie Raubkatzen im hohen Gras lauerten sie dem nächsten Wagen auf. Ihren Plan hatten sie in den letzten Stunden provisorisch aufgestellt, eine andere Möglichkeit hatten sie nicht. Umso mehr freuten sie sich, als endlich Scheinwerfer die dunstige Luft durchstachen und den Beginn ihrer Mission verkündeten. Sie lagen ungefähr zwanzig Meter vom Tor entfernt, direkt neben der Straße. Der dunkle Transporter kam immer näher, doch der Pegel des Lichts war nicht allzu groß. Mit Glück würde man sie nicht entdecken. Eng pressten sich die zwei an die hohe Barrikade, Morgan hob leicht den Kopf für eine bessere Sicht. Er passte genau den richtigen Moment ab, als er all seine Muskeln anspannte und sich nach vorne warf. Krachend knallte sein Körper gegen die Motorhaube und der Fahrer drückte abrupt auf die Bremse. Morgan musste sich zusammenreißen, nicht zu schreien. Einige seiner Rippen hatte er sich gebrochen und auch sein Arm fühlte sich stark demoliert an. Das Dröhnen in seinem Kopf mal außer Acht gelassen. Doch er durfte jetzt keinen Fehler begehen, er musste einfach schweigen und die Augen schließen. Die vorderen Türen des Wagens wurden aufgerissen und hasteten zum vermeintlichen Unfallopfer. Dabei stets beobachtet von zwei Augenpaaren in der Dunkelheit. Zwei Seargents beugten sich zum Verletzten herab und beäugten ihn mehr als schockiert.
„Wie kommt der Typ hier her, verdammte Scheiße?“, murmelte einer, während er Morgan' s Puls prüfte.
„Hast du den gesehen?“, meckerte er weiter. Sein Kollege zog die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme.
„Hättest nochmal auf' s Gas gehen können. Tod wäre er einfacher zu handhaben“, knurrte er. Beide Männer waren von kräftiger Statur und alles andere als wohl gestimmt. In ihrem Transporter lagen mehrere betäubte Kinder und sie hatten sich beim Abholen des einen Mädchens mehr als nur die Finger schmutzig machen müssen. Geschrien hatte diese nervige Familie, allesamt. Vom Blutbad mal ganz zu Schweigen. Außerdem hatten sie einen Säugling töten müssen. Der kleine Kerl war noch zu jung für die Armee und damit ebenso unbrauchbar wie die Eltern des Mädchens. Arbeit war zwar Arbeit, aber schön musste man das trotzdem nicht finden. Dass ihnen nun auch noch irgendein Idiot aus dem Nirgendwo vor die Windschutzscheibe lief, verbesserte ihre Laune nicht gerade.
„Und jetzt?“
„Nehmen wir ihn mit, wird sich schon jemand um ihn kümmern. Und wenn es nur ein Schuss in den Kopf ist“, zuckte der etwas größere der beiden mit den Schultern. Er öffnete die hintere Tür des Transporters und kam dann zurück, um Morgan unter die Arme zu greifen. Der andere Seargent umgriff Morgan' s Fesseln und sie schleppten ihn zu den betäubten Bälgern. Noch so ein Punkt, den sie absolut nicht verstanden: Wieso holte man sich jetzt noch Soldaten? Immerhin waren nur noch wenige Tage bis sie ausrücken würden übrig. Sie hatten genügend Ausgebildete und zusammen mit den Truppen der anderen Ordenshäuser in den übrigen Randbezirken Londons waren das mehr als ausreichend. Kopfschüttelnd schlossen sie die Türen und setzten sich wieder in die Fahrerkabine. Das war der Moment, in dem Morgan sich regte. Er musste sie irgendwie dazu bringen die Schiebetür zu öffnen und das konnte er nur, indem er sich bemerkbar machte. Mehrmals schlug er auf den Wagenboden und versuchte die bewusstlosen Kinder neben sich zu ignorieren. Sein Lärm schien schon auszureichen, denn er hörte lautes Gemurmel und stellte sich augenblicklich wieder ohnmächtig. Der kleine Durchgang wurde per Knopfdruck wieder hergestellt und er hörte die Männer nun deutlich reden.
„Natürlich war da was. Ich hab' s doch gehört.“
„Na dann kannst du ja auch nachschauen welcher von unseren kleinen Freunden aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist.“
Morgan hörte es rumpeln und dann spürte er den leichten Schatten, der sich über ihn warf. Als wäre es ein kalter Luftzug. Morgan musste jetzt handeln. Blind griff er um sich und fasste eine massige Wade. Seine Verletzungen waren nahezu wieder verheilt und somit war er gestärkt wie eh und je. Ehe der Seargent reagieren konnte, riss Morgan ihn zu Boden. Er prallte dabei unbequem mit dem Hinterkopf auf und regte sich nicht. Der zweite Seargent war da schon eine größere Herausforderung, denn er konnte sich noch wären. Morgan musste ihm ausweichen, als er auf ihn stürzte und wie ein Stier brüllte. Einige Schläge konnte er abwehren und ehe er einstecken musste, schaltete er ihn mit einem Kinnhaken aus. Nun lagen zwei erwachsene Männer und zwei Kinder zu Morgan' s Füßen und er musste sich keuchend an der Rückenlehne des Fahrersitzes abstützen. Mit Mühe öffnete er noch die Fahrertür und das war das Zeichen für Adam und Lauren, die sofort zur Stelle waren.
„Setz dich, Mann“, forderte Lauren Morgan auf und Adam schob den leicht Benebelten auf den Beifahrersitz. Dann startete er den Wagen und Lauren kletterte nach hinten zu den Seargents. Vor dem Tor bremste Adam und blickte nach hinten. Die selbe Anzeige wie beim anderen Transporter blinkte auf und eine Stimme forderte zur Identifizierung auf. Lauren schaltete sofort und ergriff die Hand des einen Ohnmächtigen, um sie auf den Sensor zu legen. Ein leises Knarren war zu hören und das große Tor würde automatisch geöffnet. Und sie hatten Glück, denn noch war der Anruf Leutnant Rosehills noch nicht getätigt worden und niemand war darauf bedacht einen Seargent Macklemore festzuhalten. Die Männer zur Bewachung winkten ihn durch und er durfte ohne eine weitere Kontrolle passieren. Schließlich hielt man ihn für einen Fahrer einiger neuer Soldaten, was im Grunde ja nicht mal falsch war. Wozu also eine weitere Identifizierung, die ja ohnehin schon von Statten gegangen sein musste. Wie sonst hätte sich das Tor geöffnet? Ja, die drei jungen Männer hatten mehr als Glück, als sie in den Wald fuhren und sich auf den weg zurück zum Internat machten. Sie müssten den Wagen möglichst unauffällig in die Garage bringen und dann ins Haus kommen. Geschwindigkeit war nun alles, worauf es ankam. Wie lange würden wohl die Seargents außer Fecht gesetzt worden sein? Adam gab nochmal Gas und eine Weile rasten sie durch die lichter werdende Finsternis. Nach einer Zeit gähnte Adam herzhaft und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass sie schon kurz vor dem Friedhof sein mussten. Bald würde er wieder in seinem Bett liegen und zumindest diese eine Sorge war abgehakt. Genug andere hatte er ja. Wie aus dem Nichts sah er im Lichte der Scheinwerfer eine Silhouette aufblitzen. Er erkannte eine pralle Lockenpracht und in diesem Bruchteil des Moments meinte er sogar etwas Rotes zu sehen. Die Gestalt manifestierte sich zu schnell für eine Reaktion auf Adam' s Seite und so ertönte nur noch ein markerschütterndes Krachen und Adam presste zu spät seinen Fuß auf das Gaspedal. Einen Moment war alles still und den dreien wurde klar, dass Adam gerade jemanden überfahren hatte.

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Die Soldatin
FantasíaMisstrauisch blickte Mar aus dem Fenster. Ihr Atem schlug an das kalte Glas. Ruckartig zog sie die Vorhänge zu. „Okay, pass auf. Ich erzähle es dir einmal und dann nie wieder, verstanden?“ Hailey nickte. „Wir wurden her gebracht um zu kämpfen.“ Verw...